Forscher verteidigen Gesetz gegen Hass im Internet

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Wissenschaftler der Universität Kassel und des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) halten Kritik am deutschen Gesetz gegen Hassrede im Netz für überzogen.

Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) sei viel besser als sein Ruf, erklärte Alexander Roßnagel, Sprecher des „Forums Privatheit“ am Donnerstag in Kassel. Die Initiative von Wissenschaftlern hatte das Gesetz überprüft, das seit dem 1. Januar gilt. Es sei ein wichtiger Schritt zu einer effektiven Bekämpfung von strafbaren Falschnachrichten, urteilten die Forscher.

Nach Ansicht von Kritikern verleitet das Gesetz Plattformbetreiber im Netz dazu, aus Angst vor Bußgeld grenzwertige Inhalte im Zweifelsfall eher zu sperren. Das könne zu Zensur führen. Dem widersprechen die Forscher: „Facebook oder Twitter reagieren nicht aus Angst“, sagte der Kasseler Professor: Die wenigen spektakulären Fehlentscheidungen würden von den Netzwerken „eher aus dem Interesse getroffen, die neue, für sie sehr aufwendige Regelung zur Einrichtung eines Beschwerdemanagements in Misskredit zu bringen“.
 
Das NetzDG verlagere keine staatlichen Aufgaben auf private Anbieter. Es helfe vielmehr, die bestehende Pflicht durchzusetzen, fremde Informationen mit strafbaren Inhalten zu beseitigen. „Es zwingt nun auch die Betreiber großer sozialer Netzwerke, ihrer schon immer bestehenden und bisher vernachlässigten gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen“, erklärte Roßnagel. Allerdings müsse das Gesetz nachgebessert werden, um den Schutz von Autoren zu verbessern, deren Beiträge zu Unrecht blockiert werden.
 
Im Forum Privatheit setzen sich Forscher aus sieben wissenschaftlichen Institutionen mit Fragestellungen zum Schutz des Privaten auseinander. Das Projekt wird vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) koordiniert.

[dpa]

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6 Kommentare im Forum

  1. Prof. Dr. Roßnagel führt aus, dass Unternehmen nicht "aus Angst" löschen würden, doch woher bezieht er diese Information? Freiwillig wird wohl kaum jemand zugeben aus Angst zu handeln, sondern allenfalls darauf verweisen, dass man sich an bestehende Gesetze hält. Die Behauptung dass Unternehmen mit den Extremlöschungen nur das NetzDG in Mißkredit bringen wollten, belegt Prof. Roßnagel nicht. Weshalb eine Aussage, die im Kontext eher wie eine Verschwörungstheorie wirkt? Prof. Roßnagel führt aus, dass das Gesetz ein "wichtiger Schritt zur Bekämpfung von strafbaren Falschnachrichten" sei, jedoch keine staatlichen Aufgaben auf private Anwender verlagert würden. Wenn aber fest steht, dass so genannte "strafbare Falschnachrichten" durch Unternehmen gelöscht werden, während gleichzeitig die für die Löschung verantwortlichen Personen gar nicht in der Lage sind, die strafrechtliche Relevanz von Aussagen korrekt einzuordnen bzw. zu recherchieren, dann findet selbstredend eine Aufgabenverlagerung statt - und zwar vom Staat auf Menschen, die per se nicht qualifiziert sind, diese Aufgabe zu erfüllen, es aber tun müssen und verständlicherweise nach der persönlichen Einstellung und/oder firmenseitigen Vorgaben entscheiden. Üblicherweise würde - im Falle einer Anzeige - ein ordentliches Gericht darüber entscheiden, ob eine Äußerung den Tatbestand der Strafbarkeit erfüllt oder das Posting von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Ein Sachverhalt, der selbst manche Spezialisten vor Herausforderungen stellt. Möglicherweise wird übersehen, dass illegale Inhalte auch bislang schon gelöscht werden, es hier aber um die Grenze zur noch zulässige Meinungsäußerungen geht, über die nicht ausgebildete Menschen innerhalb von Minunten entscheiden (müssen). Somit ist zu erwarten, das eine deutliche Zahl von eigentlich zulässigen und durch die Meinungsfreiheit gedeckte Aussagen aufgrund der Verschiebung dieser Grenze gelöscht bzw. gar nicht mehr publiziert werden. Das NetzDG trifft neben Facebook und Twitter auch kleinere Unternehmen, bei denen schon alleine die Androhung des Bußgeldes dazu führen wird, dass man lieber zu viel als zu wenig löscht. Dieser Zusammenhang sollte für die Forscher an sich leicht erkennbar sein. Ein weiterer Kritikpunkt, den Prof. Roßnagel nicht aufgreift ist, dass durch das NetzDG immer mehr Menschen die Lust am Diskurs verlieren, weil sie befürchten, dass die von ihnen verwendeten Formulierungen möglicherweise nicht politisch korrekt sind und deshalb vorsorglich gelöscht werden. Wie weit und wie deutlich darf Kritik in Zukunft formuliert werden, ohne in die "Filtermaschine" zu geraten? Führt das NetzDG dazu, dass nur noch konforme und erwünschte Meinungen zugelassen werden? Bringt es uns eine (noch) einseitigere Diskussionskultur, die Menschen mit anderen Ansichten zunehmend ausgegrenzt? Im Übrigen wäre es sehr hilfreich, wenn Prof. Dr. Roßnagel die Prüfungsmethodik offenlegen würde, denn die pauschale Aussage, dass die Kritik überzogen sei, ist ohne Fakten wenig hilfreich.
  2. Jedes Zeitalter hat wohl seine "Inquisition" egal ob es um Glauben oder nun die "Netzreinheit" geht, wenn ich sowas lese Shitstorm für die Bundespolizei: Ist dieser Warnhinweis rassistisch? dann haben wir wohl inzwischen mehr "Wächter" als uns gut tut.
  3. In diesem Beispiel einer Agenturmeldung sehen wir einen klassisches argumentum ad verecundiam: Man stellt eine Behauptung auf und bekräftigt sie anschließend mit "Forscher" und "Wissenschaftler". Zur Klarstellung: Wir sind alle Forscher und Wissenschaftler, wenn wir die wissenschaftliche Methode anwenden. Wir sind alle Journalisten, wenn wir öffentlich über Zeitgeschehen berichten. (Auch bei letzterem gibt es den populären Irrtum, Journalisten wären nur Leute mit Presseausweis.) Galileos "Falschnachrichten" wären von einem NetzDG auch gnadenlos abgeräumt worden.
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