Loewes Chefdesigner Edmund Englich

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Im Gespräch mit dem kreativen Kopf von Loewe

Hinter jedem Produkt steckt eine Idee, eine Geschichte. Und hinter jeder Geschichte stecken kreative Köpfe, die in einem Produkt mehr sehen, als nur die Summe von Bauteilen. Designern wie Edmund Englich ist es zu verdanken, dass wir an einem Fernseher selbst dann Spaß haben, wenn er ausgeschaltet ist. In unserem Interview verrät der Chefdesigner der Kultmarke Loewe, worauf es in der heutigen Zeit besonders ankommt und wie man als Designer eines Waschbeckens zum TV-Design kommt.

Herr Englich, wo liegen Ihre Wurzeln, was das Thema der Produktgestaltung anbelangt?
 
Ich habe ein berufliches Leben vor Loewe gehabt, das war maßgeblich in den Jahren 1991 bis 1998 bei der Firma Molldesign in Schwäbisch Gmünd. Dort habe ich viel für die Sanitärwelt gearbeitet, unter anderem für Villeroy & Boch. Das erste meiner Produkte, das umgesetzt wurde, war ein Waschbecken, was dann letztendlich zur intensiven Zusammenarbeit zwischen Molldesign und mir führte.
 
 
Vom Waschbecken zum Fernseher, das klingt ziemlich abenteuerlich!
 
Die grundsätzliche Arbeit unterscheidet sich natürlich: Bei Molldesign war ich ein klassischer Produktdesigner, der eine Aufgabenstellung bekam und daraufhin gestalterisch tätig wurde. Heute habe ich viel mehr Managementaufgaben und auch einen größeren Unternehmensblick, sodass die Kreativität der Gestaltung nur einen Teil meiner Aufgaben ausmacht. Ein großer Vorteil bei Loewe ist, dass die Betreuung deutlich konsequenter erfolgt, und die Designer auf dem Weg bis zum Ergebnis optimal eingebunden werden.
 
 
Haben sich Arbeitsabläufe durch die Computertechnik grundlegend gewandelt?
 
Natürlich gab es zwischen 1991 und 1998 noch nicht die Computerausstattung, wie wir sie heute kennen und erste Waschbecken, an denen ich arbeitete, wurden ohne 3D-Grafiken erstellt. Somit musste ich am Reißbrett mit Bleistift und Tusche sowie Zeichen- und Pergamentpapier versuchen, die Konturen des finalen Objektes möglichst verständlich aufzuzeichnen, was allerdings nicht immer gelang. Bei einer Badewanne zeichnete ich z. B. die Vorgabe für einen Badewannengriff unmissverständlich hinein, doch als ich aus dem Modellbau den ersten Entwurf erhielt, wurde es völlig anders umgesetzt.
 
Wie es der Zufall will, war dieses Missverständnis am Ende der bessere Ansatz, sodass wir diesen Zufallstreff er auch für das finale Produktdesign übernommen haben. Computergrafiken kamen erst am Ende meiner Zeit bei Molldesign auf, aber auch da handelte es sich zunächst um 2D-Grafiken. Bei Loewe hat sich das sehr schnell gewandelt, sodass 3D-Modelle am Computer zum Standard gehörten. Heute hat man mit den modernen Tools alles im Blick, Missverständnisse treten somit nicht mehr auf.
 
 
Früher dominierten die Röhrenfernseher zwangsweise den Raum. Wie viel Gestaltungsspielraum bieten aktuelle Flachbildfernseher eigentlich noch?
 
Wir waren sehr nervös und verunsichert, als 2003/2004 der Technologiewandel kam (von der Bildröhre zur LCD-Technik, Anmerk. d. Red.). Zur Röhrenzeit waren wir bereits Vorbild was leichte, kompakte und straffe Anmutung bei den TV-Geräten anbelangt. Mit dem Technologiewandel stand natürlich die Technik im Vordergrund und wir waren irritiert, dass durch die schrumpfende dritte Dimension, also die immer geringeren Bautiefen, der Gestaltungsspiel immer enger wurde. Doch schnell wurde mir klar, dass dies nicht eine Kastration von Möglichkeiten war, sondern eine Ausweitung. Letztendlich war ein Röhrenfernseher immer ein Tischgerät, mit dem nötigen Unterbau in Ausnahmefällen auch ein freistehendes Gerät.
 
Mit der Umstellung auf die Flachbild-TV-Technik stand als Erstes die Frage im Raum: Was passiert mit der Elektronik? Setzt man die Platinen hinter das Panel oder lagert man die Elektronik in eine Signalbox aus? Auch aufseiten der Lautsprecher haben wir ein modulares System: Ist der Lautsprecher integriert oder extern, seitlich oder darunter, handelt es sich um einen Lautsprecher oder ein ganzes System? Bei den Aufstellungsmöglichkeiten kam die Wandinstallation hinzu, was natürlich ganz neue innenarchitektonische Möglichkeiten schafft . Es gibt also viele Dinge, die sich zum Positiven gewandelt haben.
 
 
Bei aller Zuversicht: Bietet wirklich jeder neue Designtrend einen Mehrwert für den Kunden?
 
Natürlich gibt es Dinge, die rein marketinggetrieben sind, wie die aktuelle Entwicklung des Slim- bzw. Narrow-Frames, also des nahezu rahmenlosen Fernsehers. Dieser Trend hat für den Verbraucher eigentlich keinerlei Nutzen, sondern durch die Werbung wird dem Kunden vermeintliche Modernität suggeriert. Wir haben uns von diesem Trend nie stark beeinflussen lassen, sodass wir nicht in die Verlegenheit kommen, die dünnste Karosserie um das Panel bauen zu müssen. Für mich war immer klar, dass diese Entwicklung zur Entmaterialisierung beiträgt, und die Produkte dadurch immer anonymer werden.
 
Die Fernseher werden zu einer gesichtslosen Gesamterscheinung, sodass im Extremfall nicht einmal mehr Platz für das Markenlogo besteht. Das führt dann letztendlich dazu, dass die Produkte immer vergleichbarer werden. Unsere Philosophie ist, dass wir Trends mitgehen, aber nicht bis zum Exzess, sodass jedes Produkt ein eigenes Gesicht und eine eigene Seele behält. Letztendlich sind unsere Produkte Wohnaccessoires, die wahrgenommen werden wollen, auch wenn sie nicht eingeschaltet sind. Wenn die Geräte spielen, soll sich der Nutzer wiederum voll und ganz auf den Inhalt konzentrieren können.

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