„Klingelingeling“: Trauriges Weihnachtsfest im „Tatort“

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Der Weihnachts-„Tatort“ aus München versucht, den Geist des Festes einzufangen. Dabei bringt der Tod eines Baby die Münchener Ermittler Batic und Leitmayer auf die Spur einer skrupellosen Bettelorganisation.

Weihnachten ist ein Fest des Überflusses. Geschenke, Essen, Alkohol, alles reichlich. Inmitten dieser Glückseligkeit lenkt der „Tatort – Klingelingeling“ am zweiten Weihnachtsfeiertag (Montag/26. Dezember) um 20.15 Uhr den Blick auf Menschen am Rand der Gesellschaft. Ein totes Baby wird kurz vor Heiligabend in einer Kirche gefunden. Die Ermittlungen führen die Kommissare zu zwei Schwestern aus Rumänien, die von einer mafiösen Bettelorganisation auf die Straße geschickt werden. In dieser Welt sind Menschen Ware – und Kinder haben gar keinen Platz. Der Film ist unbedingt sehenswert, ist er doch näher am Ursprung des Festes als der ganze kommerzielle Weihnachtstrubel. Schließlich wurde Jesus nach christlicher Überlieferung bitterarm in einem Stall geboren, freudig begrüßt von den Hirten, die nicht zu den Privilegierten der Gesellschaft gehörten.
 
Wie schon in seinem Kinofilm „Der Verdingbub“ zeigt der Schweizer Regisseur Markus Imboden eine Welt, in der es kaum Mitleid gibt und in der die Ärmsten rücksichtslos ausgebeutet werden. Die Lage der hochschwangeren Tida (Mathilde Bundschuh) ist ausweglos. Sie und ihre Schwester Anuschka (Cosmina Stratan) werden von den Chefs ihrer Bettlerbande mit Liquid Ecstasy gefügig gemacht.

Bei Tida lösen die Drogen vorzeitige Wehen aus. Im Waschkeller eines Hinterhauses bringt sie ihren Sohn zur Welt – und ist glücklich, ebenso wie Anuschka, die ihr beisteht. Das Wunder der Geburt, auch im Elend. Die lächelnde Mutter weiß jedoch: Sie muss ihren Sohn Lucian verstecken, damit der gnadenlose Bettler-Chef Radu (Florin Piersic Jr.) ihn nicht findet. Als sich die Frauen auf den Weg machen, bricht Tida auf der Straße zusammen, und ihre Schwester Anuschka muss mit dem Baby fliehen, als Radus Bruder (Alexandru Cirneala) auftaucht.
 
Der Film rüttelt auf und berührt, ist doch das Drehbuch von Dinah Marte Golch nah an der Wirklichkeit. Fast jeder kennt die Menschen, die in Innenstädten um Geld flehen. Zwischen 100 und 400 Euro am Tag kann ein Bettler laut Polizei in Münchens Innenstadt im Advent einnehmen, doch vielen bleibt davon nichts. „Oft verschafft man lediglich den Hintermännern ein gutes Leben“, sagt der Münchner Polizeihauptkommissar Robert Röske.
 
Die Chancen, diese Leute zu fassen und die Strukturen aufzubrechen, seien gering. Röske spricht von einer „Kultur des Schweigens“, die Ermittlungen erheblich erschwere. Gleichzeitig will er nicht raten, kein Geld zu geben. „Weil manche Bettler wirklich ihren Lebensunterhalt damit verdienen“, vor allem die, die auf eigene Faust unterwegs sind.
 
Imboden vermeidet es, auf die Tränendrüse drücken. Stattdessen setzt er auf schlichte, aber starke Gefühle – vor dem Hintergrund der hoffnungslosen Lage der beiden Schwestern. Die „Tatort“-Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) geraten etwas an den Rand, nicht zuletzt weil Bundschuh, Stratan und der in Rumänien gefeierte Piersic Jr. so hervorragend spielen.
 
Außerdem sind die Ermittler wesentlich ernster als sonst häufig. Der Fund der kleinen Leiche geht ihnen sehr nahe. Wenn sie dennoch über Weihnachtspläne und nervige Geschenke plänkeln, wirkt das wie der Versuch, die bedrückende Stimmung für kurze Momente aufzulockern. Auch für die Zuschauer eine willkommene Atempause in dem emotional sehr packenden Krimi.
 
Der Film zeigt, dass die Bettler am Straßenrand nicht gesichtslose Wesen sind. Sie haben Gefühle, Ängste, Nöte und oft eine Familie in der Heimat, die sie liebt. „Nach dem Film sieht man die Bettler mit neuen Augen“, meint Bavaria-Produzent Ronald Mühlfellner. Und noch etwas löst die Produktion des Bayerischen Rundfunks (BR) aus: Die Frage, ob zu Weihnachten wirklich alles perfekt sein muss und ob man nicht wichtigere Dinge bedenken sollte: Liebe, Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit zum Beispiel.

[Cordula Dieckmann/buhl]

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