Hacker-Kongress demonstriert Abgas-Manipulation bei VW

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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Beim alljährlichen Hacker-Kongress des Chaos Computer Clubs zeigen sich die Experten von ihrer politischen Seite: Schon am ersten Tag zeigte ein Hacker, wie die Software eines Dieselmotors von VW geknackt und beispielsweise Abgas-Werte manipuliert werden können.

Ein zunehmend großer Teil des Alltagslebens wird von Software bestimmt – ohne dass wir deren Anweisungen noch verstehen können. Die 12 000 Hacker, die dem Aufruf des Chaos Computer Clubs (CCC) zum Kongress in Hamburg gefolgt sind, geben sich damit nicht zufrieden: Der Chaos Communication Congress (32c3), richtet sich in seinem diesjährigen Motto gegen „gated communities“, geschlossene Räume wie etwa das Betriebssystem eines Computers. Gleich am ersten der vier Kongresstage nimmt ein Hacker die Steuerungssoftware eines VW-Dieselmotors auseinander – und zeigt, wie dabei höhere Stickoxid-Emissionen als möglich in Kauf genommen werden.
 
„Wir sind Hacker, und wir kennen den Code, und im Code liegt die Wahrheit“, sagt Felix Domke zu Beginn seiner Präsentation im Hamburger Kongresszentrum. Nachdem er in diesem Jahr vom Abgasskandal bei Volkswagen gehört hatte, wollte er selbst wissen, was es mit der Software auf sich hat – zumal sein eigenes Auto zu den betroffenen Fahrzeugen gehörte. Er nahm sich die „Engine Electronic Control Unit“ (Engine ECU) des Motors vor, eine Anfertigung des Herstellers Bosch, die von Automobilherstellern an ihre jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden kann.

Mit einer speziellen Software gelang es Domke, die Software zu dekompilieren, also aus den nur für Maschinen lesbaren Anweisungen die Codezeilen herauszufischen. Ein juristisch heikles Unterfangen, weil die Software-Hersteller dies in ihren Lizenzbedingungen meist untersagen. Er habe sich aber beraten lassen, dass er in diesem Fall nichts riskiere, da es sich um sein persönliches Fahrzeug handele, sagt der Software-Experte. Schon beim ersten Blick befand Domke: „Eine sehr interessante Art, Software zu schreiben.“ Noch stutziger wurde er dann, als er sich das Verfahren zur Reduzierung der Stickoxid-Emissionen näher anschaute.
 
Die dafür verwendete Harnstofflösung mit dem Markennamen AdBlue wird von der Software gesteuert in den Abgasstrang eingespritzt. Domke wunderte sich über die dafür festgelegten Bedingungen: „Das Auto wird gezwungen, in einem alternativen Modell zu fahren, bei dem weniger AdBlue abgegeben wird als optimal.“ Die Vermutung des Hackers: Für die Messung von Testwerten sollen ideale Ergebnisse erzielt werden, bei längeren Autofahrten und höheren Geschwindigkeiten wird an AdBlue gespart, um die Zeit bis zur fälligen Nachfüllung zu verlängern.
 
Begleitet wird Domke von Daniel Lange, einem ehemaligen IT-Strategen bei BMW. Bei der Messung von Emissionswerten gebe es in der Branche schon lange Verfahren, die sehr fragwürdig seien, kritisiert er. „Die Daten die bei den Tests gemessen werden, stehen in keinem Verhältnis zur Realität.“
 
Solche „Hacks“ rühren an die Schnittstelle von Technik, Wirtschaft und Politik – und die Hackerszene hat sich in diesem Jahr weiter politisiert. Eine Hauptrednerin wie Fatuma Musa Afrah aus Somalia wäre beim Chaos Computer Club, dem Kongressveranstalter, lange Zeit undenkbar gewesen. „Ich weiß nicht, was Hacker bedeutet“, sagt die 26-Jährige gleich zu Beginn ihrer Rede vor mehreren tausend Hackern. Aber „gated communities“ habe sie in den Flüchtlingsheimen kennengelernt, als sie vor eineinhalb Jahren nach Brandenburg gekommen sei. Leidenschaftlich wirbt sie um Respekt und sagt: „Nennt mich nicht Flüchtling. Nennt mich bei meinem Namen. Und wenn das nicht reicht, so nennt mich einen Newcomer.“
 
Ein Zusammenleben in Vertrauen und Sicherheit, das bewegt viele Kongressbesucher. „Wir vertrauen dem Internet, obwohl wir viele Gründe hätten, misstrauisch zu sein“, sagt Emma Lilliestam aus der schwedischen Hafenstadt Malmö. Die Expertin für Internet-Sicherheit findet es erschreckend, dass es so einfach ist, Sicherheitslücken auszunutzen – etwa bei einfach zu knackenden Passwörtern oder bei der Übertragung von Schlüsseln für den vermeintlichen sicher verschlüsselten Datenverkehr.
 
„Lange Zeit wurden Hacker als kriminell betrachtet, jetzt hat sich das verändert und sie haben schon fast so eine Art Helden-Aura bekommen, sagt die IT-Expertin. Manche sind schon ziemlich clever, aber es gibt keinen Grund, das zu mystifizieren.“
 
CCC-Sprecher Linus Neumann spricht von einem wachsenden Druck in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Auch darauf spiele das Kongresslogo mit einer Glasflasche an. „Der Druck will raus, und an Silvester sollen die Korken knallen!“ Die rund 12 000 Teilnehmer des Kongresses haben sich bis Mittwoch ein umfangreiches Programm vorgenommen und bekommen zum Auftakt den Rat: „Sechs Stunden Schlaf, zwei Mahlzeiten, eine Dusche. Und das pro Tag, nicht insgesamt!“[Peter Zschunke/fs]

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2 Kommentare im Forum

  1. Die Software wurde nicht geknackt sondern dekompiliert und somit leichter lesbar gemacht. Es wurde auch keine Werte manipuliert, sondern aufgezeigt, dass mit steigender Fahrgeschwindigkeit und damit steigender Drehzahl weniger AdBlue eingespritzt wurde. Hat mit Hacken im klasssichen Sinn überhaupt nix gemeinsam. Ob die Software die Abgaswerte im gesetzlich relevanten Meß- bzw. Prüfbereich tatsächlich unzulässig manipuliert steht nirgendwo geschrieben. Es ist ja nicht einmal die Schadstoffklasse bekannt. Nix verstanden, aber Hauptsache DF kann mal wieder eine aufreißerische Headline schreiben, welche total daneben ist.
  2. Eigentlich schreibt DF bzw. Peter Zschunke in seinem Bericht schon das richtige also ähnlich wie bei Heise. 32C3: Dieselgate und die omninöse Akustik-Funktion
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