Newcomer vs. Platzhirsche: Wer gewinnt die TV-Schlacht?

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Die Münchner Medientage zeigen: Streamingdienste sind auf dem Vormarsch. Allein Netflix kündigte fünf neue deutsche Produktionen an. Doch die Platzhirsche geben sich nicht geschlagen.

Ihre Nachricht platzierte Kelly Luegenbiehl strategisch geschickt: Zu Beginn der Münchner Medientage verkündete die Programmchefin des Streamingdienstes Netflix, von kommendem Jahr an gleich fünf neue in Deutschland produzierte Fictionstoffe an den Start zu schicken. Die alt eingesessene TV-Branche horchte auf, reagierte aber distanziert auf die Offensive des US-amerikanischen Unternehmens, das auch in anderen europäischen Ländern die Produktion ankurbeln will.

„Wir müssen uns hier in Deutschland nicht verstecken“, sagte der Chef der Produktionsfirma UFA, Nico Hofmann. Die Leistung von Netflix und Co. sei zwar anerkennenswert. „Aber es ist eine Fehlentscheidung, dass wir von Netflix wachgeküsst werden müssen“, so Hofmann. Als Beispiel nannte er Serienproduktionen wie „Bad Banks“ im ZDF oder „Club der roten Bänder“ auf Vox. Sein Auftragsbestand bei der UFA weise nach wie vor einen Anteil von 93 Prozent von den klassischen Anbietern wie ARD, ZDF oder RTL aus. Die UFA hat allerdings für Amazon Prime Video die Serie „Deutschland 86“ gedreht.
 
Die stellvertretende ZDF-Programmdirektorin Heike Hempel unterstrich, dass ihr Sender seit 1963 sogenannte „Originals“ produziere, wie Eigenproduktionen in der Sprache der Streamingdienste heißen. Derzeit sind es etwa 150 Filme und 300 Serienepisoden pro Jahr. „Wir haben eine andere wirtschaftliche Zielsetzung und ein komplett anderes Geschäftsmodell“, sagte Hempel. „Wir machen nämlich Fernsehen für alle, nicht für eine Elite, die vorwiegend gut verdient, gut gebildet ist und im großstädtischen Umfeld wohnt.“
 
Hempel verwies auf die stärker werdende Nutzung der ZDF-Mediathek, die derzeit rund 2,7 Millionen Sichtungen pro Tag verzeichnet. Bei manchen TV-Projekten ist sie überdurchschnittlich gefragt. So hätten zum Beispiel 15 Prozent der Fans die Serie „Bad Banks“ in der Mediathek verfolgt.
 
Netflix-Programmchefin Luegenbiehl ließ sich dadurch nicht beirren. „Bei Netflix wollen wir einheimische Geschichten erzählen, die global verstanden werden“, sagte Luegenbiehl mit Blick auf den hiesigen Markt. Jedes der Projekte sei einerseits unverkennbar deutsch und stelle andererseits bei Zuschauern auf der ganzen Welt ein „universelles Gefühl von Verbindung her“. Nach Angaben der Programmchefin sei es wichtig gewesen, verschiedene Genres anzugehen, um zu testen, welches sich am besten eigne. Die neuen Serien sind in den Bereichen Mystery, Krimi und Comedy anzusiedeln.
 
Offen ließ Luegenbiehl die Höhe der Investitionen. Auch machte sie – wie üblich bei Netflix – keine Angaben über die Zahl der deutschen Kunden. Sie sprach jedoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur von einer wachsenden Abo-Gemeinde. Mit den Plänen, die Europa-Produktionen anzutreiben, kommt der Streamingriese der EU-Absicht zuvor, den europäischen Programmanteil der US-Konzerne auf 30 Prozent festzulegen. 
 
Rückenwind erhalten die Streamingpläne durch die wirtschaftlichen Prognosen: Die deutsche Medien- und Unterhaltungsindustrie wird in den nächsten fünf Jahren laut einer Studie auf Wachstumskurs bleiben. Bis 2022 prognostiziert die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers (PwC) für die Branche ein durchschnittliches Jahresumsatzwachstum von 1,8 Prozent auf 66,2 Milliarden Euro.
 
2017 steigerte sich der Umsatz bei einem Plus von 2,1 Prozent auf 60,6 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr. Treiber der Entwicklung werden laut PwC vor allem junge Leute zwischen 14 und 29 Jahren sein – sie nutzen dem Digitalisierungsbericht 2017 der Landesmedienanstalten zufolge inzwischen mehr die Angebote der Streamingdienste als das traditionelle, lineare Fernsehen.
 
 
In diesem Alterssegment machten im Jahr 2017 44 Prozent von Video-on-Demand-Angeboten im Netz Gebrauch. Das klassische Fernsehen war in dieser Altersgruppe noch bei 38 Prozent gefragt. „VoD-Dienste werden vor allem bei jungen Leuten immer beliebter, sagte Werner Ballhaus, der für die Studie verantwortliche Leiter des PwC-Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation. „Sie wollen Filme und andere Sendungen zeitlich flexibel sehen.“[dpa/tk]

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