Laute Werbung ade – Interview zur Lautstärkeangleichung im TV

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Lautstärkeunterschiede zwischen Programm und Werbeblöcken sowie zwischen den einzelnen Sendern sind für Viele ein Störfaktor beim Fernsehen. Ab dem 31. August soll damit Schluss sein. Dann nämlich planen alle großen TV-Sender in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine generelle Angleichung der Lautstärken auf einen festgelegten Mittelwert. DIGITALFERNSEHEN.de sprach mit ARD-Sprecherin Bettina Altenkamp über die Änderungen und die Herausforderungen für Sender und Werbetreibende.

Frau Altenkamp, wird die Umstellung beim Ersten wirklich wie angekündigt umgesetzt?
 
Bettina Altenkamp: Ja, die Umstellung auf eine lautheitsnormierte Ausstrahlung des Fernsehprogramms ‚Das Erste‘ erfolgt wie in der Presseerklärung vom Dezember 2011 angekündigt zum Start der IFA am 31.8.2012 – genau genommen, um 5.30 Uhr, mit Beginn des Morgenmagazins.
Aber nicht nur ‚Das Erste‘ wird an diesem Tag die Lautheit seiner Programmausstrahlung umstellen, sondern auch das ZDF, alle ‚Dritten Programme‘ sowie alle privaten Free- und Pay-TV-Anbieter in Deutschland. Auch die Programmanbieter in Österreich und der Schweiz möchten auf das einheitliche Verfahren umstellen. Die Umstellung am 31.8.2012 erfolgt bei fast alle Fernsehprogrammanbietern in den frühen Morgenstunden.
 
Kann man den geplanten Lautstärkebereich in Werten, zum Beispiel dB, nennen?
 
Altenkamp: Ja, die Programm-Lautheit, mit der ab diesem Zeitpunkt die Fernsehprogramme ausgestrahlt werden, soll auf den Zielwert -23,0 LUFS1 normalisiert werden. Die zulässige Abweichung vom Zielwert soll generell ±1,0 LU2 nicht überschreiten und zwar für Programme, bei denen eine exakte Normalisierung auf den Zielwert praktisch nicht möglich ist, wie zum Beispiel Live-Programme.
 
Wie hoch ist derzeit noch der Lautstärkeunterschied zwischen Programm und Werbung?
 
Altenkamp: Heute senden die öffentlich-rechtlichen Fernseh-Programmanbieter mit einer durchschnittlichen Lautheit von -21 LUFS. Die Privaten senden in der Regel noch lauter. Einzelne Sendungen oder Programmelemente – beispielsweise Programmhinweistrailer oder Werbespots – erreichen teilweise eine Lautheit von bis zu -16 LUFS. Um die Unterschiede werten zu können: Als Faustformel gilt, dass 10 LUFS Unterschied etwa als doppelte bzw. halbe Lautstärke wahrgenommen wird.

Welche Maßnahmen müssen oder mussten intern umgesetzt werden für die Umstellung?
 
Altenkamp: Bisher galt in den deutschen Rundfunkanstalten eine Aussteuerungsgrenze für den Ton, die sich ausschließlich am Spitzenpegel orientierte. So durfte ein Maximalpegel von +6 dBu, gemessen mit einem Quasi-Spitzenpegelmessgerät, nicht überschritten werden. Zukünftig wir die Tonaussteuerung nicht mehr nach Spitzenpegel, sondern nach Lautheit erfolgen; und, damit verbunden, die Lautheit am Sendeausgang auf einen definierten Wert normiert werden. Um Sendungen nach Lautheit ausgesteuert produzieren zu können, bedarf es einer neuen Art von Messgeräten, die erst seit kurzem zur Verfügung stehen und seit etwa einem Jahr sukzessive in den Rundfunkanstalten eingesetzt werden. Des Weiteren mussten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der neuen Art der Tonaussteuerung geschult werden.
 
Gibt es für die Werbetreibenden Änderungen, zum Beispiel bei der Ausgangslautstärke der Spots oder wird automatisch eingeregelt?
 
Altenkamp: Insbesondere Werbung, Sponsoringtrailer sowie Programm-Hinweistrailer werden von den Zuschauern oftmals als zu laut wahrgenommen. Ab dem 31. August 2012 sollen auch diese Programmanteile lautheitsnormiert produziert und harmonisiert ausgestrahlt werden, das heißt, sie sollen in der Wahrnehmung der Zuschauer nicht mehr lauter wahrgenommen werden als Sendungen davor oder dahinter. Darauf haben sich – neben den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsender – auch Vermarkter, Agenturen und werbende Unternehmen verständigt.
 
Wie wird analysiert, ob die Umstellung beim Zuschauer ankommt?
 
Altenkamp: Vielleicht wird dieses Thema in der ein oder anderen Weise bei unserer Publikumsforschung eine Rolle spielen. An der Zuschauerpost werden wir es hoffentlich merken – durch weniger Kritik an Lautheitssprüngen im Programm und beim Senderwechsel.
 
 
Vielen Dank für das Gespräch!
 
1LUFS = Lautheitswert relativ zum digitalen Vollpegel
2LU = Loundness Unit (1 LU entspricht 1 dB)
 
Für weitere Informationen lesen Sie auch folgende Artikel:
Nie mehr zu laute Werbung – Lautstärke-Angleichung im TV[ps]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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65 Kommentare im Forum

  1. AW: Laute Werbung ade - Interview zur Lautstärkeangleichung im TV Endlich. Das Gebrülle hört auf. Man kann bei langweiligen Programmen vorm Fernseher durchschlafen.
  2. AW: Laute Werbung ade - Interview zur Lautstärkeangleichung im TV Zeit wird es. Gerade bei den Primaten ist es schlimm! Wenn du bei dem miesen Programm am einschlummern bist, wird man durch die plötzlich einsetzende laute Werbung in die Realität zurück geholt.
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