„Mordkommission Berlin 1“: Wie Sat.1 sein Image polieren will

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Sat.1 hat in den letzten Wochen vor allem mit gefloppten Serien auf sich Aufmerksam gemacht, nun will der Privatsender sein Image mit einer Gangstergeschichte aufpolieren. Doch kann „Mordkommission Berlin 1“ das Bild wirklich wieder gerade rücken?

Es klingt erstmal wie ein ganz normaler Fernsehabend: Kriminalfall, 20.15 Uhr, 122 Minuten. Aber für den Sender Sat.1 ist „Mordkommission Berlin 1“ etwas sehr Besonderes. Die groß als TV-Event angekündigte Ermittlergeschichte aus dem Berlin der „Goldenen 20er“ Jahre soll nach den Flops der vergangenen Monate an diesem Dienstag (20.15 Uhr) wieder für Aufwind sorgen.
 
„Das ist wirklich großes Kino fürs Fernsehen“, verkündete der neue Sat.1-Geschäftsführer, Kaspar Pflüger, bei der Vorabpremiere in Berlin vor wenigen Tagen. Der 38-Jährige ist erst seit Mitte Oktober Nachfolger von Nicolas Paalzow, der wegen schlechter Quoten und gekippter Sendungen seinen Platz räumte.

Nun also „Mordkommission Berlin 1“. Der Film ist natürlich kein Kinofilm, aber er ist spannend erzähltes, gut gemachtes und unterhaltsames Fernsehen. Angelehnt an die Figur des legendären Berliner Kriminalkommissars Ernst Gennat (1880-1939) spielt Friedrich Mücke („Friendship!“) den unbestechlichen Ermittler Paul Lang, der in der Berliner Unterwelt aufräumen will.
 
Ihm zur Seite steht Shootingstar Frederick Lau, für seine Hauptrolle im Echtzeit-Thriller „Victoria“ mit der Goldenen Lola ausgezeichnet. „Wir sind ein bisschen wie Sherlock und Watson“, sagt der 26-Jährige, der mit zeitgemäßen Knickerbockern und Nickelbrille seinem eleganten Chef Lang zur Hand geht. Im plüschig-verruchten Varieté „Irrgarten“ (heute: „Wintergarten“) sind sie der stadtweit herrschenden Gangsterbande der „Krokodile“ auf der Spur.
 
Mit dem einstigen Anführer des Ringvereins (Tobias Moretti) verbindet den Hauptkommissar eine denkbar düstere Geschichte: Er brachte ihn einst hinter Gitter – der Gangsterboss revanchierte sich dafür noch aus dem Gefängnis heraus mit einer Paketbombe, die Langs Frau und Tochter umbrachte und ihn selbst schwer verletzte. Bis heute muss er sich regelmäßig seinen Schuss Morphium setzen.
 
„Mich hat an dieser Figur die Getriebenheit fasziniert, aber auch die Widersprüchlichkeit“, sagt Mücke in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Übrigens: Nur einen Tag später ist der 34-Jährige erneut in einer Hauptrolle zu sehen – in dem ARD-Aids-Film „Unter der Haut“ (2. Dezember, 20.15 Uhr).
 
Als in „Mordkommission“ Langs Freund, Staatsanwalt Barnekow, zerfetzt im Krokodilsbecken aufgefunden wird, entbrennt ein Duell auf Leben und Tod. Mit dabei die verführerische Varieté-Besitzerin Irma Berger (Antje Traue), ihr skrupelloser Zuhälter Viktor Parkov (Oliver Masucci, derzeit als Hitler in der Kinosatire „Er ist wieder da“ erfolgreich) und die fliegende Sekretärin Masha Kampe (Emilia Schüle).
 
Regisseur und Horrorexperte Marvin Kren („Rammbock“, „Blutgletscher“) inszenierte die Geschichte nach dem Drehbuch von Arndt Stüwe und Benjamin Hessler mit viele Liebe zum Detail. Am Drehort Prag fängt er die Stimmung vom „Tanz auf dem Vulkan“ zwischen den beiden Weltkriegen in Berlin packend ein.
 
Und der Sender tut alles, um die Spannung schon vorab anzukurbeln. Auf der Homepage gibt’s zahllose Videoclips, Interviews mit den Schauspielern und „Tutorials“ zum Lifestyle der Zeit – vom „How to – Wasserwelle“ bis zum Charleston-Kurs. Am Sendetag läuft nach dem Film noch die Dokumentation „Der erste Bulle – Wie Ernst Gennat die moderne Polizeiarbeit erfand“ (22.20 Uhr).
 
Ob das hilft? Zuletzt hatte der Münchner TV-Anbieter immer wieder Sendungen gekippt, weil die Zuschauer zu wenig Interesse zeigten. So wurde die groß als Gesellschaftsexperiment angekündigte Reality-Reihe „Newtopia“ im Frühsommer abgebrochen. Im Sommer verschob Sat.1 die neue Serie „Mila“ zum Schwestersender Sixx. Und auch die Serie „Frauenherzen“ um 20.15 Uhr verschwand.
 
Vorsorglich haben die Macher jetzt einen kleinen Glücksbringer in den Film geschummelt. In Anspielung auf den Sendetag haucht die perfekt wassergewellte Barbesitzerin Irma in ihrem Schluss-Song ins Mikrofon: „Maybe Tuesday will be my good newsday“ – Vielleicht wird der Dienstag für mich ein Tag guter Nachrichten. [Nada Weigelt/fs]

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31 Kommentare im Forum

  1. Laut Programmzeitschrift hat dieser Film eine Nettospielzeit von 93 Minuten und eine Bruttospielzeit von 160 Minuten. Toll, 67 Minuten Werbung. Damit hat der Film (und der Sender SAT 1) bei mir schon wieder verloren.
  2. Wenn man den Zuschauern (gemeint sind hier hauptsächlich die mit guter Allgemeinbildung) seit vielen Jahren nur ein Unterschichten-Programm anbietet, braucht man Ende 2015 auch nicht mehr versuchen, sein Image aufzupolieren. Gleiches gilt selbstverständlich auch für die RTL Sender. Da ist man ja maßlos über die Quote von Deutschland 83 enttäuscht. Kein Wunder
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