Nach langer Pause: Deutscher Kommunikationssatellit vor Start

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Bild: © jim - Fotolia.com
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Fast ein Vierteljahrhundert ist der Bau des letzten deutschen Satelliten her, mit dem „Hispasat 36W-1“ der Bremer Firma OHB steht nun ein Millionen-Projekt vor dem Start. Der Kommunikationssatellit soll am Freitag starten.

Wenn die Sojus-Rakete auf ihrem Feuerstrahl ins All gelangt ist und ihre High-Tech-Fracht erfolgreich ausgesetzt hat, dürfte Andreas Lindenthal ein ziemlich großer Stein vom Herzen fallen. „Die Nervosität steigt“, sagt das Vorstandsmitglied des Bremer Satellitenbauers OHB bei der Vorstellung der neuen Satellitenplattform SmallGEO am Montag.

Hoffnungsvoll blickt Lindenthal auf die Nacht zum kommenden Samstag (28. Januar). Dann soll vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana eine Trägerrakete mit dem ersten Satelliten aus der Baureihe SmallGEO starten, mit der die deutsche Industrie verlorenes Terrain im Weltraummarkt zurückerobern will.
 
Seit rund 25 Jahren ist in Deutschland kein Telekommunikationssatellit mehr gebaut worden. „Wir waren da schon mal gut unterwegs, haben das aber ein bisschen verloren“, sagt Gerd Gruppe, Vorstandsmitglied beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
 
Die neue Satellitenplattform SmallGEO ist für das Bremer Unternehmen OHB, das bislang Satelliten mit niedrigeren Flughöhen baute, ein Sprung in eine andere Liga. „Der Kommunikationsmarkt ist der größte Satellitenmarkt, das heißt der umkämpfteste“, sagt Lindenthal. Dort tummeln sich Schwergewichte wie Boeing in den USA sowie Thales Alenia Space und die Airbus-Raumfahrtsparte, die Satelliten in Frankreich bauen.
 
SmallGEO entstand unter einem Technologieförderungs-Programm der Europäischen Raumfahrtagentur Esa. Rund zehn Jahre lang hat OHB daran gearbeitet. Der erste Satellit, der auf der Plattform SmallGEO basiert und nun ins All geschickt wird, heißt „Hispasat 36W-1“. Er wurde als öffentlich-private Partnerschaft mit dem spanischen Satellitenbetreiber Hispasat gebaut.
 
„Es ist der größte Satellit, den OHB jemals gebaut hat“, sagt Lindenthal und beziffert die Kosten inklusive der Nutzlast mit rund 400 Millionen Euro. Insgesamt sind für die Entwicklung und den Bau von SmallGEO nach DLR-Angaben mehr als 300 Millionen Euro öffentliche Förderung geflossen, Deutschland steuerte rund 150 Millionen Euro bei.
 
Satelliten bestehen aus zwei Teilen, der Plattform und der Nutzlast. „Die Nutzlast ist das, was der Kunde will“, erklärt Frank Bensch vom DLR. Also zum Beispiel Kommunikationstechnik, mit der ein Betreiber dann kostenpflichtige Dienste anbieten kann. Als Grundlage dafür braucht es die Plattform: das mechanische Gerippe, das etwa die Stromversorgung sicherstellt und die Position regelt.
 
SmallGEO ist eine Plattform für kleine geostationäre Satelliten mit einem Startgewicht von bis zu 3,5 Tonnen. Geostationäre Satelliten kreisen in einer Höhe von etwa 36 000 Kilometer Höhe um die Erde – so, dass sie sich möglichst immer über dem gleichen Punkt der Erdoberfläche befinden.
 
Ursprünglich sollte der erste SmallGEO-Satellit schon 2012 ins All starten, doch es gab große Verzögerungen. „Ich muss zugeben, dass wir bei der Satellitenentwicklung die ein oder andere Lektion lernen mussten“, sagt Lindenthal. Es habe länger gedauert als gedacht, technische Probleme zu lösen. OHB und auch die Esa hätten die Komplexität zunächst unterschätzt.
 
Der Großteil des Marktes für geostationäre Telekommunikationssatelliten, von denen weltweit etwa 20 im Jahr gebaut werden, sind große Geräte mit einem Gewicht von um die sechs Tonnen. „Deswegen besetzen wir damit sozusagen eine Marktnische, die aber interessanterweise jetzt gerade durch neue technische Innovationen immer attraktiver wird.“ Derzeit seien etwa 20 Prozent kleinere Satelliten – er sei überzeugt, dass der Anteil doppelt so groß werden könnte.
 
Hintergrund ist die Entwicklung von voll-elektrischen Antrieben, die das Treibstoffgewicht in Zukunft deutlich reduzieren sollen. Damit könnten Satelliten bei gleichem Gewicht mehr Nutzlast transportieren, bei SmallGEO wären das etwa 900 statt derzeit 450 Kilogramm Nutzlast. Die elektrische Variante soll 2021 erstmals starten. Das ist auch deshalb interessant, weil kleinere Satelliten kleinere Trägerraketen brauchen. Allerdings benötigen Elektro-Satelliten länger für den Flug zum Zielorbit.
 
Die Chefin der Telekom-Abteilung der Esa, Magali Vaissière, begründet Entwicklungs-Partnerschaften wie bei SmallGEO auch mit dem Wettbewerb aus den USA. Da es in Europa kein Gegenstück zu den hohen Forschungs- und Entwicklungsausgaben des US-Verteidigungsministeriums gebe, müssten öffentlicher und privater Sektor zusammenarbeiten. „Satellitenkommunikation ist der Wirtschaftsmotor des Raumfahrtsektors“, sagt sie. [Sebastian Kunigkeit/buhl]

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