MTV wird heute 30 Jahre alt – wechselhafte Geschichte

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Anfangs gab es viele Pannen, wenig Zuschauer und noch weniger Videos. Doch MTV hat sich zu einer soziokulturellen Ikone entwickelt – und wieder zurück. MTV ist heute ein ganz normaler Sender. Aber als er vor 30 Jahren gegründet wurde, revolutionierte er das Musikgeschäft.

Der Ritterschlag kam mit den Dire Straits. In „Money for Nothing“ flötete 1985 Sting „I want my MTV“, und dann lästerte Mark Knopfler ein ganzes Lied über die Musiksender, die die ganze Bandszene bestimmen würden. DIE Musiksender? Zu der Zeit gab es doch eigentlich nur einen, und der kam im Text ja auch dauernd vor: MTV hat die Achtziger geprägt und die Neunziger regiert. Im dritten Jahrzehnt war die Krone weg, doch MTV ist noch da. Irgendwie. Am 1. August wird das Stück Popkultur 30.
 
Angefangen hatte alles mit Michael Nesmith, dem Ex-Sänger der „Monkees“. Der bemerkte auf einer Plattentournee in Australien den Vorteil der Musikvideos: Die Bands müssen für Fernsehshows nicht bei den Sendern sein und können sich weit besser in Szene setzen als in den Studios. Die Idee traf auf Gegenliebe bei der Musikindustrie, die – wie sich herausstellte völlig zu Recht – einen neuen Markt witterte. Und nicht zuletzt boomten damals gerade die Kabelkanäle in den USA. Nachschub musste her – warum nicht ein Sender nur mit Musikvideos?Symbol der Popkultur – trotzdem nur eine Randerscheinung

 
Es war dann ausgerechnet „Video Killed The Radio Star“, das am 1. August 1981 als erstes MTV-Video über den Sender ging. Mit dabei war ein Deutscher: Am Keyboard steht der heutige Filmmusikkomponist und Oscar-Gewinner Hans Zimmer. Doch so viele Killervideos waren noch gar nicht da. Nicht einmal 170 Kassetten standen damals im MTV-Regal, fast jedes fünfte dabei allein von Rod Stewart. Doch jeder wollte es: Die Musiker, die Plattenfirmen, die Sender – und auch die Zuschauer. Der Musikvideomarkt wuchs nicht, er explodierte.
 
Die Veröffentlichung des Videos wurde bald ebenso wichtig wie die des Liedes. Der Erfolg von Michael Jackson, Madonna oder unzähliger Eintagsfliegen wäre ohne die Minutenclips kaum denkbar. Und eine ganz neue Kunstrichtung entstand. So schuf Regisseur John Landis („Blues Brothers“) für Jacksons „Thriller“ das vielleicht einflussreichste Popvideo der Musikgeschichte. Duran Duran verfeuerten für „Wild Boys“ mehr als eine Million Dollar. Und Mark Knopfler sang im ersten computergenerierten Video: „Money For Nothing“.
 
MTV wurde zu einem Symbol der Popkultur. Wer die Jugend erreichen wollte, musste auf den quietschbunten Kanal mit den schnellen Schnitten und der verwackelten Kamera. Zumindest dachte das jeder. „Wir haben festgestellt, dass der Einfluss gar nicht so groß war, wie jeder dachte“, sagt der Soziologe Klaus Boehnke. Der Professor an der Bremer Jacobs University hatte schon 1999 den Einfluss des Fernsehens auf die Jugend untersucht: „Die Jugendlichen haben Orientierung gesucht: Was trägt man? Welche Trends gibt es? Wie verhält man sich? Da war MTV wichtig, aber es war trotzdem nur eine Randerscheinung. Der Einfluss wurde von all den Medienkritikern überschätzt“.Nachfolgeschmiede für TV-Moderatoren – heute ohne Coolness-Faktor

 
Und trotzdem wurden die Discjockeys, pardon Videojockeys, in denNeunzigern zu Stars. Eine ganze Schar heutiger Showgrößen hat damals beiMTV oder den Konkurrenzsendern angefangen, von Stefan Raab überCharlotte Roche, Heike Makatsch, Oliver Pocher, Christian Ulmen bisMatthias Opdenhövel. Und Kristiane Backer war die Heldin einer ganzenGeneration. Und das sind nur die Deutschen! Aber MTV war mit seinenDutzenden nationalen Ablegern praktisch auf der ganzen Welt zu sehen.
 
Doch das Medium war nicht nur schnell, sondern auch schnelllebig.Musik allein reichte nicht, MTV zeigte immer mehr Filmchen und dannganze Serien. Heute mag der Kanal jugendlicher als andere wirken, einMusiksender ist er nicht mehr. Folglich verschwand im letzten Jahr auchdas „Musik Television“ aus dem Logo. Und in Deutschland kann den Senderseit Jahresbeginn nur noch sehen, wer extra zahlt.
 
Abgesang auf das Musikvideo? Aber nein, sagt der KunstgeschichtlerHenry Keazor, der Clip sucht nur neue Verbreitungswege: „Er kommt überdas Internet, über das Handy und über Live-DVDs. Der Clip diffundiert.“Und auch Boehnke glaubt, dass Jugendliche auch künftig fernsehen: „Esgibt heute einfach mehr Angebote. Und die müssen sich das Interesse derJugendlichen teilen.“
 
Nur der Coolness-Faktor ist längst weg. Den hat noch die Serie „TwoAnd A Half Men“. Darin sagt Jon Cryer, er und sein Bruder seien nichtmehr so jugendlich, „so MTV“. Der andere, Charlie Sheen, guckt ihnentsetzt an: „MTV? Sag‘ mal, haben sie Dich gerade aufgetaut?“[Chris Melzer]

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12 Kommentare im Forum

  1. AW: MTV wird heute 30 Jahre alt - wechselhafte Geschichte MTV ist zurück, nur kann kaum einer den Sender sehen da PayTV.
  2. AW: MTV wird heute 30 Jahre alt - wechselhafte Geschichte Der letzte Satz im Artikel beschreibt MTV genau so wie er heute ist. Danke den Autoren von Two and a half man, die Charlie Sheen den Text zu MTV in einer der ersten Staffeln in den Mund legten.
  3. AW: MTV wird heute 30 Jahre alt - wechselhafte Geschichte MTV ist zwar kein Musiksender mehr. Das wäre im Grunde ziemlich egal. Aber leider ist das aktuelle Programm ziemlicher Müll. RTL-Niveau für Teens halt.
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