[Kinokritik] „Harry Potter 7.2“: Zwischen Epos und Kinderfilm

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Es endet alles hier: „Harry Potter“ hat seinen letzten Kampf ausgetragen – emotional, bildgewaltig, mitreißend und mit reichlich fehlgeschlagenen Experimenten. Ein Mythos zwischen Mainstream und Potter-Freaks.

Der Abschied versprach tränenreich zu werden, denn schon der siebte Band der „Harry Potter“-Reihe von der britischen Autorin J. K. Rowling galt als der düsterste der ganzen Reihe. Zahlreiche, von vielen liebgewonnen Charaktere mussten im Zuge des Kampfs gegen den mächtigsten Schwarzmagier seiner Zeit, Lord Voldemort (Ralph Fiennes), ihr Leben lassen. Regisseur David Yates schafft es, diese emotionalen Momente auch im achten Film zur Saga so umzusetzen, dass kein Auge trocken bleiben kann.
 
„Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 7.2“ schwankt zwischen Verzweiflung, Trauer, Witz, Mut und einem Gefühl von Zusammenhalt. Mit knackigen Dialogen und gewaltigen Bildern schafft es der 3D-Film, die Zuschauer mitzureißen und sie im Kampf Gut gegen Böse mitfiebern zu lassen. Besonders hervor stechen dabei nicht nur die drei Hauptcharaktere Harry (Daniel Radcliffe), Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson), sondern auch die Nebenfiguren wie Neville Longbottom (Matthew Lewis) oder Prof. Minerva McGonagall (Maggie Smith).Detailreiche, aber brutale Schlachten

 
Nachdem Harry, Ron und Hermine von ihrer Irrfahrt auf der Suche nach Horkruxen, den Seelensplittern Voldemorts, in ihre Schule Hogwarts zurückkkehren, um dort ihre Gegner, die Todesser, endgültig zu besiegen, stehen ihnen Freunde und Lehrer sofort zur Seite.
 
McGonagall, die einen ihrer Glanzmomente im fünften Teil bei einem Streitgespräch mit Dolores Umbridge (Imelda Staunton) hatte und ansonsten sträflicherweise eher eine Randrolle einnahm, überzeugt durch Durchsetzungskraft. Nicht nur verweist sie Severus Snape (Alan Rickman) in einem eindrucksvollen, wenn auch kurzem Duell der Schule, zugleich organisiert sie auch den Kampf gegen die Angreifer. So setzt sie beispielsweise eine Armee steinerner Statuen in Bewegung, die die Schule schützen sollen.
 
Der eigentliche Angriff auf die als Festung geltende Schule erinnert zeitweise an den Film „Hooligans“. Hunderte Statisten stürmen auf das Schloss zu, nur um dann durch eine Barriere sprichwörtlich zersetzt zu werden. So detailreich wie die Schlacht dargestellt wird, so brutal ist sie auch. Neben einbrechenden Gemäuern, Riesen und Spinnen, die sich über die Schüler hermachen, wird so beispielsweise ebenfalls gezeigt, wie ein Werwolf eine Schülerin anfällt und sie regelrecht zerfleischt. Sicher nichts für zartbeseidete und schon gar nicht für Kinder.
 
Auch am achten Film zeigt sich, dass Harry Potter erwachsen geworden ist. Wie in den Büchern, werden die Filme zunehmend düsterer und „älter“. Konnte der erste Film „Harry Potter und der Stein der Weisen“ getrost als Kinderfilm durchgehen, sollte im achten Teil die FSK-Freigabe ab 12 Jahren überdacht werden.Zerstörerische Animation

 
Während der zweite Teil des Films sich ausschließlich mit dem Kampf um Hogwarts sowie der Suche nach den verbleibenden zwei Horkruxen beschäftigt, überzeugen die ersten Szenen mit dem Einbruch in Gringott’s, die am besten gesicherte Bank der Welt. Eng an die Originalszenen im Buch angelehnt, überrascht Emma Watson in einem schwarzen, enganliegenden Kleid, dass nur noch einmal betont, wie erwachsen die Kinderstars von einst mittlerweile geworden sind.
 
Ihre Figur verwandelt sich in die Todesserin Bellatrix Lestrange (Helena Bonham Carter), in deren Verlies die drei Helden einbrechen wollen. Sie suchen darin einen Horkrux. Natürlich, wie Harry kurz darauf treffend bemerkt, läuft auch diesmal nichts nach Plan und das Trio tritt auf einem Drachen die Flucht an. Die Animation des Drachens und seiner zerstörerischen Flucht sucht dabei seines Gleichen.Snapes Erinnerung: The Flaw in the Plan

 
Die ersten anderthalb Stunden gestalten sich auf diese Weise ausgesprochen actionreich, kurzweilig und mitreißend. Die Balance zwischen Spezialeffekten, humorvollen Dialogen und emotionalen Momenten ist dabei ausgewogen. Die Orientierung an der Buchvorlage darf im Großen und Ganzen als gelungen bezeichnet werden. Doch dann beginnt Yates mit seinen Experimenten.
 
Schon mit den Erinnerung des verstorbenen Snape – dessen Tod ebenso dramatisch, brutal und schockierend wie im Buch ist – verlässt die Inszenierung ihre bis dahin konsequente Linie sich an die Vorlage zu halten. Im fünften Film, „Harry Potter und der Orden des Phoenix“, hatte Regisseur David Yates bereits eine Erinnerung des Zaubertränkemeisters verfilmt, jedoch nur halb so ausführlich wie in der literarischen Vorlage. Der essentielle Teil für die Geschichte von Serverus Snape – und damit Harry Potter – fehlte.
 
