Das deutsche Fernsehen vor dem kreativen Bankrott?

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Ein zweites „Dschungelcamp“, eine längere Staffel von „Let’s Dance“, ein neuer Frauenknast – RTL baut derzeit vor allem bekannte Formate aus, holt alte Ideen aus dem Archiv. Neue, langfristige Konzepte fehlen. Die Konkurrenz ist da nicht besser. Kommt am Ende dann der „Bachelor“ täglich?

Mit dem „Dschungelcamp“ ist es ja bekanntlich jedes Jahr das gleiche Spiel: Sobald der Januar naht, sind die einen vollkommen verzückt angesichts der täglichen Dosis C-Promi-Peinlichkeit, die anderen schwer genervt von dem Hype, den das Format jedes Mal wieder entfacht. Doch immerhin: Nach zwei Wochen ist der Spuk wieder vorbei, der Alltag kehrt zurück, der Bedarf an Quasi-Promis, die sich in Maden wälzen und eklige Dinge essen, wieder gedeckt.
 
Doch gerade das ist es vermutlich auch, was „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ so erfolgreich macht: Es kommt nur einmal im Jahr. Die Vorfreude von Fans auf neue Folgen ist dementsprechend groß und sichert zu einem guten Teil den Erfolg. Doch was gut funktioniert, wird im Fernsehen bekanntlich gern kopiert: RTL denkt offenbar bereits über ein zweites „Dschungelcamp“ nach, eine Sommerausgabe, die quasi als Casting-Show für potentielle Kandidaten dient, die im Januar dann in den echten Dschungel wollen. Denn wer sich gut macht, bekommt ein Ticket für Australien.

Aber die Frage ist doch: Brauchen wir überhaupt ein zweites „Dschungelcamp“? Als Zuschauer mag diese Frage jeder für sich selbst beantworten, doch bei dem Kölner Sender scheint das Bedürfnis da. Denn neue Konzepte, gute Ideen, die langfristig funktionieren und so zu einem festen Baustein im Programm-Schema werden können, fehlen. Die einzelnen Sendeplätze müssen häufig von altbekannten Formaten gefüllt werden, RTL greift hier gern zu Scripted-Reality-Produktionen, die einspringen müssen – und das auch mehrmals am Tag, wenn es sein muss.
 
Bei ProSieben ist das nicht anders: Ein Großteil des Tages wird von Wiederholungen von „How I Met Your Mother“, The Big Bang Theory“ und „Two and a Half Men“ bestritten. Scheinbar in Endlosschleife laufen die einzelnen Staffeln durchs Programm und das schon seit gefühlt zehn Jahren. Die „Simpsons“ belegen seit den 90ern den 18-Uhr-Platz im Programm. Der langsam übersättigte Zuschauer, der vermutlich jede Episode schon mehrmals gesehen hat, stellt sich da vermutlich häufiger die Frage, ob es nichts anderes mehr gibt, das man zeigen kann. Mehr gibt es, ja, aber hauptsächlich von alten Formaten statt neuen Ideen.
 
Neben der schlichten Multiplizierung dessen, was ohnehin schon im TV läuft – und sei es auch in der Form, das ein Sender die Formate des anderen kopiert – ist auch der Griff in die Archiv-Kiste ein gern genutztes Mittel. Alte Show-Ideen werden neu aufgelegt, moderner, mit neuen Gesichtern und besserer Technik, aber eben doch schon da gewesen. Auch die Öffentlich-Rechtlichen sind hier nicht besser. Auf der Suche nach neuen Unterhaltungsprogrammen werden auch hier immer wieder alte Konzepte reanimiert, denn auch ARD und ZDF tun sich schwer damit, neue Ideen zu realisieren, die sich über längere Zeit im Programm halten. Die 3000. Quizshow ist hier auch keine Lösung.
 
Auch RTLs neue Knast-Serie „Block B“ mag hier als Beispiel dienen: Eine Serie über Frauen, die wegen diverser Verbrechen in einer JVA einsitzen – genau das gleiche Konzept, wie einst bei „Hinter Gittern“, einer Serie, die um die Jahrtausendwende sehr erfolgreich bei RTL lief. Doch wo bleibt das tatsächlich Neue?
 
Als TV-Zuschauer bleibt derzeit wohl nur zu hoffen, dass sich die Sender wieder ihrer Kreativität besinnen und mehr Abwechslung in ihr Programm bringen, selbst neue Farben kreieren und nicht einfach nur die 500. Krimi-Serie aus den USA einkaufen, in dem sich der Ermittler durch besonders unorthodoxe Methoden hervortut. Auch davon gibt es mehr als genug.
 
Wenn sich das Publikum vom TV-Angebot gelangweilt fühlt – „Heut kommt aber auch wieder gar nichts“ – ist das also kein Wunder. Immer mehr des Gleichen kann nicht die Lösung sein, weder im Sinne des Zuschauers noch des Senders. Denn wenn das „Dschungelcamp“ irgendwann täglich läuft, verpufft der Effekt, das Interesse verschwindet und irgendwann reichen dann auch pürierte Känguru-Hoden nicht mehr aus, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. [Kommentar von Frances Monsheimer, Redakteurin]

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52 Kommentare im Forum

  1. AW: Das deutsche Fernsehen vor dem kreativen Bankrott? Mit RTL geht es halt steil bergab. Früher ein oft eingeschalteter Sender läuft er jetzt unter ferner liefen.
  2. AW: Das deutsche Fernsehen vor dem kreativen Bankrott? Kreativität bei den Privaten, das war mal in den 90`ern, denen fällt doch eh nichts mehr ein. Hauptsache Geld scheffeln. Nur darin sind die kreativ. Scheiß doch auf ein vernünftiges Programm. Das Traurige an der ganzen Sache ist, es funktioniert.
  3. AW: Das deutsche Fernsehen vor dem kreativen Bankrott? Das Problem fängt ja schon damit an, dass wenn ein Format erfolgreich ist dieses dann bis zum Erbrechen gesendet wird. RTL ist da mit seinen Castingformaten ganz vorne mit dabei und ProSieben sendet Sitcoms zu Tode. Nur wenn sich die Zuschauer dann irgendwann sattgesehen haben kommen sie ins Schleudern, weil sie nichts in der Hinterhand haben. Gerade RTL hat das in den letzten Monaten massiv zu spüren bekommen. Da hat man sich einfach zu lange auf der sicher geglaubten Marktführerschaft in der Zielgruppe ausgeruht. Neue Formate zu entwickeln scheint ebenfalls inzwischen völlig out zu sein. Stattdessen kauft man einfach nahezu jede Showidee irgendwo im Ausland ein. Ist halt deutlich günstiger als wenn man sich selbst noch Gedanken darüber macht, nur bekommen die Sender jetzt so langsam die Quittung für ihre jahrelange Ignoranz für neue Ideen.
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