Dialekt-Studien in Doku-Soaps und Krimis

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Die Flut von TV-Dokuformaten bringt es mit sich: Im Fernsehen reden die Leute, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Bei Soaps wie „Bauer sucht Frau“ findet sich reichlich Material für Dialekt-Studien.

Ramona, das pfälzische Schlappmaul, kam gut an. Als Fernseh-Sternchen Daniela „Katze“ Katzenberger eine Assistentin suchte, fand sie Gefallen an der Blondine, die wie sie selbst aus Ludwigshafen kam. Auch beim RTL-Quotenrenner „Bauer sucht Frau“ ist den Kandidaten anzuhören, wo sie leben: am Jadebusen an der Nordsee, in Oberschwaben oder im Bergischen Land. Das bayerisch-thailändische Paar Josef und Narumol ist sprachlich gesehen eine Herausforderung.
 
Manchmal sind im Fernsehen Untertitel gefragt, damit der Zuschauer alles versteht, was da im Stall und anderorts passiert. Die Flut von Dokuformaten bringt es mit sich: Es muss nicht immer Hochdeutsch sein. Das gilt auch für Werbung – klassischerweise bei Bier – und für Spielfilme, so es denn für die Handlung von Belang ist.
 
Beim ZDF-Krimi „Willkommen in Wien“ bekam der Zuschauer kürzlich eine Lektion in Sachen Österreichisch-Deutsch. Im ARD-Film „Teufelsbraten“ spielte Kölsch eine wichtige Rolle. Die Eltern belehren die kleine Hildegard: „Du jlöws woll, datte jet Besseres bis“ – du glaubst wohl, dass du etwas Besseres bist.

Beim „Tatort“ sind es die Nebenfiguren, die im Dialekt reden dürfen: So wie Lena Odenthals Sekretärin oder ein SWR-Spurensicherungsmann, den ein TV-Kritiker so transkribierte: „Die Frauo is swische swansisch und fünweswansisch. Idendidäd noch unklar. Mit ‚em harde Gegestand erschlage. Dadwaff fehlt.“
 
Die „Tatort“-Hauptfiguren, die Kommissare, fahnden in der Regel allenfalls in gefärbtem Hochdeutsch, so wie seinerzeit Peter Sodann in Leipzig. „Eine Verpflichtung, dass Kommissare Hochdeutsch sprechen müssen, gab und gibt es natürlich nicht“, sagt „Tatort“-Erfinder Gunther Witte. „Verstehen sollte man sie allerdings schon, und einen Schweizer ‚Tatort‘ mit Untertiteln fände ich absurd.“
 
Bei den Krimis sei aber von Anfang an die Chance genutzt worden, die Regionalität sprachlich in den Nebenfiguren anzudeuten, was auch nicht immer einfach sei. „Ich denke, dass der Zuschauer Dialekte ganz gerne akzeptiert, weil sie den Geschichten doch auch etwas Authentisches gibt.“
 
Untertitel hängen nicht immer mit dem Dialekt zusammen. So heißt es beim RTL-Format „Schwiegertochter gesucht“, dass sie eingesetzt werden, wenn das gesprochene Wort zu leise oder zu unverständlich beim einmaligen Hören ist. „Dialekte sind bei unseren Zuschauern durchaus beliebt, weil sie die Mannigfaltigkeit der deutschen Bürger widerspiegeln, Identifikation ermöglichen und Interesse wecken“, heißt es vom Sender.
 
Die Sprache kann zum Image gehören – siehe Volksschauspieler wie Harald Juhnke, Heidi Kabel und Willy Millowitsch oder „Äbbelwoi-Babbler“ Heinz Schenk. Erstaunlich erfolgreich ist die moderne Variante, Plattdeutsch-Star Ina Müller. Vorbei die Zeiten, als Platt als extrem provinziell galt.
 
Grundsätzlich nimmt die Zahl der Menschen, die mit Dialekt aufwachsen, zwar ab. Aber das bedeutet nicht, dass es auch in den Medien bergab geht. „Es ist schon so, dass Dialekte und Regionalsprachen im Augenblick einen guten Stand haben“, sagt der Marburger Sprachwissenschaftler Alfred Lameli.
 
Englisch hat sich in den Medien abgenutzt. Ein Akzent schafft in Zeiten der Globalisierung Nähe – so wie man mit Freunden von früher die Heimatsprache pflegt. Lameli verweist auch auf den Erfolg des Kinofilms „Wer früher stirbt ist länger tot“, der sehr Bayerisch daherkam. „Das wäre vor 20 Jahren nicht möglich gewesen.“ Sein Kollege Joachim Herrgen (Forschungszentrum „Deutscher Sprachatlas“) erklärt, im Fernsehen sei eher kein Dialekt zu hören, sondern es sind „Regiolekte“ beziehungsweise „Regionalakzente“, so wie das Hamburgisch der TV-Wachen oder Beckenbauers Münchnerisch.
 
Herrgen findet das Thema Untertitel bemerkenswert. In einer Restaurant-Sendung, so hat er beobachtet, sei ein Mainzer Gastwirt untertitelt worden, obwohl der nur gewissen Regionalakzent gesprochen habe. „In der Schweiz ist man sehr viel mehr darauf eingestellt, fremde Dialekte zu verstehen, im Urlaub verstehen wir sogar fremde Sprachen ganz gut“, sagt der Wissenschaftler. Hier scheine es eine gewisse Haltung zu geben, sogar Regiolekte für unverständlich zu halten und sie deshalb zu untertiteln. „Etwas anderes ist es natürlich, wenn jemand wirklichen Dialekt spricht. Dann sollte man untertiteln.“[Caroline Bock]

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