End of Watch

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Cop-Film der besonderen Art

Sie sind die Helden in Blau, die auf der Straße das Gute gegen die Mächte des Bösen verteidigen. Die letzte Bastion an mutigen Streitern gegen die Horde des Chaos und der Gewalt… und in der Realität von „End Of Watch“ ist das alles viel weniger pathetisch, als das hier gerade klingt – dafür aber nicht minder gefährlich und packend.

Die Bilder aus Übersee von einem harten und grausamen Polizeialltag inmitten von Gang- und Drogenkriegen haben hierzulande eher einen mythischen Status, sind aber für so manche amerikanische Großstadt bittere Realität. „End Of Watch“ fängt diese Wirklichkeit im Mockumentary-Stil mit Wackelkamera und Dauer-Closeup ein und ist so von Anfang bis Ende hautnah am Geschehen dran. Das ist ganz klar eine Reminiszenz an den Urvater des Reality-TV – die US-Serie „COPS“. Hier wurden täglich Polizisten bei ihren Patrouillen mit der Kamera begleitet, was in den 1990er Jahren mit durchschlagendem Erfolg nachhaltig die Fernsehlandschaft erst in den Staaten und ein paar Jahre später auch in Europa veränderte.
 
Ohne diesen Vorläufer wäre ein Film wie „End Of Watch“ gar nicht möglich gewesen, der das Konzept und den Stil von „COPS“ mit professionellen Schauspielern und einer filmischen Geschichte ins Kino überträgt. Regisseur David Ayer scheint auch genau der richtige Mann dafür zu sein. Die Drehbücher zu „Training Day“ (2001) und „Dark Blue“ (2002) stammen immerhin aus seiner Feder. Und mit „Harsh Times“ (2006) und „Street Kings“ (2008) hatte er auch zuvor schon zwei Filme im Polizei- und Gangstermilieu gedreht, wobei man „End Of Watch“ durchaus als den bisherigen Höhepunkt seines filmischen Schaffens ansehen kann.

Der Kampf auf den Straßen

Die beiden Polizisten Mike (Michael Peña) und Brian (Jake Gyllenhaal) gehen nicht nur zusammen in Los Angeles auf Streife, sondern sind zufällig auch noch die besten Kumpels, die auf der Straße ein eingeschworenes Team bilden. Dabei handeln sie eher nach Gefühl als nach Vorschriften, mit der Waffe im Anschlag und jederzeit zu allem bereit. Doch obwohl sie ihren Job gut machen und immer den richtigen Riecher zu haben scheinen, wird genau der ihnen schließlich zum Verhängnis. Unwissentlich lassen sie die entscheidenden Straßenganoven und Mittelsmänner auffliegen und verärgern so auch die mächtigen Bosse hinter den kleinen Fischen. Damit verkörpern sie zweifellos die gefährliche, aber auch gleichzeitig die romantische Seite des Polizeiberufs – sie retten kleine Kinder aus brennenden Häusern, geben den Verbrechern Saures und treten den mächtigen Kartellbossen auf die Füße.
 
Das sind eben Polizisten, die sich noch als echte Helden fühlen wollen und auch so darstellen. Doch mehr als ihr pathetisches Heroentum zeigt David Ayer die menschliche Seite der beiden und lässt sie über Privates reden, Scherze machen und zusammen auf Familienfesten feiern. Die Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal und Michael Peña schaffen es dabei, genau den richtigen Ton zu treffen und ihre Figuren durch ein emotionales Schauspiel durchweg plastisch zu gestalten. In Verbindung mit der offensiven Handkamera-Ästhetik und dem stylishen Soundtrack ist so eine popkulturelle Mischung aus einem Thriller-Drama und einer Reality-Doku entstanden, die stetig mehr Fahrt aufnimmt und schließlich auf einen dramatischen und ergreifenden Höhepunkt zusteuert.

Realismus oder Fake?

Trotz der schwer übersehbaren Anleihen an Serien wie „COPS“ ist „End Of Watch“ eher ein klassischer Spielfilm mit beinahe traditioneller Dramaturgie anstatt die Nachahmung einer Reality-Dokumentation. Die Wackelkamera-Optik hat dabei einen klaren Vorteil: Durch sie weicht die übliche ästhetisierende Distanz eines inszenatorischen Blickwinkels, der über dem Geschehen schwebt, dem Eindruck von Unmittelbarkeit. „End Of Watch“ spielt bewusst mit der Idee, einen echten und unverfälschten Realismus zu bieten, ist aber im Gegenteil sogar ein gutes Beispiel für eine stilistische und dabei rundheraus atmosphärische Überinszenierung – sei es durch den stimmigen Soundtrack von David Sardy oder die emotionale Zuspitzung am Ende.
 
Entscheidend bei dieser Gratwanderung ist, inwieweit sich die Wahrnehmung des Publikums verändert. Nicht umsonst ist der Handkamera-Look besonders bei Regisseuren beliebt, die verstärkten Wert auf einen inszenierten Realismus legen. Und tatsächlich trägt diese gezielte Täuschung des Zuschauers dazu bei, dass man sich noch mehr in das Geschehen einsaugen lässt. So nimmt man die Emotionen noch unmittelbarer, die Gewalt noch brutaler und die Dramatik noch dramatischer wahr – nicht weil man die Kamera vergisst, sondern weil sie stets direkt und vordergründig an den Figuren klebt.
 
Man wird ständig damit konfrontiert, wer das Objektiv hält und wo es steht. Das wirkt zwar im Filmgeschehen nicht immer organisch (manchmal sogar etwas aufgesetzt) – David Ayer ist es dadurch aber insgesamt gelungen, uns als Zuschauer deutlich näher an die Protagonisten heran zu rücken, was letztendlich auch die Qualität seines Films ausmacht. Eine Sozial- und Milieustudie oder ein vielleicht sogar kritischer Umgang mit der Polizeigewalt kann diesem Film dabei allerdings nur bedingt zugesprochen werden. „End Of Watch“ bleibt in erster Linie ein modernes und spannendes Drama im Mockumentary-Stil, das sich so nah an seine Hauptfiguren heftet wie selten ein Polizeithriller zuvor.

Es bleibt authentisch

Dass Ayer seine stylishe Inszenierung und den gewollten Eindruck von Authentizität stimmig zusammenbringt, liegt nicht nur an den realistisch geschriebenen Dialogen und der direkten Kameraführung, sondern vor allem auch am optischen und klanglichen Bild. Hier wurde mit professionellem Equipment gearbeitet und trotzdem stark am Digitalkamera-Stil festgehalten. So erfreut man sich visuell an einem ordentlichen Schärfe- und Detailgrad, hat aber in manchen Szenen die für eine Digicam genauso typische Überbeleuchtung und die blass-matten Farben.
 
In Sachen Klang dagegen gefällt vor allem die mitreißende Dynamik, die einen ins Geschehen schleudert und die die stillen Momente genauso eindringlich macht wie die lauten und actionreichen Passagen. Doch auch hier hört sich alles nach Digicam an, was einem tatsächlich als weniger voll und differenziert erscheint. Das könnte man „End Of Watch“ als qualitativen Mangel ankreiden, stattdessen vermittelt es aber in der Regel genau das Gefühl, das es vermitteln soll – als würde man sich das Privatvideo eines Freundes anschauen. So ist Ayer der schwierige Spagat zwischen dem authentischem Anspruch des Handkamera-Stils und einer technisch hochwertigen Qualität definitiv geglückt.
(Felix Ritter)

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