90 Jahre Warner Bros. – Teil 3

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Stanley Kubrick

Wenn es einer zu seiner Zeit geschafft hat, die künstlerische Avantgarde des Films aus ihrem Schattendasein hervor zu holen, dann wohl Stanley Kubrick. Mit technischer Perfektion und einer einzigartigen Ästhetik schuf er unvergängliche Meisterwerke, die heute noch die Listen der besten Filme aller Zeiten anführen.

Wie eindringlich gerade das Kino die ältesten Fragen der Menschheit stellen kann, beweist Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ von 1968. In Zusammenarbeit mit Science-Fiction-Autor Arthur C. Clark schrieb er das Drehbuch, das einen wahrhaft faszinierenden Faden spinnt. Es beginnt in einer kargen, felsigen Landschaft. Primitive Menschenaffen sind hier auf der Suche nach Futter und kämpfen um ihr überleben. Eines Morgens steht ein mysteriöser, schwarzer Monolith in ihrer Mitte. Sie scharen sich um ihn und versuchen, ihn zu berühren. Szenenwechsel: Einer der Affen durchstöbert die Knochenreste eines verendeten Tieres. Er nimmt einen der Knochen in die Hand und beginnt ihn frenetisch in die Luft zu schwingen und dann wieder auf den Boden zu schlagen – nun hat er eine Waffe. Eine Waffe, die ihm einen Vorteil verschafft gegenüber seinen Feinden und mit der er sie töten kann. Er schlägt einen seiner Artgenossen nieder und wirft dann den Knochen in die Luft.
 
Die Kamera folgt dem fliegenden Knochen und von einem Moment auf den anderen wechselt die Szene nahtlos (in einer der wohl berühmtesten überblenden der Filmgeschichte) zu einem Raumsatelliten, der um die Erde kreist. Begleitet von Johann Strauss‘ Donauwalzer fliegt ein kleines Raumschiff auf eine Station im Erdorbit zu. Hier landet Dr. Heywood Floyd, um auf dem Mond einen Fund zu untersuchen, der auf außerirdisches, intelligentes Leben hindeutet. Und das ist erst der Anfang einer philosophischen Odyssee, die Fragen über Fragen aufwirft. Fragen nach dem Tod, nach dem Zweck unseres Daseins, nach einer höheren Macht, die unsere Geschicke lenkt. Doch Kubrick maßt sich nicht an, endgültige Antworten zu liefern. Er entwirft stattdessen eine bildgewaltige Poesie der Metaphysik, eine Science-Fiction-Sinfonie, die uns selbst jegliche Spekulation und Interpretation frei lässt und, mehr noch, die uns in jeder Minute dazu herausfordert, selbst zu fragen und zu philosophieren.

Der Gesellschaftskritiker

Nicht weniger bekannt, doch um einiges kontroverser ist Kubricks Film „Uhrwerk Orange“ aus dem Jahre 1971. Nach dem gleichnamigen Roman von Anthony Burgess erzählt er die fiktive Geschichte von Alex DeLarge. Alex ist der Chef seiner eigenen kriminellen Bande – den „Droogs“. Zusammen begehen sie Einbrüche, prügeln sich mit anderen Gangs und zelebrieren brutale Gewaltexzesse an ihren Opfern. Doch Alex‘ Kumpane sind unzufrieden, da ihre Raubzüge nicht genügend Beute einbringen. Bei ihrem nächsten überfall verraten sie Alex und er muss mehrere Jahre im Gefängnis verbringen. Dort nimmt er an einer neuartigen Verhaltenstherapie der Regierung teil, die Verbrecher wie ihn von ihrer sadistischen Ader heilen soll. Mit mechanischen Apparaturen werden ihm gewaltsam die Augen aufgehalten.
 
