Die höflichen Nazis von nebenan: Neuer „Tatort“ aus Dortmund

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Der neue „Tatort“ aus Dortmund ist nichts für schwache Nerven: Der Mord an einem führenden Neonazi der Stadt hält das Team von Kommissar Farber in Atem. Dabei kommt vor allem die selbstbewussteDeutschtürkin Nora an ihre Grenzen, als sie von einem braunen Mob in die Enge getrieben wird.

Was ist das bloß für ein Team, wenn ein Chef mit Psychosen noch derjenige mit den kleinsten Problemen ist? Der fünfte Fall des „Tatort“-Teams aus Dortmund – er heißt „Hydra“ – führt die jungen Polizisten Nora Dalay (Aylin Tezel) und Daniel Kossik (Stefan Konarske) bis an ihre Grenzen. Die Deutschtürkin Dalay gerät bei ihren Ermittlungen ins Visier skrupelloser Neonazis. Ihr Partner und Ex-Freund Kossik wird von seinen früheren Verbindungen in die rechte Szene eingeholt. Sein Bruder hat den Absprung nie geschafft. Derweil sucht Chef-Ermittler Peter Faber (Jörg Hartmann) nach einem Verräter in den eigenen Reihen. „Hydra“, an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen, zählt zu den spannendsten Fällen, die in letzter Zeit bei Deutschlands erfolgreichster Krimireihe zu sehen waren.
 
Ausgangspunkt der Ermittlungen ist ein bulliger Toter, der in der Ruine eines alten Dortmunder Hochofens gefunden wird. Der Mann hat ein von Schlägen geschwollenes Gesicht und eine Kugel in der Brust. Was den Gerichtsmediziner stutzen lässt: Das Opfer wurde zunächst getötet und dann erst ins Gesicht geschlagen. Schnell wird klar, dass es sich beim Toten um Kai Fischer handelt – der 28-Jährige war Dortmunds führender Neonazi. Staatsanwalt Matuschek schwört das Ermittler-Team ein: „Wir brauchen keinen braunen Märtyrer!“
 
Zwei Spuren führen in vollkommen verschiedene Richtungen. Die hochschwangere Witwe des Getöteten (Emily Cox) beschuldigt die Sozialarbeiterin Jedida Steinmann (Valerie Koch). Die jüdische Frau hätte ein Motiv: Vor einigen Monaten ist ihr Mann bei einem Überfall von Neonazis zu Tode getreten worden. Doch die Kommissare stoßen auch auf eine ganz andere Möglichkeit: Denn der Rädelsführer Fischer hatte Gegner bei den eigenen Männern, er hatte einen neuen Kurs geplant.

Hauptkommissar Faber stattet verschiedenen Rechtsradikalen Besuche ab. Da ist der schmierige Germanistikstudent, der mit seinem Seitenscheitel aussieht wie ein Popstar aus den 80er Jahren: „Sehen Sie irgendwo einen Baseballschläger?“ Da ist der tätowierte Glatzkopf mit einer ganzen Baseballschlägersammlung, der auf die Todesnachricht nur sagt: „Wer hat ihn nach Walhalla geschickt?“ Faber setzt seine türkischstämmige Kollegin als Provokateurin ein. Der jungen Frau scheint es eine Freude zu sein, die Faschos und Biedermänner bis aufs Blut zu reizen. Doch in einer dunklen Nacht treibt der braune Mob sie in die Enge.
 
„Nora wird von den Anhängern der rechten Szene auf eine Weise gedemütigt, die sie tief verletzt und ihr ihre Hilflosigkeit, auch was ihre private Situation angeht, schmerzlich vor Augen führt“, sagt Aylin Tezel in einem Interview für die ARD über ihre Rolle. Die 31-Jährige Schauspielerin („Am Himmel der Tag“), die die renommierte Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin besuchte und schon mehrere Preise erhielt, spielt ihre Kollegen im Krimi geradezu an die Wand. Wut und Verzweiflung sind erschreckend überzeugend.
 
Die WDR-Produktion (Regie führte Nicole Weegmann, das Buch schrieb Jürgen Werner) ist brutal, spannend und hat unerwartete Wendungen. Die Frage, wann das brave Bürgertum aufhört und der Rechtsextremismus beginnt, ist gerade durch die Pegida-Bewegung traurig aktuell. Gut und gut gemeint ist aber nicht immer eins: Manch ein Dialog zum Thema Neonazis wirkt vom vielen Für und Wider überfrachtet und gekünstelt. Einen starken Moment erreicht der Film eher ganz am Rande, als eine alte Dame aus dem Mietshaus der Neonazis die Ermittler beschimpft: „Lassen Sie die jungen Leute in Ruhe! Die tun doch keinem was.“

[Christof Bock/fm]

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36 Kommentare im Forum

  1. AW: Die höflichen Nazis von nebenan: Neuer "Tatort" aus Dortmund Die Neonazis sind hier leider wirklich ein Thema. Vor ein paar Tagen wurde ein Polizist mit einer Flasche niedergeschlagen. Diese Leute gehören in den Steinbruch , Steine schleppen. Den einen Tag von rechts nach links. Am nächsten Tag umgekehrt. Harz dürften die auch nicht bekommen.
  2. AW: Die höflichen Nazis von nebenan: Neuer "Tatort" aus Dortmund 1. ist das Quälen von Menschen illegal und 2. nennt es sich Hartz mit tz! Benannt nach Peter Hartz, ehemaliger VW-Manager!
  3. AW: Die höflichen Nazis von nebenan: Neuer "Tatort" aus Dortmund Mit Nazis hat man doch praktisch nie was zutun das thema ist mir ehr fremd, aber mit Kommissar Faber kann ich mich mit jeden neuen Tatort mehr anfreunden zuanfang war mir das erst zuverrückt ! frankkl
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