20 Jahre RTL2: Zwischen Trash, Hollywood und Grenzerfahrung

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Mit seinem Programm sorgt RTL2 seit mittlerweile 20 Jahren bei Zuschauern und Medienhütern gleichermaßen für Aufregung. Doch der Privatsender beweist auch Mut: Immer wieder lotet RTL2 die Grenzen des Machbaren aus und stößt dabei in unentdeckte Nischen vor, in die sich andere Sender nicht hinein wagen.

„Stopp, sonst kriegt sie gleich eins auf die Schnauze“, brüllt Andreas und knallt Tauschmutter Andrea die Tür vor der Nase zu. Eine Frau, die es bei Fans der Sendung „Frauentausch“ inzwischen als „Erdbeerkäse-Nadine“ zu Ruhm gebracht hat, sinniert: „Fernsehen bildet, weil man viel daraus lernen kann – zum Beispiel Kochen lernen, Kindererziehung, Kinderkrankheiten.“ Es sind Szenen wie diese, die RTL2 ein etwas zweifelhaftes Image eingebracht haben. Von „Trash TV“ sprechen Kritiker – oder vom „Unterschichtenfernsehen“.
 
Für Skandale und Skandälchen war der Sender, der an diesem Mittwoch (6. März) vor genau 20 Jahren auf Sendung ging und den Geburtstag mit der Jubiläumsshow „20 Jahre RTL2 – Die Zukunft ist jetzt“ feiert, von jeher gut. „Mit RTL2 verbinde ich die Chance, wieder ein paar Dinge im Fernsehen zu probieren, die sich andere nicht getraut haben“, sagt Jubiläumsshow-Moderatorin Sonja Zietlow.

Unvergessen der Aufschrei, der durch die Republik ging, als „Big Brother“ mit Zlatko und Jürgen im Jahr 2000 zum ersten Mal den Weg ins deutsche Fernsehen fand – und Guido Westerwelle (FDP) später zu den Insassen in den Container.
 
Der Rechtswissenschaftler Werner Frotscher verfasste sogar ein verfassungsrechtliches Gutachten zu „Big Brother“. Fazit: Tätig werden müsse die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR) zwar nicht. „Gleichwohl bleibt ‚Big Brother‘ in verfassungsrechtlicher wie soziologischer oder gesellschaftspolitischer Hinsicht in der Diskussion.“
 
Das stellte die Sendung auch unter Beweis. So bescheinigten Medienwächter einer „Big Brother“-Folge 2010 zum Beispiel Jugendgefährdung, weil die Kamera beim Duschen zweier Frauen „ausschließlich auf deren Brüste“ gerichtet gewesen sei.
 
„RTL2 ist ein Sender, der immer wieder versucht, seine Nische zu finden und etwas zu machen, was es vorher in Deutschland noch nicht gab“, sagt Michael Fingerling, Programmreferent bei der LPR. Dort beantragte RTL2 vor mehr als 20 Jahren die bundesweite Zulassung, auch heute noch ist die LPR darum für den in Grünwald bei München ansässigen Sender zuständig – und das geht nicht ohne Reibungen vonstatten.
 
„Die Neuerungen bei RTL bedeuten oft auch Neuerungen für das Rundfunkrecht“, sagt Fingerling. Und darum beschäftigt der Sender die Medienwächter in schöner Regelmäßigkeit. Zuletzt war es beispielsweise das Format „X-Diaries – Love, Sun, Fun“ über feiernde Touristen, das Jugendschützern wegen zu viel Sex und Alkohols missfiel.
 
An einem der letzten großen Aufreger war auch die Frau des Ex-Verteidigungsministers beteiligt: Stephanie zu Guttenbergs Sendung „Tatort Internet“ machte im Herbst 2010 Jagd auf pädophil veranlagte Kriminelle und wurde scharf kritisiert.
 
Doch der Sender hat dem deutschen Publikum auch Kultformate beschert wie die US-Erfolgsserien „Game of Thrones“, „True Blood“ oder „Californication“, die ihren Weg über RTL2 ins deutsche Free-TV fanden. Und auch Eigenproduktionen wurden Kult. Heute sind das etwa die Scripted Reality-Sendungen „Berlin – Tag & Nacht“ (mit inzwischen mehr als 2,5 Millionen Facebook-Fans) oder deren Ableger „Köln 50667“.
 
Vor mehr als zehn Jahren löste die Casting-Show „Popstars“ (später bei ProSieben), die die No Angels hervorbrachte, den Casting-Boom in Deutschland aus. Und dann gab es da ja auch noch „Peep“. Zuerst moderierte Amanda Lear das Erotik-Magazin, dann Dieter Bohlens Ex-Frau Verona Feldbusch (heute Pooth) und schließlich Bohlens Ex-Freundin „Naddel“, Nadja Abd el Farrag.
 
Das Jugendmagazin „Bravo TV“ wurde mit Heike Makatsch als Moderatorin 1996 sogar für den Grimme-Preis nominiert – eine von insgesamt fünf Nominierungen in der Sendergeschichte. „Bravo TV“ ging damals zwar leer aus, dafür gab es die renommierte Auszeichnung im gleichen Jahr aber für den RTL2-Thriller „Der Sandmann“ mit Götz George. „Das war eine Zeit, in der es dem Privatfernsehen noch besser ging und die Sender selbst in Qualität investiert haben“, sagt Ulrich Spies vom Grimme-Institut.
 
Die Zeiten seien aber wahrscheinlich vorbei, auch wenn RTL2 als einer der wenigen Privatsender immer wieder auch beeindruckende Dokumentationen im Programm gehabt habe. Künftig werde der Sender sich wohl vor allem auf das junge Stammpublikum konzentrieren – und auf „Konfektionsware“. „Ich glaube kaum, dass es wieder dahin zurückgeht“, sagt Spies mit Blick auf den „Sandmann“. „Das war eine rühmliche Ausnahme Mitte der 90er Jahre.“[Britta Schultejans/fm]

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36 Kommentare im Forum

  1. AW: 20 Jahre RTL2: Zwischen Trash, Hollywood und Grenzerfahrung Ein Sender den keiner braucht,bei mir auf Programmplatz jenseits der 100.
  2. AW: 20 Jahre RTL2: Zwischen Trash, Hollywood und Grenzerfahrung Den braucht man nicht . Nach 20 Jahren wäre es Wünschenswert , wenn die sich nun endlich Abschalten würden .
  3. AW: 20 Jahre RTL2: Zwischen Trash, Hollywood und Grenzerfahrung Zu Zeiten wo noch die großen Wrestling Events liefen, genial. Aber heute?? Im Schnitt schalt ich einmal im Jahr ein, und dann auch gleich wieder weg.
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