3 Jahre Haft für Bill Cosby: Der erste Verurteilte nach #MeToo

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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#MeToo war niemandem ein Begriff, als Bill Cosby die Glanzmomente seiner Karriere feierte. Gefühlt ist er trotzdem der erste, für den die Bewegung auch vor Gericht harte Folgen hat. Seine Strafe von mindestens drei Jahren Haft könnte Signalwirkung haben.

Sogar Steven O’Neill, geachteter Richter am Montgomery County Court in Pennsylvania, scheint zwischendurch kurz eingenickt zu sein. Im schwarzen Talar sitzt er da, das bärtige Kinn auf die Hand gestützt, die Augen geschlossen. Im Vortrag einer Zeugin zuckt er plötzlich und richtet sich auf. Nach nicht ein, sondern zwei Strafprozessen, einem mühsamen Jury-Urteil, Protesten vor dem Gericht und einem inzwischen dritten Team an Verteidigern scheint O’Neill die Akte Bill Cosby endlich schließen zu wollen.

Auch Andrea Constand dürfte hoffen, dass dies ihre letzte Reise ins verschlafene Norristown sein wird. Sie holt tief Luft, bevor sie vor Verkündung des Strafmaßes für den Schauspieler ein knappes, abschließendes Statement liest: „Die Jury hat mich gehört, Herr Cosby hat mich gehört, und jetzt bitte ich um Gerechtigkeit in dem Maß, wie das Gericht es für angemessen hält.“ Constand lebt heute in Kanada und arbeitet als Massage-Therapeutin, die USA sind weit weg.
 
Cosby äußert sich nicht, obwohl er Gelegenheit dazu hätte. „Ja“ und „Nein“ sagt er nur mehrfach oder stellt kurze Nachfragen, als Sonderermittler Stewart Ryan ihn über seinen neuen Status als „gewaltbereiter Sexualverbrecher“ und die damit verbundenen Pflichten belehrt. In Pennsylvanias Register wird Cosby künftig mit Foto samt seiner Straftaten geführt. Die im Internet einsehbare Kartei soll Bewohner schützen, vor allem Kinder und Jugendliche.
 
Dann endlich kommt das Strafmaß: Mindestens drei und höchstens zehn Jahre muss Cosby in einem Bundesstaats-Gefängnis absitzen, nach drei Jahren kann also erstmals über eine vorzeitige Entlassung entschieden werden. 24 dieser Anstalten gibt es in Pennsylvania. Die dortigen Insassen, mit denen Cosby sich Flure, Außenbereich und Kantine wird teilen müssen, haben meist härtere Verbrechen begangen und sitzen längere Strafen ab als Häftlinge in Bezirksgefängnissen. Cosby blickt stumm vor sich hin, als O’Neill sein Urteil liest.
 
Das Schlagwort #MeToo war noch nicht um die Welt gegangen, als Cosby die Universitätsangestellte Andrea Constand im Januar 2004 sexuell nötigte. Nun ist diese Bewegung, die übergriffige Männer in Machtpositionen umkippen lässt wie Dominosteine, fast auf den Tag genau ein Jahr alt. Die Verurteilung Bill Cosbys – auch wenn er die Höhepunkte seiner Karriere in einer Zeit vor #MeToo feierte – könnte Signalwirkung haben. Der Prozess gegen den gestürzten Hollywood-Mogul Harvey Weinstein läuft in New York bereits an.
 
Constand reist als Siegerin aus Norristown ab. Sie hat viele Hände geschüttelt und gelacht, ist umarmt und von Frauen umringt worden. Mit ihrem hellen Blazer und ihrer lockigen Kurzhaarfrisur mit den blondierten Spitzen scheint die drahtige Ex-Basketballerin Welten entfernt vom schwerfälligen Cosby. Auf seinem kahlen Kopf wachsen graue Stoppeln, eines seiner Augen blickt ins Leere. Fast könnte man meinen, nicht Cosby sei hier der ehemalige TV-Star mit landesweitem Millionenpublikum, sondern Constand.
 
In dem fünfseitigen Statement, dass die 45-Jährige einreicht, zeichnet sie ein anderes Bild. „Bill Cosby hat meinen wunderschönen, gesunden Jugendgeist genommen und zerquetscht“, schreibt sie. Die Begleiter in ihrem Single-Leben seien heute zwei Hunde. „Fast 15 Jahre später bin ich eine Frau mittleren Alters, die für den größten Teil ihres Erwachsenenlebens in einer Warteschleife steckt und unfähig ist, ganz gesund zu werden oder sich voranzubewegen.“ Auch ihre Mutter Gianna sagt mit zittriger Stimme aus.
 
„Ich habe ihre Stimmen laut und deutlich gehört“, sagt O’Neill. Er meint die Stimmen von Constands Familie, aber auch die der sechs Frauen, die im Prozess gegen Cosby aussagten. Es sind „Stimmen der Vergangenheit, Ihrer Vergangenheit, Herr Cosby“, sagt O’Neill.
 
Das Lebenswerk Cosbys trübt sich mit diesem Urteil weiter ein. In Online-Biografien wachsen die Passagen über seine sexuellen Übergriffe und die Vorwürfe Dutzender Frauen gegen ihn. Cosbys wohl letzte Chance auf ein schauspielerisches Comeback war schon 2014 geplatzt, als NBC und Netflix geplante Comedy-Projekte mit ihm absagten. Wie in guten alten Tagen der „Bill Cosby Show“ sollte er im Auftrag von NBC einen Familienpatriarchen spielen. Am Gericht wirbt jemand nun für ein Buch mit dem Titel „The Assassination of Bill Cosby“ – „Die Ermordung Bill Cosbys“.

[Johannes Schmitt-Tegge]

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6 Kommentare im Forum

  1. Abwarten und Tee trinken, ...noch setz ich das Wasser dafür nicht auf, das hat noch mindestens drei Jahre Zeit. :sneaky:
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