Daniel Radcliffe: „Ich bin noch lange nicht fertig“

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Seine erste große Rolle wurde gleich ein Welterfolg: Als „Harry Potter“ wurde Daniel Radcliffe quasi über Nacht zum Superstar. Nach einem aufsehenerregenden Ausflug ins Theater – in „Equus“ stand er nackt auf der Bühne – wagt sich der heute 22-Jährige an seinen ersten Film nach „Potter“: den Gruselfilm „Die Frau in Schwarz“.

Im Interview in München verriet Daniel Radcliffe, warum es ausgerechnet dieser Film sein musste – und was er heute machen würde, wäre er kein Schauspieler geworden.
 
Nach Ihrem großen Erfolg mit „Harry Potter“ haben Sie wahrscheinlich aus Hunderten Projekten wählen können. Warum ist es „Die Frau in Schwarz“ geworden?
 
Daniel Radcliffe: Ich hatte einige Drehbücher zur Auswahl. Aber sobald „Die Frau in Schwarz“ auf dem Tisch lag, hat das Buch alle anderen einfach ausgestochen. Es ist so ein tolles Drehbuch – und sehr gut zu lesen. Ich bin ein langsamer Leser, aber durch dieses Buch bin ich gerast. Außerdem hat mich die Möglichkeit interessiert, einen Genre-Film zu machen, der aber gleichzeitig so viel mehr ist als nur ein Genre-Film. Es geht um Schockeffekte und Angst, aber in diesem Film steckt noch viel mehr. Es ist ein Kommentar auf den Tod, die Zeit der Trauer und auf die Frage wie die Reaktion auf einen Tod das eigene Leben beeinflussen kann. Und was passiert, wenn es nach einem solchen Schicksalsschlag nicht gelingt, weiter zu machen.
 
Erst die Fantasiewelt von „Harry Potter“, jetzt die gruselige „Frau in Schwarz“ – was halten Sie von übersinnlichen Dingen?
 
Radcliffe: Ich glaube nicht daran – nicht an Geister oder so etwas. Ich würde es lieben, wenn wir in einer Welt mit Geistern und Dämonen leben könnten. Das wäre extrem aufregend.
 
Und was ist mit dem Leben nach dem Tod?
 
Radcliffe: Wieder das Gleiche: Daran glaube ich auch nicht.
 
„Die Frau in Schwarz“ gehört zu den berühmten „Hammer“-Horrorgeschichten. Wie gut kannten Sie die, bevor Sie mit diesem Projekt zu tun hatten?
 
Radcliffe: Dracula ist natürlich so etwas wie ein Standardwerk, wenn man in England aufwächst. Wir haben es auch in der Schule gesehen – an einem dieser Tage kurz vor den Ferien, wenn niemand mehr Lust hat, etwas zu tun – auch die Lehrer nicht – und man nur noch Videos mitbringt. Ich erinnere mich noch genau: Alle in meiner Klasse fanden Christopher Lee als „Dracula“ total cool. Nur ich habe Peter Cushing als „Van Helsing“ geliebt. Ich wollte sein wie er.
 
Keine Frage: Mein Charakter in diesem Film, das ist die Peter Cushing-Rolle. Er war immer das stille Zentrum des Films, um das herum das Chaos ausbricht. Mein Freund Stephen Fry hat mal gesagt, Peter Cushing sei der einzige Mann, den er jemals gesehen hat, der einer Frau zur Begrüßung die Hand küssen kann, ohne dass es auch nur ansatzweise unheimlich wirkt. Er war ein Gentleman und ein sehr besonderer Mann.

Auf gewisse Art und Weise haben Ihre Rolle Arthur und Harry schon etwas gemeinsam: Zwei nette junge Männer, die eine schwere Zeit hinter sich haben und jetzt gegen das Böse kämpfen.
 
Radcliffe: Wenn man es darauf reduziert, stimmt das natürlich. Klar. Da gibt es aber sicher viele andere Charaktere, auf die das auch zutrifft. Arthur und Harry sind beide tragische Helden. Aber Harry wollte immer kämpfen. Arthur dagegen interessiert es nicht sonderlich, ob er lebt oder stirbt. Er hat nicht diesen Überlebenswillen wie Harry. In beiden Filmen gibt es auch Geister – und trotzdem sind die Filme völlig unterschiedlich. Dieser Film ist einfach so viel dunkler als „Harry Potter“.
 
Glauben Sie, Ihre „Harry Potter“-Fans können sich auch mit der „Die Frau in Schwarz“ anfreunden?
 
Radcliffe: Ich glaube nicht, dass sie ein Problem damit haben. Ich glaube sogar, dass es genau die Art Film ist, die „Harry Potter“-Fans lieben. Und ehrlich gesagt, habe ich meine Fans schon mit „Equus“ wirklich hart auf die Probe gestellt. Da hat sich sozusagen die Spreu vom Weizen getrennt. Jeder, der mich danach noch mochte, wird mit diesem Film kein Problem haben.
 
„Harry Potter“, Ihre Rolle in „Equus“ oder jetzt Arthur im Horrorfilm – welche Rolle würden Sie gerne noch einmal spielen?
 
Radcliffe: Wenn ich könnte, würde ich gerne die Chance bekommen, noch einmal im sechsten „Harry Potter“-Teil zu spielen. Ich könnte das heute wahrscheinlich besser machen als damals. Ich trauere dem Film jetzt nicht hinterher oder so. Ich weiß nur, dass ich den Job heute besser machen könnte. Die Zeit, in der ich mich als Schauspieler am erfülltesten gefühlt habe, war die Zeit mit „Equus“ am Broadway. Das war einzigartig.
 
Was war die beste zweite Chance, die Sie in Ihrem Leben je bekommen haben?
 
Radcliffe: Das ist eine sehr gute Frage. Darüber muss ich nachdenken. Ich denke, die Möglichkeit, „Equus“ in New York nochmal zu spielen. Dadurch konnte ich den Charakter richtig hinbekommen. Beim zweiten Mal war ich auf jeden Fall besser. Meine Freundin hat mir ein zweites Date gegeben – obwohl ich ziemlich sicher bin, dass ich das erste versaut hab. Sie gab mir eine zweite Chance – eine wirklich gute.
 
Wann haben Sie sich das erste Mal selbst für einen Schauspieler gehalten – und nicht mehr für ein Kind, das nur so tut?
 
Radcliffe: Das war wahrscheinlich bei „Equus“ in London. Man kann so eine Sache nicht machen, wenn man sich nicht selbst für einen Schauspieler hält. Trotzdem bin ich noch lange nicht fertig. Ich muss und will noch viel lernen. Sobald ich das nicht mehr will, ist es vorbei. Dann müsste ich aufhören. Diesen Hunger darf man nicht verlieren, sonst gibt das Ärger.
 
Wenn es mit der Schauspielerei nicht geklappt hätte, welchen Beruf hätten Sie heute?
 
Radcliffe: Ich hatte diese Kindheitsträume: Astronaut, Feuerwehrmann, Marinesoldat. Aber was ich tatsächlich gemacht hätte – keine Ahnung. Ich war nicht sonderlich gut in der Schule und glaube auch nicht, dass ich mich noch deutlich verbessert hätte. Wenn mir heute aber jemand die Pistole auf die Brust setzen und mich zwingen würde, mich für einen anderen Job zu entscheiden, dann würde ich es als Archäologe versuchen. Ich würde gerne Zeit damit verbringen, Dinge auszugraben.INTERVIEWs im Überblick
[Interview: Britta Schultejans]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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