Eine Bilanz deutscher Serien: Linear meist mau, online gefragt

20
162
Bild: Destina - Fotolia.com
Bild: Destina - Fotolia.com

Die Serie gehört im Fernsehen zur hohen Kunst – wiederentdeckt und weiterentwickelt wurde sie von den Streaminganbietern. Die traditionellen Fernsehsender tun sich auf dem Markt schwer.

Serien, Serien, Serien. Die neuen Erzählstoffe, von denen viele Menschen so fasziniert sind, füllen die Plattformen der Streamingdienste Netflix und Amazon und werden auch von deutschen Kunden millionenfach abgerufen: „Stranger Things“, „The Rain“, „Tote Mädchen lügen nicht“ oder „You are Wanted“ sind gerade en vogue. Die Antwort führender deutscher TV-Anbieter bleibt nicht aus, doch die Bewertung fällt nach Abschluss dieser Fernsehsaison von September 2017 bis Mai 2018 zumindest unterschiedlich aus. Serien aus deutschen Landen haben es einfach schwer. Einige Beispiele:

„Babylon Berlin“: Der Serienhit des Herbstes hat seine Tour de Force durch die deutsche Senderlandschaft noch nicht hinter sich. Die Abo-Plattform Sky zeigte die teure und aufwendige historische Krimiserie aus dem Berlin der 20er Jahre im Herbst und kam auf fast 600 000 Zuschauer pro Episode bei der linearen Verbreitung. Kritiker waren erfreut, Ehrungen wie Grimme- oder Deutscher Fernsehpreis folgten, die Free-TV-Erstausstrahlung im Ersten der ungewöhnlichen Gemeinschaftsproduktion steht noch für den Herbst aus.

„Das Pubertier“ und „Zarah“: Erst Roman, dann Kinofilm, dann Fernsehserie – das hätte so schön werden können. Doch schon die erste Folge der seriellen Romanverfilmung „Das Pubertier“ um den Vater (Pasquale Aleardi) und seine halbwüchsige Tochter (Mia Kasalo) hatte an einem Donnerstag im September nicht viel mehr als drei Millionen Zuschauer. Die Serie endete unspektakulär. Der Mehrteiler „Zarah“ um eine Journalistin (Claudia Eisinger) in den 70er Jahren wurde nach noch schwächerem Start sogar auf ZDFneo geschoben.

„Bad Cops“, „Sankt Maik“, „Beck is back“ oder „Lifelines“: Eine üppige Serienoffensive hatte RTL im Winter angekündigt. Was dabei heraus kam, war übersichtlich: Am besten punktete beim Publikum gemessen an den Einschaltquoten „Sankt Maik“ mit Daniel Donskoy – ein kleiner Gauner, der durch Zufall zum Geistlichen wird. Doch „Bad Cops“ und „Lifelines“ lieferten nicht überragend. Trotzdem will Deutschlands führender Privatsender an der Serienproduktion festhalten, um eigene Inhalte im Fernduell mit den neuen Playern ins Feld zu führen.

„Bad Banks“, „Das Verschwinden“, „Weissensee“: ambitionierte Serien mit hoher erzählerischer Dichte. Ob es nun um das raue Klima in der Bankenwelt geht, um eine Mutter auf der Suche nach ihrem Kind oder um Menschen aus Ostberlin im Wendejahr 1990 – Spitzenquoten erzielten alle Produktionen nicht, aber keine schlechten Werte und sogar recht hohe Abrufzahlen in den Mediatheken. „Weissensee“ zum Beispiel verbuchte mehr als 200 000 pro Episode, „Bad Banks“ insgesamt 1,3 Millionen in den Mediatheken von Arte und ZDF.

Alle diese Produktionen haben daher zunehmend ein Problem: Der Zuschauer mag nicht lange im linearen TV bis zur nächsten Folge warten und will die Geschichte schnell erleben.ProSiebenSat.1 hält sich zurück

„Club der roten Bänder“: Trotz etwas nachlassender Resonanz in der dritten und letzten Staffel darf Vox die Serie um die Schicksale junge Leute im Krankenhaus als Erfolg verbuchen. In der Fernsehsaison 2018/2019 soll die Neuentwicklung „Milk & Honey“ um vier junge Männer, die auf dem platten Land käufliche Liebe für die Damenwelt anbieten, auf den Markt gelangen. RTL 2 hat sich im Herbst 2017 rein zufällig mit „4 Männer für gewisse Stunden“ am selben Thema versucht – die Publikumsresonanz darauf fiel jedoch bescheiden aus.

Wer nichts Neues beisteuert, der macht auch keine Fehler. Gerade Sat.1 oder ProSieben, in Deutschland zu den Top vier der großen privaten TV-Stationen gehörend, haben offenbar die Produktion neuer Serienstoffe aufgegeben. Früher trumpften beide Sender längere Zeit sogar noch mit populären Stoffen auf – „Danni Lowinski“, „Der letzte Bulle“, „Anna und die Liebe“, „Kommissar Rex“ oder „Der Bulle von Tölz“ sind nur wenige Sat.1-Beispiele, „Stromberg“ oder „Die Straßen von Berlin“ waren noch echte ProSieben-Marken.

Die einzige nennenswerte Fiction-Neuentwicklung aus dem Hause ProSiebenSat.1 ist derzeit „jerks.“ mit Fahri Yardim und Christian Ulmen. Die Erstausstrahlung bleibt jedoch dem zahlenden Publikum, das die Streaming-Plattform Maxdome abonniert hat, vorbehalten, erst die Wiederholung landet im Free-TV bei ProSieben – Online first. [Carsten Rave, dpa]

Bildquelle:

  • Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com

20 Kommentare im Forum

  1. Das würde ich so nicht sehen. Mit Netflix und Co ist man einfach viel flexibler. Ich kann gucken zu welcher Zeit auch immer. Gerade in den Sommermonaten sitzt man gerne draußen und genießt das schöne Wetter. Der zeitliche Zwang im linearen TV ist hier der Grund warum Online bequemer ist. Sicher auch die Möglichkeit sich die Serie in einem anzusehen. Mir gefällt das Streaming
  2. Die Privaten dürfen sich garnicht beschweren, das sie immer weniger Zuschauer haben. Die haben doch immer mehr Werbung im Programm und die Tendenz der Werbung steigt. Ich schaue die Privaten so gut wie garnicht mehr und darüber bin ich stolz.
  3. Meine Empfehlung an die privaten Sender von RTL und Pro7/Sat1: Fangt endlich an, wie ARD und ZDF, alles kostenlos in den Mediatheken zur Verfügung zu stellen. Dann schauen sich auch die Zuschauer vermehrt diese Sendungen an, ansonsten gehen die Quoten noch weiter runter. Ich nutze das lineare TV nur noch für Nachrichten, Sport und Unterhaltungssendungen. Ansonsten wird fast ausschließlich in den Mediatheken von ARD/ZDF und Amazon Prime gestreamt.
Alle Kommentare 20 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum