James Franco über „127 Hours“

0
136

James Franco über „127 Hours“

Eine Geschichte über wahre Ereignisse, das wahre Glück, den unbrechbaren Willen zu Überleben und die große Erkenntnis am Rande des Todes – Danny Boyles neuer Film handelt von weit mehr als nur einem abgeschnittenen Arm. Er zeigt, was aus der größten Not heraus erwachsen kann.

Zwölfter Februar 2011, im Hotel Lux, Berlin: „Ich kann Ihnen den Plot erzählen, wenn Sie wollen“ – intoniert Hollywoods Nachwuchstalent und Hauptdarsteller von „127 Hours“ James Franco die Presserunde: „Es basiert auf einer wahren Begebenheit, daher ist es nicht besonders schwierig, herauszufinden, worauf es hinauslaufen wird.“ Seine Worte sind ein wenig abwesend, so als wäre er schon auf der Vernissage seiner plastischen Installationen, für die er eigentlich in die Hauptstadt gekommen ist. „Ich denke, der wirklich überraschende Part für die Zuschauer ist die emotionale Reise, die sie mit diesem Film eingehen. Überraschenderweise ist er sehr intensiv und aufregend. Die Story handelt von einem Typen, der ein ausgebildeter Athlet und Bergsteiger ist. Deshalb ist er vermutlich auch ein bisschen eingebildet. Und waghalsig. Plötzlich ist er in diesem Canyon gefangen, was ihn in gewisser Hinsicht läutert. Er wird mit seinem eigenen Tod konfrontiert. Letztendlich realisiert er, was das wichtigste in seinem Leben ist.“ Treffender hätte Franco den Film nicht zusammenfassen können.

Die schwerste Entscheidung seines Lebens

Fünf Tage und Nächte harrte der echte Aron Ralston, dessen Autobiographie als Filmvorlage diente, im Blue John Canyon, Utah, aus. Ein lockeres Felsgestein stürzte auf seinen Arm und hinderte ihn an jedwedem Fluchtversuch. Schlussendlich brachte das von Franco erwähnte „Wichtigste“ Ralston dazu, seinen Arm mit einem Taschenmesser zu amputieren. So tragisch und abschreckend dieses Szenario auch sein mag, so lebensbejahend erscheint im Nachhinein das Motiv, tat er es doch einzig aus purem Lebenswillen und der Hoffnung, auch in Zukunft noch zwischenmenschliches Glück zu erfahren. Für Danny Boyles Film ist die schockierende Bluttat daher nur Mittel zum Zweck – ein düsteres Ohmen, das über den Dingen schwebt, und von einer Frage verursacht wird, nach der eigentlich jeder  Mensch strebt: Die Frage nach dem Sinn des Lebens.

Statt eines drögen Dramas liefert Boyle ein temporeiches Action-Feuerwerk ab, das sich vor allem durch seine brillante und frische Kamera-Arbeit auszeichnet. Schon in den ersten Minuten wird der Zuschauer von großflächigen Panoramen und berauschenden Kamerafahrten durch den Canyon geradezu überwältigt. Franco jagt als Mountainbike fahrender Ralston quer durchs Sandsteingebirge, fürs Auge beschleunigt durch rasant-verrückte Kamerafahrten und spritzige Split-Screen-Einstellungen. Und auch die zwei zufällig getroffenen Rucksack-Touristinnen lassen das Tempo nicht stagnieren. Als ortskundiger Fachmann führt der Film-Aron die beiden durch eine Felsspalte, lässt sich in einen unterirdischen See fallen und zieht die Kamera scheinbar mit demselben Schwung hinter sich her. Offenbar ließ Boyle seinen beiden preisgekrönten Kameramännern Enrique Chediak („28 Weeks later“)  und Anthony Dod Mantle („Slumdog Millionär“) genügend kreativen Spielraum, um mit ihren Digitalkameras die abgefahrendsten Sachen auszuprobieren, weshalb eine Einstellung die nächste übertrifft.

Der herabfallende Stein

Voller Elan turnt der Film-Aron anschließend alleine weiter durch die malerischen Schluchten. Sein Traum von der Bewältigung der Gebirgskette nimmt jedoch eine abrupte Wende ein, als er unglücklich abrutscht und sein Arm vom ebenfalls herab purzelnden Gestein eingeklemmt wird. Versucht er anfänglich noch mit aller Kraft der Notsituation zu entkommen, gestaltet sich sein späteres Vorgehen gefasster, planmäßiger. Doch all seine Bemühungen, die Sichtung seiner Ausrüstung und Möglichkeiten beweisen ihm nur noch stärker, dass ein Entkommen auf herkömmliche Weise unmöglich ist. Aron ergibt sich seiner Lage: „Dieser Felsen hat mein Leben lang auf mich gewartet“ – Eine Erkenntnis die sich in dem halluzinierenden Weltdenken des Gefangenen einnistet und ausbreitet. Alle bisherigen Erlebnisse, seine ganze Ausbildung, sein Leben und die Umstände, die diesen Felsen genau an diesem Ort platziert haben, führten zum jetzigen Dilemma, das unwiderruflich und endgültig zu sein scheint. Mühsam durchforstet er seine Erinnerungen, um die Punkte ausfindig zu machen, die zu einem anderen Schicksal geführt hätten.

Kommentare im Forum