[Hintergrund] ORF-Chef: Freundlwirtschaft statt Ideenwettbewerb

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Kommenden Dienstag wählt der ORF-Stiftungsrat den neuen Senderchef. Eine Wiederwahl von Alexander Wrabetz gilt als sicher. Wieder einmal verhindere Parteipolitik einen echten Wettbewerb, bemängeln Kritiker.

Auf „Michis liebste Hütten – der Außenminister zeigt die schönsten Botschaftsgebäude in aller Welt“ folgt „Herzflimmern – Stimmungsbericht aus der Großen Koalition“. Dauergast in den Hauptnachrichten: SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann. So müsste nach einer Glosse der „Salzburger Nachrichten“ eigentlich das Programm von Österreichs öffentlich-rechtlichem Sender ORF aussehen, ginge es nach dem Management.
 
Denn während sich in Deutschland die Politik immerhin bemüht, ihre Einflussnahme auf die Öffentlich-Rechtlichen zu kaschieren, gibt man sich in Österreich direkter: Offen wird um die Postenvergabe an Linientreue verschiedener Couleur gerungen, die Wiederwahl des amtierenden ORF-Chefs Alexander Wrabetz am Dienstag scheint bereits ausgemachte Sache.

„Hier ist sehr oft die Nähe von Politik und Medien sehr viel größer, manchmal sogar ungesund symbiotisch“, sagt der Medienberater und ehemalige Politikjournalist Andy Kaltenbrunner. Das liege unter anderem an der deutlich kleineren Größe Österreichs im Vergleich zu Deutschland und an der Medienstruktur: Im Printbereich gibt es eine europaweit einzigartige Pressekonzentration auf einige wenige Boulevardblätter, bei Radio und Fernsehen war der ORF lange Alleinherrscher. Privatfernsehen sendet erst seit etwa zehn Jahren landesweit.
 
Darstellbar wird der Kuschelkurs von Volksvertretern und „Staatsfunk“ vor allem mit dem höchsten Leitungsgremium, dem ORF-Stiftungsrat. Denn wenn es in den Redaktionen nach Expertenmeinung durchaus genügend journalistische Freiheit gibt, zeigt sich im Sendermanagement der Regierungseinfluss: Nur vier der 35 Mitglieder sind ideologisch keiner Partei zuzuordnen. „Im Stiftungsrat geht es überwiegend um politische Kontakte und nicht um die berufliche Reputation – das ist das Grundproblem dieser Organisation“, analysiert Kaltenbrunner.
 
Dass es der von der sozialdemokratischen SPÖ unterstützte 51-jährige Wrabetz am Dienstag trotz sechs Gegenkandidaten wieder an die Spitze schaffen wird, steht für viele außer Frage. Auch die Grünen legten sich öffentlich auf den studierten Juristen fest, selbst die mit der SPÖ in großer Koalition Österreich regierende konservative ÖVP könnte für ihn stimmen. Die Verhandlungen liefen noch, verlautet aus der Parteizentrale. Es dürfte unter anderem um ORF-Posten in zweiter und dritter Reihe für die Konservativen gehen.
 
Leidtragender des ganzen Gemauschels ist aus Sicht von Beobachtern der Sender mit seinen drei Fernseh- und zahlreichen Radioprogrammen selbst: Durchdachte langfristige Konzepte fehlen, internationale Medienmacher winken angesichts der österreichischen „Freundlwirtschaft“ entsetzt ab. „Man kann kein Unternehmen, das so große Herausforderungen zu bewältigen hat wie der ORF – kreative, finanzielle und strukturelle – erfolgreich führen, wenn Personalbesetzungen bis zur Abteilungsleiter-Ebene von politischer Seite beeinflusst werden und ständig parteipolitische Personalwünsche geäußert werden“, sagte RTL-Chef Gerhard Zeiler eine mögliche Wrabetz-Gegenkandidatur im Nachrichtenmagazin „Profil“ ab.
 
Im ORF gebe es keinen Platz für politisch und wirtschaftlich unabhängige Kandidaten mit internationaler Medienerfahrung, ließ auch Ex-Holtzbrinck-Chef Michael Grabner dem Magazin mitteilen. Mit zunehmender Konkurrenz durch Privatsender könne sich der ORF das aber nicht mehr lange leisten, warnt Kaltenbrunner. Vor allem Junge schalten um, nach einer Umfrage der Gratiszeitung „Heute“ gibt der Österreicher seinem Programm inzwischen nur die Note 3,1. [Miriam Bandar]

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