Der Umfangreiche – Schauspieler Thomas Thieme wird 70

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Bühne, Kino, Fernsehen: Thomas Thieme hat schon überall bleibenden Eindruck hinterlassen und so ziemlich alles erreicht, was ein Schauspieler erreichen kann. Dem Beruf wird er wohl erst den Rücken kehren, wenn es gar nicht mehr anders geht, sagt er kurz vor dem 70. Geburtstag.

Für Anekdoten ist er ohnehin immer zu haben. Aber die Umgebung hilft den Erinnerungen Thomas Thiemes noch etwas mehr auf die Sprünge. Der Schauspieler steht auf der Bühne des Deutschen Nationaltheaters (DNT) in Weimar, seiner Geburts- und Heimatstadt. „Hier hat alles angefangen“, sagt er und berichtet von der Zeit als Kulissenschieber und von der Zeit, als er als Kind in den Zuschauerrängen die Geschehnisse auf der Bühne verfolgt hat. Mit 70 Jahren (29. Oktober) steht er schon lange selbst im Rampenlicht.

Thieme hat es als Schauspieler nicht nur in wichtige Schauspielhäuser geschafft, sondern auch in die Kinosäle etwa in seiner Rolle als DDR-Minister im Oscar-prämierten Film „Das Leben der Anderen“ oder als Nazi-Scherge in Oliver Hirschbiegels Führerbunker-Drama „Der Untergang“.
 
„Ich habe Glück gehabt mit meinen Rollen, aber die Schauspielerei ist auch ein Talentberuf – und ich war wohl nicht ganz talentfrei“, sagt Thieme. Für den handwerklichen Teil ging es für ihn zunächst zur Staatlichen Schauspielschule in Ost-Berlin. Danach spielte er in Görlitz, Anklam, Magdeburg und Halle. 1984 verließ er DDR. „Mit der Systemtreue hatte ich es nicht so, aber es gab – soweit ich weiß – auch keine Anstalten, aus mir einen Systemmann zu machen“, sagt er.
 
Im Westen ging es ans Schauspiel Frankfurt, später unter anderem nach Wien zum Burgtheater, an die Schaubühne in Berlin, ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Er spielte Brecht, Goethe und immer wieder Shakespeare-Stücke: Als Richard III. in Luk Percevals „Schlachten!“-Epos, das die Königsdramen des Dramatikers zusammenführt, wurde Thieme schließlich Schauspieler des Jahres.
 
Ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Belgier Perceval übernahm Thieme die Hauptrolle im fünfstündigen „Molière. Eine Passion“. Gerade auch diese Rolle trug ihm den Ruf ein, ein Ereignis zu sein, einer, der sich derart in Rage spielen kann, dass er sich auf der Bühne auch schon mal echte Verletzungen zufügt.
 
Für die Mehrheit der Deutschen dürfte Thieme allerspätestens in Fernsehproduktionen als Darsteller des Fußball-Managers Uli Hoeneß und des Altkanzlers Helmut Kohl ein Begriff sein. Bei beiden Rollen habe er sofort zugesagt. „Was gibt es Spannenderes, als sich in solche Figuren hineinzubohren, denen dein Gesicht, deine Stimme zu geben?“ Hoeneß habe er privat einmal getroffen. „Da habe ich keinen Bösewicht vor mir gesehen.“
 
Er habe nach dem „kleinen Helmut und dem kleinen Uli“ gesucht und wissen wollen, wie sie zu dem Dicken und dem Steuerhinterzieher wurden. „Ich wollte weggekommen vom Stammtischgerede.“
 
Kohl und Hoeneß waren Rollen, die Thieme – man kann es nicht anders schreiben – auf den Leib geschneidert waren. Ein Koloss sei er, eine Wucht, ein Berg von einem Schauspieler, heißt es denn immer wieder über ihn. „Ich muss ja irgendwie aussehen! Es gibt tolle Kollegen, an denen schaut man vorbei – eine Katastrophe für einen Schauspieler!“
 
Er sehe in seinem Äußeren einen gewissen Wiedererkennungswert. Dann auch gerne als „der dicke Thieme“, sagt der 69-Jährige. „Wäre ich nicht dick gewesen, hätte ich vielleicht andere Rollen gespielt – vielleicht eher Hamlet, statt Richard III.“ Gelitten habe er deshalb nie. „Ich bin einfach nicht so eitel, wenn es um die Optik geht – sonst schon.“
 
Dass er inzwischen vor allem vor der Kamera steht, erklärt Thieme so: Vor zwölf Jahren sei es ihm mit dem Theater zu viel geworden. „Ich hatte schon vieles gespielt und nicht mehr so viel Freude an der Bühne. Als ich „Faust“ und Shakespeare spielte, stand ich ja auch voll im Saft.“ Die Leichtigkeit auf der Bühne sei ihm aber verloren gegangen. „Deshalb dachte ich, es sei an der Zeit sich die Fernseh- und Kinofilmangebote einmal genauer anzusehen.“
 
Hobbys findet Thieme albern. Ist er also ein Arbeitstier? Ja, aber er wisse auch anderes zu schätzen: Die Lebenslust habe er schon immer gepflegt, sagt er. In all ihren Facetten. Drei erwachsene Kinder hat Thieme. Mit drei unterschiedlichen Frauen, wie er selbst betont. Das Alter mache ihm aber etwas zu schaffen: „Ich muss jetzt mehr darauf achten, dass ich nicht mehr so fressen und saufen kann wie früher.“
 
Thieme lebt in Berlin – und auch wieder in Weimar. Seine Geburtsstadt habe für sein Alter die richtige Größe und Lautstärke, sagt er. Hier könne man seine Ruhe finden. Dennoch ist sein Verhältnis zur Klassikstadt zwiespältig. „Weimar ist seltsam, man tut sich mit dem Kulturbegriff schwer.“ Einen Preis, den die Stadt an ihre verdienten Kulturschaffenden vergibt, schlug er jüngst aus. „Ich sah keine Gemeinsamkeit zu vorherigen Preisträgern und wollte auch nicht als der ewige Weimarer in die Geschichte eingehen“, erklärt Thieme.
 
Für den Fall, dass es mit der Mobilität irgendwann nicht mehr so funktionieren könnte, hat Thieme schon einen Plan, wie er trotzdem weitermachen kann: „In Thüringen habe ich eine Waldhütte an einem Hang, der als Terrasse angelegt ist. Ich sehe da Zuschauerränge eines Amphitheaters.“
 
Er könne sich in diesem Refugium Theaterwochenenden im kleineren Rahmen vorstellen, an denen sein Sohn und er gemeinsam auftreten. „Vielleicht ließe sich dann auch noch ein großer Kollege in den Wald holen.“ Aber das scheint noch etwas auf sich warten zu lassen: Jüngst übernahm er eine Rolle in der Verfilmung von Juli Zehs Erfolgsroman „Unterleuten“. Und im kommenden Jahr wird er im ZDF-Dreiteiler „The Wall“ zu sehen sein. [Marie Frech]

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3 Kommentare im Forum

  1. Ich mag den auch, vor allem als Bösewicht ist er grandios. Aber seinen thüringer Akzent konnte er wohl nie ablegen. Ungewöhnlich für so einen herausragenden Darsteller.
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