Neuer Schweizer „Tatort“ zwischen Narren und Mördern

0
33
Bild: Destina - Fotolia.com
Bild: Destina - Fotolia.com

Im neuen „Tatort“ aus der Schweiz sind die Narren los: Während tausende Verkleidete in der Luzerner Innenstadt die Fastnacht feiern, nutzt einer von ihnen die Anonymität zum Töten. Den Ermittlern wird dabei schnell klar, dass mehr hinter der Tat steckt als nur Rache.

„Tatort“ im Narrentrubel: Zehntausende feiern in der Luzerner Altstadt den „Schmotzigen Dunschtig“. Da wird inmitten des lärmenden Umzugs zum Auftakt der alemannischen Fastnachtszeit ein Mann mit einem riesigen Dolch erstochen. Der Täter – maskiert natürlich – flieht unerkannt. Das Opfer hat der Zuschauer schon in den Anfangszenen als miese Figur kennengelernt. Ein verklemmter Geldsack-Typ, der eine Prostituierte mit Knockout-Tropfen betäubt und misshandelt. Wurde der Fiesling aus Rache dafür ermordet?
 
Der Krimi „Schmutziger Donnerstag“ an diesem Sonntag (20.15 Uhr) ist der vierte Eidgenossen-„Tatort“, seit das Schweizer Fernsehen 2012 wieder die Zusammenarbeit mit der ARD an der Reihe aufnahm. Er beginnt mit aufregenden, spannungsvoll geschnittenen Bildern. Man erkennt, woran der Regisseur nach eigenem Bekunden anknüpfen wollte – an Filme aus der großen Zeit der amerikanischen Krimis in den 1960er und 1970er Jahren von Meistern wie Sydney Pollack oder Sidney Lumet.
 
„Es sind Filme mit einer fast dokumentarischen Filmsprache, aber trotzdem rasant, cool und bewusst in ihren Bildern“, sagt Dani Levy. „Die Realität steht im Vordergrund.“ Auf dieselbe Höhe wie Pollack oder Lumet katapultiert sich der Schweizer Regisseur, der 2005 mit seiner Kinokomödie „Alles auf Zucker!“ die wichtigsten Deutschen Filmpreise einheimste, mit seinem ersten „Tatort“ zwar noch nicht. Aber das Nacheifern hat – abgesehen von wenigen eher ratlos statt rasant wirkende Szenen – einen insgesamt gut gelungenen TV-Krimi hervorgebracht.
 
„Schmutziger Donnerstag“ gehört in der „Tatort“-Reihe zu den unverwechselbaren Filmen – maßgeblich dank einer bestens gelungenen Einbeziehung des realen Luzerner Fastnachtstreibens. Real war auch der Zoff, den es rings um die Dreharbeiten vor einem Jahr gab. In Luzern waren nämlich Gerüchte aufgetaucht, der aus Basel stammende Levy betätige sich mit seinem ersten in der Schweiz produzierten Film als Rufschädiger.
 
Das Treiben der Narrenzünfte am Vierwaldstättersee und deren uralte Traditionen sollten in ein schlechtes Licht gerückt werden, munkelte man. Es bedurfte einer gemeinsamen Erklärung des Schweizer Fernsehens, der TV-Produktionsfirma Zodiac und der Stadtverwaltung, um die Gemüter zu beruhigen: Niemand verbinde mit dem Krimi die Absicht, „den Ruf der Luzerner Fastnacht zu schädigen“. Es sei aber „klar, dass Ermittlungen zwischen Maskierten, im Fötzeliregen oder neben den uns allen bekannten Alkoholleichen zum einen oder anderen Schmunzler führen“.

Punkt fünf Uhr beginnt an jedem Donnerstag vor Aschermittwoch die Luzerner Fastnacht mit dem „Urknall“. Danach geht der „Fötzeliregen“ aus Millionen von Altpapierschnipseln auf die feiernden Heerscharen nieder. All das wirkt im „Tatort“ authentisch, weil es echt und gut ins Bild gesetzt wurde. Das Schmunzeln vergeht einem allerdings, als der Blick nach einem zweiten brutalen Dolchmord hinter die Kulissen des alljährlichen Fröhlichkeitsausbruchs wandert.
 
Da werden Abgründe eines Beziehungsgeflechts von Geld, Macht und zur Schau getragener Kameradschaft in einer Narrenzunft beleuchtet. Bald wird klar, dass die Mord-Ermittler Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) sich die – natürlich fiktive – „Zunft der Wächter am Pilatus“ genauer anschauen müssen.
 
Ihr hatte auch der ermordete Prostituierten-Quäler angehört – der nur scheinbar ehrenwerte Chef des städtischen Bauausschusses, der ein teures Doppelleben dank Korruption finanzieren konnte. Spätestens als der Fastnachts-E.T. mit dem rotleuchtenden Finger die Maske abnimmt, weiß der Zuschauer Bescheid.
 
Dass sich Flückiger und Ritschard hingegen erst noch härter ins Zeug legen müssen, ehe sie Mörder und Motiv auf die Spur kommen, tut der Spannung keinen Abbruch. Es macht mehr Spaß als in den ersten Filmen, ihnen zuzuschauen, denn nun können die Kommissar-Darsteller endlich mehr Charakter zeigen, gewinnen Konturen, lassen Ecken und Kanten erkennen, Stärken und Schwächen. Das macht sie wiedererkennbar, liebenswert und weckt Neugierde auf weitere Folgen.
 
Auch das ewige Sonderproblem Schweizer Filme in Deutschland ist diesmal besser gelöst worden: Sie müssen synchronisiert werden, weil „Schwizerdütsch“ dort nur von sehr wenigen verstanden wird. Bei früheren Eidgenossen-„Tatorten“ ging dabei viel Kolorit verloren. Diesmal ist das Hochdeutsche recht unverkrampft mit schweizerdeutschen Begriffen verflochten.

[Thomas Burmeister/fm]

Bildquelle:

  • Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com

0 Kommentare im Forum

Alle Kommentare 0 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum