Die Münchner machen auf Münster: Surfer-„Tatort“ aus Bayern

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Er hatte eine Dreiecksbeziehung und schrieb mal Gedichte. Der neue Münchner «Tatort» steigt tief ein in die Vergangenheit von Kommissar Franz Leitmayr. Viel zu tief.

Nazaré, Portugal 1984. Drei junge, attraktive Menschen wälzen sich nackt und lachend am Strand, umspült von der Meeresbrandung. Was diese fast poetischen Bilder mit dem neuen Münchner „Tatort“ zu tun haben, verrät zunächst nur die markante Nase des Einen. Denn es handelt sich um Franz Leitmayrs (Udo Wachtveitl) 35 Jahre jüngeres Alter-Ego. Schon die ersten paar Minuten der neuen Episode des ARD-Krimiklassikers mit dem Titel „Die ewige Welle“ (26. Mai, am Tag der Europawahl fünf Minuten später um 20.20 Uhr) zeigen also: Diesmal wird’s persönlich in München.

Denn die Geschichte geht Jahrzehnte später weiter – allerdings in weniger einladender Atmosphäre als damals unter portugiesischer Sonne. In einem grauen Münchner Krankenhauszimmer sehen Leitmayr und Mikesch (Andreas Lust), der Kumpel von einst, sich wieder. Denn Mikesch ist Opfer eines Verbrechens geworden. In einem düsteren Tunnel des Isar-Radweges wurde er von einem Junkie niedergestochen.

Er war auf dem Heimweg vom Surfen auf der Eisbachwelle. Mikesch ist im Gegensatz zum spießig und Polizist gewordenen Leitmayr seinem freigeistigen Ich von damals selbstverständlich treu geblieben. „Bin ich schon tot?“ sind seine ersten Worte, als Leitmayr und sein Kollege Ivo Batic (Miroslav Nemec) sich als Ermittler der Mordkommission vorstellen. Lustiger wird es leider nicht in dieser Folge.

Vor allem Batic ist von Mikesch irritiert. Es wundert ihn nicht nur, dass Leitmayr einmal so eng mit so einem Vogel befreundet war – er fragt sich auch, warum dieser Vogel nach der fast tödlichen Attacke auf ihn nicht mit der Polizei kooperieren will. Er haut sogar schwer verletzt aus dem Krankenhaus ab. Die Antwort: Mikesch kannte den Junkie, macht in Drogen und wittert bei einem neuen Deal das große Geld. Da kann er die Polizei nicht gebrauchen.

Als Mikeschs Angreifer nach einer Überdosis tot gefunden wird, hätte der Fall für die Mordkommission eigentlich abgeschlossen sein müssen. Doch weil neben dem Junkie ein Mittel gefunden wird, das Mikesch auch in seiner Wohnung hatte, bleiben sie dran. Warum sie das tun und nicht die Drogenfahnder, ist eins der kleinen Geheimnisse dieses kruden Films.

Zwischendurch trifft Leitmayr natürlich auch die schöne Frau von damals, Frida (Ellen ten Damme) wieder. Die hat einen Sohn, der ziemlich genau neun Monate nach dem Portugal-Intermezzo auf die Welt kam. Ist Leitmayr etwa Vater? Diese Frage und die Erinnerung an Leitmayrs freigeistiges, künstlerisch fragwürdige Gedichte schreibendes Ich überlagert dann die eigentliche Geschichte, in der Mikesch sich als der manipulative Versager-Typ entpuppt.

„Als Kriminalgeschichte hat mich der Tatort nicht gerade umgehauen. Die Geschichte wird aber ganz atmosphärisch erzählt“, sagt der Betreiber der Expertenseite „Tatort-Fundus“, François Werner. „Trotzdem stört es mich zunehmend, dass die persönliche Vergangenheit einer Ermittlerfigur so oft und so breit in den Vordergrund gerückt wird. Das ist schon sehr weit von der Realität entfernt, wenn ein Ermittler persönlich so verstrickt und damit befangen ist.“

Warum diese beiden Geschichten überhaupt so beliebig miteinander verknüpft werden, ist ein weiteres Geheimnis der Drehbuchschreiber Alex Buresch und Matthias Pacht, die auch schon für den an die Geschichte des Gaddafi-Sohnes angelehnten, guten Münchner „Tatort – Der Wüstensohn“ verantwortlich waren – es also eigentlich besser wissen müssten.

Ärgerlich sind auch Szenen, die sich womöglich am Münster-„Tatort“ orientieren und witzig sein sollen. Wenn Batic sich auf dem Seziertisch massieren lässt und der Handlanger des Drogen-Bosses dem alten Mann erst die Finger bricht und dann pustet, weil es wehtut, ist das nur unfreiwillig komisch. Auch der Titel „Die ewige Welle“ ist eher irreführend. Die Eisbachsurfer, inzwischen eine Münchner Touristenattraktion wie Marienplatz und Frauenkirche, bilden in diesem Film leider nicht mehr als die Kulisse für einen unausgegorenen „Tatort“. [Britta Schultejans, dpa]

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