„Babai – Mein Vater“: Ende einer Kindheit

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Das Thema Flüchtlinge sorgt hierzulande gerade in diesen Tagen für ziemlich dramatischen Gesprächsstoff. Über eine ganz besondere Flucht gibt es einen Spielfilm aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Auch in diesem Sommer fliehen wieder viele Menschen aus gar nicht mehr so fernen Ländern nach Europa, über das Land oder das Meer. Innerhalb der Filmreihe „Debüt im Ersten“ erzählt nun der Beitrag „Babai – Mein Vater“, zu sehen an diesem Dienstag (23.30 Uhr) im Ersten, von der abenteuerlichen Flucht eines kleinen Jungen, der seinen Vater sucht.

Nori (Val Maloku) ist zehn Jahre alt und verkauft zusammen mit seinem Vater Gezim (Astrit Kabashi) Zigaretten auf den Straßen des Kosovo, noch vor dem Konflikt mit Serbien in den 90er Jahren. Die scheinbar einzige Stärke des Vaters ist, der Vergangenheit zu entfleuchen – so hält er es auch mit seiner ehemaligen Frau, von der keine Rede mehr ist. Jetzt will Gezim aus dem Kosovo fliehen, aber ohne seinen Sohn. Doch Nori läuft vor den Bus, in dem sein Vater sitzt, und wird bei dem Unfall schwer am Kopf verletzt. Als er aus dem Krankenhaus entlassen werden soll, ist sein Vater verschwunden. 
 
Nori ist wütend und verzweifelt, zieht seinem Onkel Adem (Enver Petrovci) buchstäblich das – für die Hochzeit dessen Sohnes gesparte – Geld aus der Tasche und sucht Hilfe bei der Nachbarin Valentine (Adriana Matoshi), die ihn jedoch ebenfalls bestiehlt. Zu allem entschlossen, flieht er mit ihr und einer Gruppe von Schleusern in tiefdunkler Nacht über das Meer und findet tatsächlich seinen völlig hilflosen und überforderten Vater in Deutschland wieder. Gezim kann den nicht registrierten Nori aber nicht in seine Flüchtlingsunterkunft mitnehmen und bekommt auch kein Asyl, für sie beide nicht. 
 
Dem Zuschauer wird hier nichts geschenkt. Bei einer gemeinsamen Mahlzeit muss Nori mitansehen, wie Adem seinen erwachsenen Sohn kurz vor dessen Hochzeit wegen eines Fehltritts brutal verprügelt, während die versammelte Familie ungerührt weiterisst. Wenig später versichern sich alle, dass es ihnen gut geht. Auch die erschütternde Szene vom Abschied am Bus mit dem Unfall ist herzzerreißend. Das egoistische Handeln des gefühlskalten Vaters, der seinen Sohn fast schon liebevoll „mein Rotzäffchen“ nennt, ist nur sehr schwer, besser: überhaupt nicht zu verstehen. 
 
„Babai“ ist der Debütfilm von Visar Morina (37), der 1993, mit 14 Jahren, aus dem Kosovo in die Bundesrepublik kam und in seinem Film allerhand selbst Erlebtes oder Gesehenes verarbeitet. Sein Coming-of-Age-Drama wurde auf dem Filmfest München 2015 gezeigt und gewann dort drei Förderpreise in den Bereichen Regie, Drehbuch und Schauspieler. Morina zeigt das frühe und abrupte Ende von Noris Kindheit – von Val Maloku mit bewundernswertem Gleichmut und gleichbleibender Sturheit gespielt. Morina erklärt und beschönigt nichts, er zeigt ohne irgendwelches Pathos eine kalte Welt ohne jegliche Geborgenheit. Nicht nur, aber vor allem zum Thema Flüchtlinge – insbesondere zu allein fliehenden „unbegleiteten Minderjährigen“ – ist es ein hochaktueller Film.

[Klaus Braeuer]

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