Auch nach dem TV-Aus lebt „Newtopia“ fort

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Ein Jahr wäre das TV-Experiment „Newtopia“ dieser Tage geworden, hätte Sat.1 das Format, das eher durch Skandale von sich reden machte, nicht vorzeitig aus dem Programm genommen. Doch mit dem Aus im TV ging nicht das Ende von „Newtopia“ einher.

Im Garten von Heiko Terno in einem Dorf in Brandenburg lebt die Welt von „Newtopia“ weiter. Also ein bisschen zumindest. Der Landwirt hat sich ein paar Erinnerungsstücke aus dem TV-Spektakel gesichert: Ein kleines Holzhaus steht auf der Wiese, dann gibt es noch ein gemaltes Bild von TV-Kuh „Clyde“ und einen Melkschemel. Sat.1 hatte vor einem Jahr den Start der Reality-Show als „das größte TV-Experiment aller Zeiten“ angekündigt. In den Wäldern Brandenburgs sollten 15 Leute ein völlig neues Leben aufbauen – abgeschirmt von der Außenwelt und begleitet von vielen Kameras. Aber der Privatsender holte sich damit eine blutige Nase – die Einschaltquoten waren schwach.

Am Dienstag (23. Februar) wäre „Newtopia“ ein Jahr alt geworden. Solange hätte die Show dauern sollen. Der Sender zog im vergangenen Juli kurz nach der 100. Sendung vorzeitig den Stecker.

Terno war quasi ein Teil der Sendung: Der 43 Jahre alte Landwirt lieferte Futter für die „Newtopia“-Tiere an, erzählt er. Dadurch konnten ihn die Zuschauer im Internet-Live-Stream oder werktags in dem TV-Zusammenschnitt im Vorabendprogramm sehen. Mit zwei Kühen und 25 Hühnern und einer unbeheizten Scheune fing für die Bewohner damals alles an.

„Mann, haben die am Anfang gefroren“, erinnert sich Terno. Damit die „Pioniere“, wie der Sender die „Newtopia“-Teilnehmer nannte, zu Geld kamen, verkauften sie Eier oder Milch an die Außenwelt. Terno brachte die Milch zu einer Abnehmerin im Nachbarort, wie er sagt. In seinem Dorf Kümmritz hätten viele „Newtopia“ geschaut. „Abends um 19 Uhr war auf der Straße nichts mehr los.“ Wenn Terno mal im Fernsehen zu sehen war, habe das Telefon geklingelt.

„Newtopia“ startete zunächst mit guten Werten – fast drei Millionen Zuschauer. Zum Schluss war es nur noch gut eine Million. Das TV-Spektakel geriet immer wieder wegen Pannen in die Schlagzeilen. Einige der Bewohner wollten sich nicht mit dem Nominierungsregeln abgeben – zuhauf kehrten sie „Newtopia“ den Rücken.

Dann gab es einen peinlichen Zwischenfall, der die Vermutung nahe legte, dass der Sender das „Reality“-Format mit Regieanweisungen steuerte: Die Kameras nahmen auf, wie eine Mitarbeiterin der Produktionsfirma mit den Bewohnern in der Scheune über den Verlauf des TV-Projekts spricht. Der Versuch, etwas Prominenz in die „Newtopia“-Welt zu bringen, fruchtete auch nicht wirklich. Von seinem kleinen Gastspiel war Ex-Kommunarde Rainer Langhans enttäuscht.

Und dann war da noch Kuh „Clyde“. Sie hatte sich überfressen, weil die Pioniere eine Futterbox nicht verschlossen hatten. Es gab einen Aufschrei von Tierschützern. Sie verlangten, dass alle Tiere vom TV-Gelände in Königs Wusterhausen geholt werden. Landwirt Terno erinnert sich: „Das war mein großer Moment.“ Er fuhr die Kuh in eine Klinik für Klauentiere, wie er sagt. „Clyde“ ging es dann besser und sie kam zurück.

Warum wurde „Newtopia“ zum Flop? Die Fernsehforscherin Joan Kristin Bleicher von der Universität Hamburg sagt: „Der Skandal um die Regieanweisungen im Live-Stream sorgte für einen Glaubwürdigkeitsverlust des Formats, was letztlich den Untergang einleitete.“ Zudem hätte die Produktionsfirma zu stark reglementiert, ob Zuschauer mit „Newtopia“-Bewohnern Kontakt aufnehmen können. In den Niederlanden fand das Format einen fruchtbareren Boden. Das Original von John de Mol („Big Brother“) mit dem Titel „Utopia“ läuft dort seit Januar 2014.

Nach dem Flop von „Newtopia“ und weiteren schwachen Quoten im Vorabendprogramm räumte Sat.1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow im vergangenen Herbst schließlich seinen Posten. Auf dem „Newtopia“-Sendeplatz läuft jetzt die Dokusoap „In Gefahr“.

Für die Stadt Königs Wusterhausen war „Newtopia“ ein Erfolg. „Es war ein bunter Farbtupfer“, sagt Bürgermeister Lutz Franzke (SPD). Bei der regionalen Wirtschaft habe es einen Effekt gegeben: Restaurantbetreiber, Handwerksfirmen und Fahrdienste profitierten. „Dass Newtopia so früh eingeschlafen ist, ist schade“, meint Franzke. Was wurde eigentlich aus Kuh „Clyde“? Ihr Besitzer verkaufte sie nach eigenen Angaben an eine Tierschutzgruppe. [Anna Ringle/kw]

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5 Kommentare im Forum

  1. Dennoch wollten einige Ex-Pioniere ein neues Newtopia in Eigenregie kreieren! Haben dabei aber nicht bedacht, wie kompliziert und teuer das alles werden würde, vor allem mit der Technik. Den Markennamen "Newtopia" dürfen sie dafür natürlich auch nicht verwenden... Gruß Holz (y)
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