Kritik: „Tatort Wien“ im langen Schatten des Balkankriegs

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Harald Krassnitzer ist verschnupft. Hustend, prustend, von der Grippe geschüttelt, zieht er in seinen nächsten Fall. Der Fahrer einer Reinigungsfirma ist getötet worden, und manches spricht dafür, dass ein Anderer sterben sollte. Die Killer sind schon unterwegs zu dem beabsichtigten Opfer.

Unter dem Titel „Kein Entkommen“ ist der Austro-Krimi nach einem Buch von Lukas Sturm und Fabian Eder, der auch als Regisseur agierte, an diesem Sonntag (5. Februar) um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen. Die neue Episode präsentiert noch ganz nebenbei einen Rekord: 15 Leichen gab es noch nie in 41 Jahren „Tatort“. Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) hörte einmal in Bremen bei 14 mit dem Zählen auf.
 
Der Wiener „Tatort“ führt brisant in die Nachwehen des Balkankriegs ein: Einer der Killer von damals will die blutigen Schatten der Vergangenheit endlich hinter sich lassen. Aber die anderen lassen ihn nicht, und ein mysteriöser „Heiliger“ zieht im Hintergrund die Drähte. Die mörderische Verfolgungsjagd setzt vor Wiener Kulisse ein. Österreichs Hauptstadt wird immer wieder berückend schön-romantisch, mit allem Sissi-Glanz und der ganzen Küss-die-Hand-Schnuckeligkeit eingefangen.
 
Krassnitzer: „Ja, das ist unser Stilprinzip, das Zuckerbäcker-Wien mit aller Heurigenseligkeit zu zeigen und darin die Abgründe aufzubrechen.“ Da bleibt diesmal auch nicht viel Raum für die privaten Farben des ORF-„Tatorts“: Assistentin Bibi, von Adele Neuhauser mit gewohnter Leichtigkeit gespielt, kämpft wie immer, aber nur sehr am Rande mit ihrem Alkoholismus. Tanja Raunig als maulige Tochter Claudia darf nur ein kleines bisschen maulen. „Das ist eine sehr komplexe, dichte Geschichte. Die wollten wir nicht durch allzu heftige Privatheiten aufweichen“, sagt Krassnitzer. Beim nächsten „Tatort“, bei dem es um Hühnerfleisch aus China gehen wird, soll das schon wieder anders werden.
 
Ein Höhepunkt an Action: wie der gehetzte Mirko Gradic, von Christoph Bach als lieber Junge und zärtlicher Familienvater gespielt, obwohl diesem Knaben reichlich Blut an den Fingern klebt, aus dem zweiten Stock auf ein parkendes Auto springt und dann – nur mit einer Pyjama-Hose bekleidet – quer durch Wien hetzt. Der Sprung, von einem Stuntman ausgeführt, war schon gefährlich genug. Aber der Lauf durch Wien, den Bach selbst absolvieren musste, war fast noch schlimmer. Denn in Wien war es gerade bitterkalt. Das scheint allmählich eine österreichische „Tatort“-Tradition zu werden: In einer der letzten Folgen musste einer völlig nackt in ähnlich bitterer Kälte in einem Einkaufswagen ausharren.

Krassnitzer mit einem ironischen Augenzwinkern: „Das ist eben unser besonderes Vergnügen, Kollegen der Kälte auszusetzen, während der Kommissar dick angezogen ist. So hat man seinen besonderen Spaß.“
 
Wie lange er noch den Moritz Eisner spielen wird? Er weiß es nicht: „Das ist wie mit dem Tod. Über den macht man sich erst Gedanken, wenn er vor einem steht. Dann denkt man vielleicht: „Aha, so sieht er aus!“ Erstmal haben wir unsere helle Freude an unserem Zusammenspiel und sind noch für Abenteuer und eine Reihe Überraschungen gut.“ Schon drei weitere Filme sind fest geplant.

[dpa/su]

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