„Exit – Mein Weg aus dem Hass“: Doku über ehemalige Extremisten

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Bild: Destina - Fotolia.com
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In ihrer Dokumentation trifft Karen Winther Menschen, die den Ausstieg aus einer extremistischen Szene geschafft haben. Die Regisseurin will wissen, was sie dazu bewogen hat – und nutzt die Gespräche für die eigene Vergangenheitsbewältigung.

Die norwegische Filmemacherin Karen Winther liebt als Jugendliche die Extreme. Zunächst schließt sie sich einer linksextremen Gruppe an, dann mischt sie in der Neonazi-Szene mit. Alles Dunkle und Gefährliche zieht die damals 14-Jährige an. Als sie erwachsen wird, kommt der Sinneswandel. Ihr gelingt der Ausstieg, doch die Vergangenheit lässt sie nicht los. Um ihre Erlebnisse zu verarbeiten, dreht die 1978 geborene Regisseurin „Exit – Mein Weg aus dem Hass“.

Die sehr persönliche TV-Dokumentation, an diesem Dienstag (22 Uhr) auf Arte zu sehen, ist einerseits eine Auseinandersetzungen mit den eigenen Verfehlungen, andererseits eine Begegnung mit Menschen, die sich wie Karen aus ideologischen Gründen zunächst radikalisiert hatten, dann aber dem jeweiligen extremistischen Milieu den Rücken kehrten. Um mit ihnen zu sprechen, reist sie um die halbe Welt. Ihre Protagonisten stammen aus Deutschland, Norwegen, Frankreich und den USA.
 
Da ist unter anderem Ingo Hasselbach, von der Presse einst gerne „Führer von Berlin“ genannt. Er gilt als Deutschlands bekanntester Aussteiger der rechtsextremen Szene, über den Winfried Bonengel schon 1992 einen Dokumentarfilm drehte. Zu diesem Zeitpunkt ist Ingo noch überzeugter Neonazi. Wenige Monate später hat er sein Damaskuserlebnis, als Gleichgesinnte in Mölln einen Brandanschlag auf von türkischen Familien bewohnte Häuser verüben. Die Gewalttat, bei dem zwei Mädchen und ihre Großmutter ums Leben kommen, löst einen Prozess des Umdenkens aus. Er zieht sich aus der rechten Terrorszene zurück und verarbeitet seine Erfahrungen in zwei Büchern.
 
Eine ähnliche Biografie hat Angela aus Florida. Die US-Amerikanerin war früher ein Mitglied der rechtsextremen Aryan Nations und beging Taten, für die sie eine Haftstrafe verbüßen musste. Heute engagiert sie sich in der Gewaltprävention. Einen Gefängnisaufenthalt hat auch David hinter sich. In seinem Fall war es sein Glaube, der ihn zum Extremisten werden ließ: Der Franzose schloss sich der Armed Islamic Group an und trainierte in Afghanistan für den Dschihad.
 
Es ist die Frage, was diese unterschiedlichen Typen zu dem Weg aus dem Hass gebracht hat, die Karen Winther in den Mittelpunkt ihres Films stellt. Wenig erfährt man, aus welchen Gründen die Protagonisten mit der extremistischen Szene sympathisierten. Dass diese aber selbst nach dem Ausstieg einen großen Einfluss auf ihr Leben hat, wird sehr deutlich. Anschläge, Drohungen und Überfälle gehören für sie zum Alltag.
 
In den Film-Interviews stehen ihnen die Strapazen und Qualen ins Gesicht geschrieben. Ruhe zu finden und Frieden mit sich zu schließen, fällt ihnen genauso schwer wie der norwegischen Regisseurin, die in der Dokumentation immer wieder ihre Protagonisten verlässt, um sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Sie hinterfragt die eigenen Entscheidungen, trifft wichtige Bezugspersonen und versucht im Dialog zu verstehen, was in ihr damals vorging.
 
„Exit – Mein Weg aus dem Hass“ ist ein bewegender, anregender Film zu einem aktuellen Thema, der die Zuschauer nicht kalt lässt. Denn er zeigt, dass es keinem Aussteiger richtig gelingt, sich innerlich ganz von der Vergangenheit im extremistischen Milieu zu lösen.
 
Arte zeigt „Exit – Mein Weg aus dem Hass“ am Dienstag, 29. Januar, um 22 Uhr. [Eugen Zentner]

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