Avatar

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Eine kleine Kinorevolution

„Avatar“ als einfachen Film zu betrachten ist eigentlich unmöglich, wenn man bedenkt, dass vor weniger als zwölf Monaten nur die wenigsten Kinosäle mit Digitaltechnik, geschweige denn mit 3-D-Beamern ausgestattet waren. Zweifellos sorgte James Camerons Mammutprojekt für die große Digital-Wende in den Kinos, denn jeder Betreiber wollte vorbereitet sein, wenn das sehr gut vermarktete Filmhighlight herauskommt. Die Legende schuf sich sozusagen selbst, denn nicht der grandiose Inhalt stand im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, sondern der technische Aspekt.

Etwas zu zeigen, was noch nie ein Kinogänger zuvor sah, war das große Versprechen von „Avatar“. Ebenso hieß es, es würde das größte Kinoereignis des Jahrzehnts werden – Ende 2009 gewiss keine übertriebene Aussage. Um sich selbst von alledem zu überzeugen, besuchten Millionen von Zuschauern die Vorstellung, und machten den Film tatsächlich zum Megaerfolg. Rund 2,6 Milliarden US-Dollar und ein paar Zerquetschte spielte „Avatar“ bisher weltweit ein. Damit übertraf James Cameron den bisherigen Ertragsrekord von 1,8 Milliarden Dollar, den ein gewisses Historiendrama über ein sinkendes Schiff erzielt hatte. Dass hinter diesen ganzen Zahlenspielereien auch nicht mehr Aussagekraft steckt als hinter den vergleichsweise deutlich höheren Besucherzahlen von „Titanic“ zeigen schon allein solche unberücksichtigten Faktoren wie die stetige Inflation oder der höhere Eintrittspreis für 3-D-Vorstellungen.

Nichtsdestotrotz verursachte „Avatar“ eine kleine Kinorevolution. Laut der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ gibt es derzeit allein in Deutschland über 260 Kinos mit 3-D-Projektoren. Im Jahr 2010 soll die Zahl der mit 3-D-Equipment ausgestatteten Kinosäle nach Schätzungen der Real D Company weltweit auf 15 000 steigen. Der beträchtliche Erfolg von Camerons Science-Fiction-Epos schlug demnach seine Wellen. Er steigerte das Interesse an der dritten Dimension dermaßen, dass die Studios ihre Filme inzwischen schon fast standardmäßig online an die Lichtspielhäuser schicken, anstatt auf analogen Filmrollen – ein vor knapp zwei Jahren noch völlig undenkbares Szenario. Hinter diesem Netz aus reißerischen Jubelrufen und Rekordankündigungen verbirgt sich ein durchaus respektabler Masterplan, der bereits seit langem im Kopf des Science-Fiction-Gurus James Cameron herumspukte und ganze viereinhalb Jahre seines Lebens bestimmte.

„Es gab Szenen im Film, die nach Jims Vision zu lang waren.“ (John Landau)

Um einen tieferen Eindruck über die Produktion eines der teuersten und zugleich erfolgreichsten Filmprojekte zu gewinnen, setzten wir uns kurz vor der Veröffentlichung von „Avatar“ mit dem Produzenten des Films, John Landau, zusammen. Er finanzierte bereits „Titanic“ und weiß, worauf es bei der Arbeit mit einem Visionär wie James Cameron ankommt: „Ich sehe die Rolle eines Produzenten nicht darin, dem Regisseur einen finanziellen Riegel vorzuschieben oder zu behindern. Es ist eher eine fruchtbare Kollaboration.“ So erklärt Landau, dass er aus Effektivitätsgründen gegebenenfalls mit Cameron über die Länge diverser Szenen diskutierte oder nach dem Sinn einer Kulisse fragte, die in keiner Einstellung zu sehen sein würde.
 
Damit hielt er den Laden kostentechnisch am laufen, ohne eindeutig „Nein“ zu sagen. Das ist auch gut so, denn die Vergangenheit zeigte, dass der Perfektionist Cameron am Anfang seiner Karriere sogar bereit war, in einen Schneideraum einzubrechen, um seine eigene Version von „Piranha Part Two: The Spawning“ zusammenzuschneiden. Auf solch drastische Maßnahmen muss der Regisseur heute zum Glück nicht mehr zurückgreifen, denn dank seiner Errungenschaften scheint ihn Hollywood machen zu lassen, was er will. Insgesamt fielen 40 Minuten von „Avatar“ der Schere zum Opfer. Darunter befanden sich auch Szenen, die auf der Erde spielen. Um den Film bei der Ankunft auf Pandora aber kein zweites Mal beginnen zu lassen, wurden sie entfernt. Inzwischen kursieren jedoch die ersten Gerüchte, dass bereits an einer neuen IMAX-Version gewerkelt wird, die zehn bis zwölf Minuten mehr Handlung bieten soll. Summa summarum ergibt sich daraus eine Gesamtlänge von etwas mehr als 170 Minuten, und das ist genau der Grenzbereich, den eine IMAX-Vorführung tragen kann.

„Es war eine sehr wilde, faszinierende Zeit, in der ich die Unterwasserwelt erkundete, wie in einer Science-Fiction-Story“ (James Cameron)

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