Herres: „Gut gemachtes Fernsehen ist wie eine gute Ehe“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Ein gutes Sendeschema muss wie eine gute Ehe sein: verlässlich, aber mit hübschen Überraschungen. ARD-Programmchef Volker Herres hat das neue Programmschema verteidigt und über Nachwuchssorgen geklagt.

Das ab September geltende Programmschema der ARD soll so verlässlich und punktuell abweichend sein, wie eine gute Ehe. Fünf Talks die Woche gemischt mit „Smile & Crime“ und in der Sommerpause Dokumentationen heißt das neue Rezept für die Ehe mit dem Zuschauer. Programmchef Volker Herres verteidigte in einem Interview mit „Spiegel Online“ vom Montag das neue Konzept: Trotz der geballten Ladung Talk, komm der Informationsanteil nicht zu kurz.
 
„Wir haben die Information ausgeweitet und gestärkt“, so der ARD-Programmchef. Montags werden nach den „Tagesthemen“ zwei Dokumentationen nacheinander gesendet. Im Sommer soll der Schwerpunkt auf den 90-minütigen Dokus liegen. Herres bekräftigte: „Ich kann Ihnen vorrechnen, dass bei unserer Reform keine einzige Sendeminute Informationsprogramm gestrichen wurde“.

Doch nicht nur die vielen Talks mit Günther Jauch, Frank Plasberg, Anne Will, Sandra Maischberger und Reinhold Beckmann, sowie die kontrovers diskutierte Verlegung der Dokumentations-Sendeplätze sind Baustellen im ARD-Programm. Vor allem der Vorabend bereitet dem Programmchef Kopfschmerzen: „Es ist eine der umkämpftesten Zeitschienen des deutschen Fernsehens; wir sind dort mit grandiosen Serien, zum Beispiel ‚Türkisch für Anfänger‘, nach Quotengesichtspunkten gescheitert“.
 
Die neuen Vorabend-Serien unter der Dachmarke „Heiter & tödlich“ sollen Abhilfe schaffen und generationsübergreifendes Fernsehen bieten. Als Vorlage dient der mittlerweile 25 Jahre alte Erfolgsgarant „Großstadtrevier“. Über diese Basis sollen die angestammten Fans erreicht werden. Gleichzeitig sollen die Serien, die nach dem „Tatort“-Prinzip strukturiert werden, über den lokalen Bezug „ein neues Aroma in den Vorabend“ bringen, beispielsweise über die „zeitgemäße Comedy“. Die jüngeren Zuschauer erreiche man schließlich nur über ihre Sprache, so Volker Herres.
 
Generell werde es in Zukunft jedoch immer schwieriger Fernsehen für die ganze Familie zu machen. Die Zeiten seien vorbei, wo Mutter, Vater, Kind, gemeinsam um 20.15 Uhr vor dem TV sitzen und eine Sendung schauen. “ So funktioniert Fernsehen nicht mehr, so funktioniert auch Familie nicht mehr“, erklärte der Programmchef. Dennoch gelinge es Großereignissen wie WMs oder dem ESC ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und Generationen vor dem Fernseher zu versammeln.
 
In der ARD soll dabei auch Thomas Gottschalk helfen. Der Entertainer soll zukünftig viermal die Woche in einer interaktiven Sendung unter anderem die Generation Facebook antwittern und anchatten. Neben der Zielgruppe unter 49 Jahren wolle Das Erste mit der neuen Gottschalk-Sendung ein möglichst breites Publikum erreichen. Denn Thomas Gottschalk besitze die Gabe, generationsübergreifend Menschen anzusprechen und sei gleichzeitig extrem fit in Sachen Internet, schwärmte Herres. „Er schickt mir auch YouTube-Links: Schau mal, Herr Programmdirektor, das würde ich in meine Sendung nehmen!“
 
Gottschalk habe das Talent ein Millionenpublikum anzusprechen. Das könne nicht jeder. Der Programmchef hat in dem Interview mit „Spiegel Online“ zugegeben, dass gerade im Bereich Unterhaltung der Nachwuchs fehle. „Es gibt da in jeder Generation immer nur ganz wenige Großtalente. Die Gabe, ein Millionenpublikum zu unterhalten, ist selten. Dennoch sind wir ständig auf der Suche“.
 
Auch fiktionale Unterhaltung wird im ARD-Programm weiter eine große Rolle spielen. Natürlich setze der Senderverbund weiter auf die erfolgreichen Formate wie den „Tatort“ oder den „Polizeiruf“, aber auch für Experimente, bei denen man nicht auf die Zuschauerquote schaue, sei Platz. So zeigt Das Erste am heutigen Montag (29. August) um 20.15 Uhr zum Beispiel „Dreileben“, ein Filmexperiment aus drei Krimis mit einem Handlungsstrang.
 
Neben „schwerer“ Unterhaltung wolle der öffentlich-rechtliche Sender jedoch auch weiterhin auf die seichte Fiktion beispielsweise in Form von Romanzen setzen. Der Freitagabend bleibe den „leichten Stoffen“ vorbehalten. Denn nach einer harten Arbeitswoche sei das Bedürfnis nach Entspannung am größten, erklärte der ARD-Programmdirektor und fügte hinzu: „Unterhaltung ist auch ein Grundrecht der Menschen, das bekommen sie bei uns am Freitag zur Primetime“. 
 
Mehr zum neuen ARD-Programmschema lesen Sie ab kommenden Montag (5. September) in unserem Thema des Monats. [js]

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