Er wird gezwungen, sich Videos von körperlicher und sexueller Gewalt anzusehen und man verabreicht ihm Medikamente, die bei diesem Anblick Übelkeit und Schmerzen auslösen. Nach 14 Tagen Marter gilt Alex schließlich als „geheilt“ und kommt als gebrochener Mann frei. Doch er findet keinen Platz mehr in der Welt außerhalb und muss bald erfahren, wie die Gewalt, die er früher selbst gesät hat, nun auf ihn zurückfällt. Seinerzeit löste der Film eine weitläufige Kontroverse aus und Kritiker warfen Kubrick die Ästhetisierung von Gewalt vor. Tatsächlich inszenierte Kubrick Alex‘ Exzesse bewusst leichtfüßig und mit heiterer, klassischer Musik unterlegt, um den Genuss und die Reuelosigkeit zu verdeutlichen, mit der Alex sie beging. So gilt „Uhrwerk Orange“ inzwischen als Klassiker (wenn auch umstritten), der viele Künstler und Musiker beeinflusste und bis heute Kultstatus besitzt.

Der Ästhet und Realist

Auch im Horrorgenre setzte Kubrick Maßstäbe. Mit „The Shining“ (1980) verfilmte er eine Geschichte aus der Feder von Stephen King. Hauptfigur ist Jack Torrance (Jack Nicholson), der mit seiner Frau und seinem Sohn den Winter allein in einem Hotel in den Bergen Colorados verbringt, gänzlich abgeschnitten vom Rest der Welt. Während das Hotel in diesen Monaten geschlossen ist, ist er für seine Instandhaltung und Wartung zuständig. Doch nach und nach zermürbt ihn die Einsamkeit und er wird von Halluzinationen heimgesucht. Echos vergangener Mordtaten streifen durch das Hotel, die Jack an den Rand des Wahnsinns treiben und zu einer Gefahr für seine Familie machen. In dieser isolierten und abgeschiedenen Szenerie lebt „The Shining“ vor allem durch seine atmosphärischen, endlos langen Kamerafahrten durch die verlassenen Räume und Gänge des Hotels. Die Beklemmung der riesigen, ausgestorbenen Hallen, Foyers und Salons und Nicholsons energische Darstellung des Irrsinns schafft eine Ästhetik des Schreckens, wie sie selten im Genre zu finden ist. „Shining“ ist mehr als bloß ein Horrorfilm. Es ist die Verbildlichung menschlicher Traumata im Grenzgang zwischen Wirklichkeit und Illusion.
 
Ebenso und doch auf ganz andere Weise bietet „Full Metal Jacket“ von 1987 einen Einblick in menschliche Abgründe. In der Liste der Vietnam-Antikriegsfilme steht der Film ganz oben neben „Apocalypse Now“ und „Platoon“. Berühmt ist er vor allem für seine erste Hälfte, die sich um die Ausbildung der Rekruten auf Parris Island dreht. Ungeschönt und erschreckend realistisch wird hier ausgestellt, wie der Einzelne unter enormen psychischen Druck gedrillt und gedemütigt wird, bis er zu dem harten und disziplinierten Soldaten wird, der er sein soll, oder bricht. Orientiert an Erlebnisberichten von Kriegsveteranen erzählt Kubrick die Geschichte des Private Davis, Spitzname Joker (Matthew Modine), der nach der Ausbildung zum Kriegsberichterstatter wird und für die Armeezeitung schreibt. Auch er muss schließlich im Einsatz die Brutalität des Krieges selbst miterleben.

Der Avantgardist und Perfektionist

Stanley Kubrick gehört unter Kritikern und Filmliebhabern zweifellos zu den am meisten geschätzten westlichen Regisseuren. Bekannt für seinen Wahn, nahezu jede technische Einzelheit entsprechend seinen Vorstellungen zu perfektionieren, entwarf er eine eigene Filmsprache, die vor allem durch ihre symbolischen und metaphorischen Bildwelten fasziniert. Damit hat er nicht nur die breit getretenen Hollywood-Konventionen hinter sich gelassen, sondern fordert gleichsam den Zuschauer heraus, seine eigenen Wahrnehmungsstile zu entwickeln und auf neue Weise zu schauen – abseits der klassischen Erzählstrukturen mit ihren klassischen Protagonisten und deren erprobter und etablierter Inszenierung.
 
Seine Filme sind allesamt einzeln auf Blu-ray erhältlich und wurden ebenfalls in einer „Stanley Kubrick Blu-ray-Collection“ von Warner Brothers veröffentlich. Die Filme „2001: Odyssee im Weltraum“, „Uhrwerk Orange“, „The Shining“ und „Full Metal Jacket“ sind außerdem in der „90 Jahre Warner Bros. Jubiläums Edition – 50 Film Collection“ enthalten.

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