Misfits (2. Staffel)

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Prämierte Superhelden-Serie

Ob „Heroes“ oder „Smallville“ – sämtliche Superhelden-Serien erscheinen blass und einfallslos gegenüber diesem kleinen Juwel, das im kultverwöhnten Groß Britannien mit dem BAFTA-Award gleich dreimal den wichtigsten Fernsehpreis überhaupt erhielt.

Wie lässt sich die derzeit abgedrehteste, frischste und unvorhersehbarste Serie der Welt eigentlich am besten beschreiben? Ein Plot, der sich um fünf asoziale Twens dreht, klingt zunächst einmal nicht sehr attraktiv. Die innovativen Darstellungsformen, der Genre-Mix aus Drama und Comedy, die skrupellosen Plot-Twists sowie die glaubhaft sympathischen Hauptdarsteller hingegen machen die Serie zum popkulturellen Meilenstein. Die Protagonisten haben Beziehungsprobleme, die eine oder andere Leiche im Keller (meistens ihre Bewährungshelfer), Drogenprobleme, abgefahrene Gelüste (Sex mit Rentnern oder Tieren sind nur einige der Tabuthemen, die hier schamlos aufgegriffen werden) und sind auch sonst in keinster Weise gesellschaftsfähig. Größter Aufmerksamkeits-Jäger ist der charismatisch fiese Sprücheklopfer Nathan Young (grandios: Robert Sheehan).
 
Er bildet den narrativen Dreh- und Angelpunkt der Serie und wäre wohl der Anführer der Superheldengang, wenn es denn eine wäre. Ein übernatürliches Gewitter versah die Sozialstunden-leistenden Straftäter zwar mit besonderen Kräften, an ihrer Einstellung änderte das jedoch nur wenig. Bei den Fähigkeiten handelt es sich um verstärkte Charaktermerkmale wie etwa Kellys (Lauren Socha) Probleme mit der Sprache. Durch die Kraft hört sie die Gedanken der anderen. Läufer Curtis (Nathan Stewart-Jarrett) dreht im Notfall die Zeit zurück, der unscheinbare Nerd Simon (unschlagbar vielseitig: Iwan Rheon – bald in der dritten Staffel von „Game Of Thrones“ zu sehen) kann unsichtbar werden und die komplexbehaftete Alisha (Antonia Thomas) macht jeden rattenscharf, der sie berührt. Was Nathan betrifft, so darf das Publikum die ganze erste Staffel über raten, welche Superkraft der selbstverliebte Idiot wohl hat. Gemeinsam kämpfen sie gegen den guten Geschmack, Prüderie, falsche Götter und das Bedürfnis, echte Superhelden sein zu wollen.

Simons Wandel

Wie schon die erste Staffel sprüht jede der sieben neuen Episoden (inkl. X-Mas-Special) förmlich vor Kreativität, sodass der Zuschauer nicht weiß, was ihm in der kommenden Folge blüht. Beispielsweise sorgen die verborgenen Kräfte anderer Betroffener für allerlei Chaos – sei es der Typ, der Milchprodukte telekinetisch beeinflussen kann, der Videospieler, der seine „GTA“-Fantasien in der Realität auslebt, die Droge, die sämtliche Kräfte umkehrt, oder der mysteriös vermummte Parcours-Läufer, der bereits in der ersten Staffel auftrat und alles über die Misfits zu wissen scheint. Über eins sollten sich die Fans aber im Klaren sein – am Ende dieser Staffel wird nichts mehr so sein wie früher. Und das betrifft keineswegs nur das verrückte Beziehungsroulette, das die Zuschauer mit mehr Sex konfrontiert, als in der ersten Staffel. Übrigens ist auch der Gore-Gehalt höher. Dennoch besitzt die aktuelle Box eine FSK-16-Freigabe (im Gegensatz zur FSK-18-Box der ersten Staffel). Als Fans sind wir begeistert davon, dass auch  die neuen Episoden nichts an Tempo verloren haben und verleihen daher das Prädikat: Mordsmäßig unterhaltsam!
 
Obwohl die Serie die Tilt-Shift-Technik exzessiv nutzt (kleiner Fokuspunkt mit großer Unschärfe rund herum), sind die fokussierten Protagonisten ultraklar, detailreich und mit einer überdimensionalen Kantenschärfe versehen. Für den tristen Vorstadt-Look zwischen den Londoner Plattenbauten wurden die Farben in ihrer Sättigung reduziert und der Kontrast erhöht. Oft wird in diesem Zusammenhang auch eine Überbelichtung simuliert bzw. riskiert. Der surreale Soundtrack hält viele Überraschungen bereit, darunter den Titelsong der erstklassigen Crime-Serie „Luther“ (ebenfalls von der BBC produziert), simulierte Videospiel-„Mucke“ und trippige Clubmusik. Ach ja, weihnachtlichen Gesang haben die Misfits auch noch zu bieten. Das 5.1-Potenzial wurde hier nicht genutzt, dafür stimmt die Soundqualität.
(Falko Theuner)

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