Kommentar: Sind die (Fach-)Messen gesungen?

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Infrastrukturexperte Dr. Hans-Ullrich Wenge, früherer CEO des Kabelnetzbetreibers Kabel Deutschland zieht Resümee, welchen Stellenwert Diskussionsrunden, Panels und Ausstellungen in Deutschland 2018 noch haben oder haben könnten.

„Die Messe ist gesungen“ ist ein geflügeltes Wort in Deutschland. Es heißt, dass etwas vorbei ist. Manchmal wird dem gar mit „Amen“ noch mehr Nachdruck verliehen. Das geflügelte Wort hat hier aber gleichsam eine weitere Bedeutung in Bezug auf das Wort „Messe“, denn große Austellungen und insbesondere Kongressveranstaltungen, haben es im Medienbereich gerade recht schwer, das Zielpublikum noch zu begeistern.
 
Zwar stürmten in den letzten Jahren immer neue und riesige Medienunternehmen wie Amazon, Google, Netflix, Sky, DAZN, Apple oder Spotify auf den deutschen Bewegtbild- und Musikmarkt, aber mit internationaler Klientel wird der Kuchen an Neuigkeiten auch auf Foren weltweit verteilt. Nicht jeder Kongress in Deutschland konnte in den letzten Jahren mit Schlagzeilen punkten, die Neuigkeitswert hatten. Nicht jede Messe wurde hochkarätig besucht wie in den Jahren zuvor. Nicht jeder Kongress konnte noch mehr Rekordzahlen vermelden. Die Bäume wachsen eben nicht in den Himmel.
 
Die CeBIT wurde kurzerhand in den Sommermonat Juni verschoben. Ob das noch hilft, bleibt mal dahingestellt. Das Medienforum NRW gibt bereits für diesen Sommer ganz auf. In den letzten Jahren war man noch unter das Dach der Anga Com geschlüpft. Diese muss nun allein medienpolitische Themen aufbereiten, wenn es denn überhaupt noch bahnbrechende News zu verkünden gibt. Dass es schwer wird, zeigen die Medientage München, welche Veranstaltungen von Unternehmen und Beratungsunternehmen ganz offiziell in den letzten Jahren kaufen lassen. Dann darf man einladen, wen man will und vorher auch mitbestimmen, was diese Leute zu diskutieren haben – und damit auch, was nicht zu diskutieren ist. Eine einzige Farce! Und dabei waren die Medientage München vor 15 Jahren noch DIE Prestige-Veranstaltung einer ganzen Medienbrache in Deutschland. Ein Sprachrohr einer Branche. Vorbei!

Fairerweise muss man dazu sagen, dass gerade CEOs internationaler Unternehmen auch nicht gerade auf eine Messe- und Kongressveranstaltung in Deutschland warten, um ihre wirklichen Neuigkeiten zu verbreiten. Überhaupt wartet niemand mehr auf DIE Gelegenheit, um etwas zu verbreiten. Wenn es etwas zu verkünden gibt, wird es getan. Ob auf die Trump-Art per Twitter, an interessierte Filterblasen per Facebook oder einfach per klassischer Medienmitteilung an alle Multiplikatoren. Neuigkeiten des Absenders gelangen zum Empfänger – so oder so.
 
Da muss auch niemand aus den Führungsetagen eines Medienunternehmens nach Deutschland reisen, um hier aufzutreten. Wozu auch? Was soll dabei schon herumkommen?
 
Interessant ist doch auch viel mehr, was die Meldung hinter einer Meldung ist. Hier sind sicherlich Vorträge, Diskussionen und Medienberichterstattung immer noch sinnvoll. Nur leider traut sich kaum noch ein Konzern-Mitarbeiter ohne Rückendeckung der jeweiligen Kommunikationsabteilung aus der Deckung. Zu weich scheint die Komfortzone in den Großkonzernen zu sein, als dass man mit eigenen Ansichten, Ideen oder gar innovativen Gedanken nach vorn preschen möchte. Vielleicht darf man auch nicht. Das bedingungslose Grundeinkommen bekommt man ja jetzt schon innerhalb der Konzerne, egal wie weit man sich für sein Unternehmen aus dem Fenster lehnt. Oder anders herum: Eigene Gedanken können da eher hinderlich sein, längerfristig auf seinem Stuhl in welcher Etage auch immer noch sitzen zu dürfen. In den oberen Etagen zahlt sich dieses Stillhalten sogar mit Boni aus, so heißt es zumindest, und das manchmal trotz Verlusten der Unternehmen.

Kein Wunder, dass da jeder deutsche Politiker ganz gleich welcher Couleur nach jungen Unternehmern mit neuen Startups schreit, die mit ihren eigenen Gedanken öffentlich bereichern könnten. Aus den Medienunternehmen weltweit kann man kaum noch neue Erkenntnisse ziehen – außer vielleicht, mit Konsolidierung und Arbeitsplatzabbau zumindest für eine gewisse Zeit noch mal das erwirtschaftete Geld zu vermehren oder zumindest nicht in die Verlustzone abzudriften. Innovationen? Fehlanzeige! Der letzte wirkliche Innovator ist mit Steve Jobs leider viel zu früh von uns gegangen.
 
Wer will also die CEOs der Medienunternehmen noch auf Messen treffen oder auf Kongressen zum Schein diskutieren hören? Eben. Darum sind „die Messen bereits gesungen“ und das ist mehr als bedauerlich, denn Innovation entsteht oft genug ausschließlich gemeinsam, auch durch Kontroversen und nur zu selten im stillen Kämmerlein. [Dr. Hans-Ullrich Wenge]

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3 Kommentare im Forum

  1. Herr Wenge hat mit diesem Artikel schlicht Recht. Selten eine so genaue Analyse der Situation von Ausstellungen und Medienkongressen im Jahre 2018 gelesen. Das müssen die Messebetreiber zur Kenntnis nehmen. Die Welt hat sich gedreht. Keiner wartet im Jahre 2018 mehr auf eine Veranstaltung in Deutschland. Schon gar nicht ein CEO von Google, Apple oder Amazon. Hier laufen allenfalls die Statthalter auf. Ein Statthalter-Treffen in Deutschland.
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