2011 war das „Jahr der Hacker“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Nie zuvor sind Hacker so sehr in den Blick der breiten Öffentlichkeit geraten wie in diesem Jahr. Die Aktivitäten sind so schillernd wie der Begriff. Nur eines scheint sicher: Die Attacken gehen 2012 weiter.

„Unsere Boote haben eure unterlegenen Raumschiffe versenkt“ – so spottete die Hackergruppe LulzSec nach einem Angriff auf die Plattform für das Science-Fiction-Spiel Eve Online. Diese Hacker agierten „just for the lulz“, nur so aus Spaß – oder um den attackierten Zielen zu zeigen, dass ihre Absicherung mangelhaft ist. Andere haben eine politische Agenda, viele verfolgen kriminelle Absichten, und manche dringen im Auftrag einer staatlichen Macht in fremde Computersysteme ein. Allerdings ist der Begriff Hacker sehr schillernd. Die ursprüngliche Bedeutung, für die Lösung eines Problems schnell ein paar Zeilen Software zu schreiben, pflegt etwa noch das Projekt „Random Hacks of Kindness“ (RHOK), dessen Teilnehmer Programme für einen guten Zweck entwickeln.
 
„Ich denke schon, dass dieses Jahr in gewisser Weise das Jahr der Hacker war“, sagt Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC), der Nachrichtenagentur dpa. „Die Demonstrationen, die wir im realen Raum von der Straße kennen, haben sich jetzt ins Netz übertragen – auch mit neuen Dimensionen vom Umfang her“.
 
Der CCC analysierte eine Schadsoftware für staatliche Zwecke und stieß damit im Oktober eine heftige Debatte an: Unter dem ans Münchener Oktoberfest angelehnten Schlagwort „Ozapftis“ ging es um die Frage, inwieweit Ermittler-Software Computer von Verdächtigen anzapfen darf, um deren Kommunikation zu überwachen.
 
Vorher schon waren Behörden und Unternehmen mehrfach von „Hacktivisten“ der Gruppe Anonymous vorgeführt worden. Hacktivismus, das ist „die Fusion von Hacking und Aktivismus, von Politik und Technologie“, wie es ein Autor mit dem Netznamen metac0m definiert.
 
„Ich glaube, 2011 war nicht das aktivste, aber das sichtbarste Jahr der Hacktivisten“, sagt Stephan Urbach von der internationalen Netzaktivisten-Gruppe Telecomix. „Wir zeigen stolz auf das, was wir geleistet haben. Hey, wir sind eh die neuen Rockstars, es wird Zeit, dass die Leute das auch mitbekommen“. Die Telecomix-Tüftler halfen der syrischen Opposition dabei, die Zensursysteme der Regierung zu umgehen, so dass „Menschen dank der Arbeit einiger Aktivisten frei und unbeobachtet kommunizieren konnten“.

Anonymous beruht „auf einer festen antihierarchischen Ethik, die keine Promis erzeugen will, und ihre Aktionen sind offen für alle, die dazu beitragen wollen“, erklärt die New Yorker Kulturwissenschaftlerin und Hacker-Expertin Gabriella Coleman in einem Beitrag für die Zeitschrift „Public Culture“. Diesen Hackern gehe es um liberale Grundüberzeugungen wie Meinungs- und Informationsfreiheit und darüber hinaus um den „Nervenkitzel, in Computer einzubrechen (manchmal als Cracking bezeichnet), bei dem es ebenso um das Übertreten von Grenzen geht wie ums Lernen und Erkunden“.
 
„Es gibt eine wachsende Gruppe von Menschen, die Fans dieser Bewegung sind und die ihre Unterstützung öffentlich äußern wollen“, sagt der Sicherheitsexperte Eddy Willems von der Bochumer Softwarefirma G Data. Und das seien keineswegs nur Leute aus der Nerd-Ecke, sondern Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen auf der Suche nach neuen Anstößen. Dabei gerate teilweise aus dem Blick, „dass viele Dinge, die von den Hacktivisten unternommen werden, einfach illegal sind“.
 
Das Abschießen einer Website mit einer DDoS-Attacke ist auch in der Netzszene umstritten. Dabei wird ein Web-Server von vielen Computern gleichzeitig mit sinnlosen Datenanfragen überhäuft, so dass er nicht mehr antworten kann. Urbach sieht das kritisch: „Hier mal wahllos eine Seite ‚geddost‘ (mit DDoS-Attacke angreifen, d. Red.), dort mal eine andere mit vorgefertigten Tools aus dem Netz beschossen, für deren Benutzung man keinerlei Spezialkenntnisse haben muss außer dem Willen, etwas Illegales zu tun. Und dann werde wieder in den Medien berichtet, dass Anonymous eine Seite gehackt habe – „aber eigentlich weiß niemand warum. Das ist schlechte Kommunikation par excellence“.
 
Der Bremer Psychologe und Trendforscher Peter Kruse sieht bei den Hackern eine Lust an der Störung funktionierender Prozesse und hält das für durchaus nachvollziehbar: „Wer diese Lust nicht mehr hat, ist alt“. Das Internet könne mit seinen Eigenschaften „maximale Vernetzungsdichte und hohe Spontanaktivität“ Themen sehr schnell aufschaukeln. „Ich kann Dinge in eine allgemeine Aufmerksamkeit heben, ich kann stören oder sogar zerstören. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich einen fruchtbaren Aufbauprozess herstellen kann“, erklärt Kruse im dpa-Gespräch. So zeige auch die Entwicklung in Ägypten, dass sich schnell eine Masse aktivieren lasse. Der Aufbau komplexer gesellschaftlicher Prozesse aber sei sehr viel schwieriger: „Ich kann zwar einen Diktator stürzen, aber eine neue Verfassung erarbeiten, das ist etwas ganz anderes“.
 
Auch für den Sicherheitsexperte Willems war 2011 das „Jahr der Hacker“. In Deutschland habe es mehr als 100 Millionen Fälle von Sicherheitsproblemen beim Online-Banking gegeben. „Im Jahr davor hatten wir nur ein Fünftel davon“. Und 2012 werde es an allen Ecken weitergehen mit den Attacken. Besonders großes Kopfzerbrechen bereitet den Experten der IT-Security der Trend zur Entwicklung von maßgeschneiderten Schadprogrammen, die nur ein oder zwei Tage wirksam sind und dann oft unbemerkt bleiben, von keinem Virenscanner entdeckt werden. Bei der Zahl der Schädlinge für mobile Geräte gibt es nach einer vorläufigen Schätzung von Willems in diesem Jahr einen Anstieg um 800 Prozent. „Mit einem Anteil von 0,1 Prozent ist das noch sehr überschaubar“, erklärt der Experte. „Aber diese große Steigerung zeigt, dass da was im Gange ist“. [Peter Zschunke]

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1 Kommentare im Forum

  1. AW: 2011 war das "Jahr der Hacker" Könnte sein. Besonders von Anonymous wird man wahrscheinlich mehr hören 2012.... YouTube
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