Michael Fassbender als blutrünstiger „Macbeth“

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Braucht es wirklich eine weitere „Macbeth“-Verfilmung? Schon so manches Mal hat es Shakespeares Drama auf die Leinwand geschafft, doch Justin Kurzel schafft in seinem neuen Streifen einen Krieger, der in der Gestalt Michael Fassbenders eine atemberaubend zeitgemäße Kraft erhält.

Seit mehr als 400 Jahren meuchelt Macbeth auf den Theaterbühnen dieser Welt. Und auch im Kino hat der machtgierige Herrscher, der seine Gegner stetig skrupelloser beiseiteschafft und so immer neuen Hass und Feindschaft provoziert, bereits seine breite Blutspur hinterlassen. Die Adaptionen des gleichnamigen Shakespeare-Versdramas von 1606 durch die Leinwandgenies Orson Welles (1947), Akira Kurasawa („Das Schloss im Spinnwebwald“, 1957) und Roman Polanski (1971) gehören dabei zu den unvergessen spektakulärsten. Braucht die Welt also wirklich eine neue Verfilmung des im urwüchsigen Schottland des elften Jahrhunderts angesiedelten „Macbeth“-Stoffs?
 
Genau der richtige Film zur richtigen Zeit, mag man ausrufen. Immerhin kann einen die extrem bildstarke, rau-emotionale Interpretation des Australiers Justin Kurzel mit den charismatischen Stars Michael Fassbender (demnächst in „Steve Jobs“) und Marion Cotillard (Oscar-gekrönt für „La vie en rose“) als mörderischem Fürstenpaar packen. Kritiker würdigten das Werk bereits als textlich reduzierten, aber äußerst eindringlichen „Shakespeare für die „Game of Thrones“–Generation“.

Zwar belässt Regisseur Justin Kurzel, der sich mit dem Serienmord-Thriller „Snowtown“ einen Namen gemacht hat, seinen naturalistischen „Macbeth“ betont und mit Akribie in der Ausstattung im Mittelalter. Und doch wirkt die Produktion zugleich, als sei sie eine Deutung der diversen Machtkämpfe im Nahen Osten mit ihren vielen gnadenlosen Kriegern – und entsprechenden Frauen. Kämpfe, die uns durch die Asylantenströme aus der Region auf einmal hautnah gerückt sind.
 
In fahlen, fast farblosen Szenarien zeigt Kurzel zunächst drastisch-direkt, was der britische Dramatiker in seinem Stück nur in Worten schildern lässt: Was der Krieg mit Männern macht. Die Schlacht, aus der Macbeth und sein getreuer Banquo (Paddy Considine) eingangs dank ihrer Kühnheit siegreich hervorgehen, ist wegen der nahe am Bodenmatsch angebrachten Kameras in ihrer Brutalität wie in Zeitlupe zu erleben: In einsamer, unwirtlich-karger Hochlandnatur, eingehüllt in Kälte und Nebel, gehen brüllende Soldaten, oft mit Kindergesichtern, kaum geschützt auf einander los und stechen einander ab. Hält sich Macbeth danach noch immer für einen Mann der Mäßigung, ist es doch für seine ehrgeizige Frau leicht, ihn mit Sex und süßen Worten in ein Monster zu verwandeln: Den gütigen König Duncan (David Thewlis) soll er umbringen, um nach der Weissagung dreier Hexen selbst König zu werden – und sie Königin.
 

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Während eine Untat schnell die andere nach sich zieht – so lässt Macbeth die gesamte Familie seines Widersachers Macduff (Sean Harris) hinrichten –, wird der Titelheld unaufhaltsam fanatischer („von Skorpionen voll ist mein Gemüt“) und größenwahnsinniger. Seine Frau hingegen suchen die Dämonen ihrer Schuld heim, fiebrig nachtwandelt sie und stirbt im Wahn.
 
Bei alledem spielt die Kinogeschichte auf die Rolle falsch verstandener Religiosität an: Wichtige Kulissen bilden eine kleine (Film-)Feldkapelle sowie die Kathedrale von Ely in Südengland, ein im elften Jahrhundert begonnener Prachtbau von ornamentaler Schönheit. Diese Rahmen verweisen auf das Selbstbewusstsein des Herrscherpaars in seiner als gottgewollt angesehenen Stellung. Sie betonen im Kontrast aber auch das so gottferne, erzböse Treiben beider Tyrannen.
 
Kurzels „Macbeth“ beginnt mit der Beerdigung des einzigen Kindes des Antihelden: Macbeth legt ihm Steine in die Augenhöhlen, bevor man es in der öden Landschaft verbrennt. Jungen und Mädchen als Erben von Krieg und Grausamkeit wirken dann wie ein Leitmotiv in dem folgenden Geschehen. Nicht nur werden – wie tatsächlich in Geschichte und Gegenwart – Halbwüchsige in die Kriege eingezogen. Am Ende scheint die Saat der Gewalt auch schon bei den Jüngsten aufzugehen: Fleance, Banquos kleiner Sohn und laut Hexen-Orakel zukünftiger König, nimmt Macbeths Kriegsschwert in die Hand und geht dem Morgenrot entgegen.Kinokritiken im Überblick
[Ulrike Cordes/fs]

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  • Inhalte_Kino_Artikelbild: © Romolo Tavani - Fotolia.com

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