Im aktuellen achten Film hatte der Regisseur die Möglichkeit, den Fehler, der ihm aus Unwissenheit aufgrund des damals noch nicht erschienenen siebten Bandes unterlaufen war, auszubügeln. Doch scheinbar scheute Yates davor zurück.
 
Nicht nur, dass die Erinnerungssequenz, in der Snape seine Freundschaft zu Potters Mutter Lily zerstört, komplett fehlt, auch das enge Verhältnis zwischen dem jungen Severus und Lily wird nicht annähernd deutlich. Mehr noch, statt wie im fünften Teil einen „jungen“ Snape (damals: Alec Hopkins) für die Erinnerung zu engagieren, spielt der mittlerweile 65-Jährige Alan Rickman auch das 20-jährige Ich seiner Figur. Bei allem schauspielerischen Talent: Alan Rickman ist einfach keine 20 mehr.Oberflächliche Experimente

 
Doch damit hören die Experimente nicht auf. Der eigentlich Clou des Buches – nämlich, dass Harry durch drei Gegenstände – die Heiligtümer des Todes – Herr über den Tod wird und sich so von Lord Voldemort töten lassen kann, ohne dabei selbst zu sterben, wird zwar erwähnt, aber nicht hinreichend erklärt. So wird zwar von dem Zauberstab, dem Stein, der Tote wiederbelebt, und dem Unsichtbarkeitsmantel gesprochen, doch es wird nie deutlich gemacht, dass es sich um Harrys Unsichtbarkeitsmantel handelt. Er hat ihn nicht mal dabei.
 
Auch beim Kampf, der zwischen Harry und Voldemort ausbricht, nachdem der Zauberschüler aus dem Reich der Toten zurückgekehrt ist, ließ Yates augenscheinlich seiner Fantasie freien Lauf. Statt die beiden Kontrahenten, wie in der Vorlage, umringt sowohl von Todessern als auch von Potters Anhängern gegeneinander antreten zu lassen, stehen sie fast mutterseelenallein auf einer Freifläche, nachdem sie sich quer durch das Schloss gejagt haben. Die Verfolgungsszene ist jedoch mit zahlreichen Spezialeffekten vorallem für Action-Fans sicher mitreißend.
 
Die endgültige Demütigung des Schwarzmagiers durch Potter, in dem er erklärt, an welcher Stelle Voldemorts Plan fehlgeschlagen ist, sowie die Rehabilitation Snapes gegenüber den versammelten Zauberern fehlt komplett. Zwar erklärt Harry seinen beiden Freunden nach dem Kampf kurz, warum er seinen Gegenspieler besiegen konnte – und so weiß zumindest der Zuschauer, was passiert ist – die anderen Figuren bleiben diesbezüglich jedoch unwissend.
 
Und damit fehlt auch diesem Teil der „Harry Potter“-Saga die entscheidende Tiefe, um die Geschichte in ihrer gesamten Komplexität wiederzugeben. Die Filme bleiben oberflächlich und damit zu einem gewissen Grad unlogisch.Spektakuläres Ende mit platten Figuren

 
Zwar besticht der finale Kampf durch Spezialeffekte, wird jedoch für den eingefleischten „Harry Potter“-Fan eher eine Enttäuschung sein. Immerhin bekommt Molly Weasley (Julie Walters) die Chance, sich zu beweisen, als sie gegen den loyalsten Diener Voldemorts, Bellatrix Lestrange, antritt und diese wortwörtlich in Stücke reißt.
 
Alles in allem weist der letzte „Harry Potter“-Film sehr emotionale und bildgewaltige Momente auf, bleibt jedoch wie die vorhergehenden Verfilmungen oberflächlich. Die eigentlichen Finessen von Rowlings Büchern kommen nicht zur Geltung, da wichtige Informationen weggelassen werden. Die Darstellung der Charaktere ist inkonsequent und teilweise platt. Beispielsweise wird Harrys Tante Petunia am Ende teilweise rehabilitiert, da der Hass auf ihre Schwester durch den unerfüllbaren Wunsch, selbst nach Hogwarts gehen zu dürfen, erklärt wird. In der Verfilmung fällt auch diese Nuance unter den Tisch.
 
Im Grunde müssen für diesen Film zwei Fazits gezogen werden. Für jene, die Alohomora-Zauber und Quidditich-Strategien noch nicht verinnerlicht haben, ist es das kurzweilige Ende einer beeindruckenden Filmreihe. Harry Potter, der als 11-Jähriger zum ersten Mal Hogwarts betrat, wächst mit seinen Freunden über sich hinaus und besiegt sich selbst und seinen ärgsten Feind in einem spektakulären Finale.
 
Für all diejenigen, die nachts mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelegen haben, und deren Bücher vom vielen Lesen ganz ausgefleddert sind, könnte es einige Enttäuschungen geben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass in den 16 Minuten, die der Film kürzer ist als sein Vorgänger, nichts hätte weggelassen werden müssen und trotzdem so viel mehr hätte erzählt werden können.Kinokritiken der Woche – Archiv
[Jana Skoupy]

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