„Nightcrawler“ – Gyllenhaal als Soziopath in Hochform

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Jake Gyllenhaal ist als Tatortfilmer auf der Suche nach den besten, blutigsten Bildern und überschreitet dabei Grenzen. Im düsteren Thriller „Nightcrawler“ spielt Gyllenhaal die Rolle seines Lebens – und wird als Oscar-Kandidat gehandelt.

Ausgemergelt, mit durchdringendem Blick aus riesigen Augen in dunklen Höhlen umschleicht er seine Opfer, linkisch beobachtet er sie, um dann mit seiner Kamera zu filmen. Lou Bloom ist ein Emporkömmling, der für Geld und Erfolg alles tut. Und er gleicht in jeder seiner Bewegungen, in jedem Blick, in jeder Handlung einem Kojoten im Großstadtdschungel von Los Angeles. Jake Gyllenhaal spielt diesen durch und durch unsympathischen Soziopathen in „Nightcrawler“ grandios und mit jeder Faser seines Körpers.

Lou ist ein Kleinkrimineller, der sich sein Geld mit Metalldiebstählen verdient. Ausgerechnet bei dem Schrotthändler, dem er seine Ware anbietet, will er für einen ehrlichen Job anheuern. Doch der Händler gibt ihm unmissverständlich zu verstehen, dass er zwar Geschäfte mit Dieben macht, aber sie sich nicht in das eigene Haus holt. So funktioniert die moderne Welt, in der jeder auf seinen Profit und zugleich auf eine reine Weste bedacht ist. Eine Doppelmoral, die sich Lou später mehr als erfolgreich zunutze machen wird – ohne jegliche Bedenken.
 
Auf einem seiner nächtlichen Beutezüge beobachtet er einen Unfall und sieht einen Tatortfilmer, der ohne Rücksicht auf Opfer und Helfer die Rettung in Bildern einfängt. In den Morgennachrichten sieht Lou genau diese Bilder. Rasch ist ihm klar, dass mit solchen Aufnahmen schnell viel zu verdienen ist. Kurzum stiehlt er am Strand von Los Angeles ein Fahrrad, macht es zu Geld und kauft sich davon eine Handkamera. Schon da spürt man, dass dieser Mann nicht an den Strand mit fröhlichen Menschen gehört. Lou agiert in der Dunkelheit der Nacht.
 
Fortan streift er mit Polizeifunk im Ohr durch die nächtliche Großstadt, filmt Autounfälle, Überfälle und Tote und verkauft die Bilder an die schwächelnde Morgensendung der Redakteurin Nina (Rene Russo). Die bescheinigt ihm nicht nur ein gutes Auge, sondern vor allem erhofft sie sich bessere Einschaltquoten. Früh ahnt sie zwar, dass Lou jegliche moralische Grundsätze missachtet. Doch der Erfolg lässt sie ihre Zweifel schnell vergessen.
 

Es ist der komplette Mangel an Empathie, der Lou zu dem erfolgreichsten Tatortfilmer macht. Hinzu kommt ein ausgeprägtes Fehlen an Unrechtsbewusstsein. Er liefert dem Publikum die Bilder, die es sehen will und manipuliert dafür auch schon mal die Tatorte, geht über Leichen. Er selbst distanziert sich durch den Sucher seiner Kamera vom Geschehen, hält Distanz zu den Grausamkeiten. Immer ordentlich gekleidet, übertrieben höflich, kann sich keiner so recht Lou entziehen. Seine äußere Korrektheit konterkariert sein Handeln.
 
Da mag ein wenig Einsamkeit dieses Sonderlings durchschimmern, die Sucht nach Anerkennung. Doch dieser zwanghafte Mensch bleibt einem fremd. Man kann diesen Film als Medienschelte verstehen, als Gesellschaftskritik. „Nightcrawler“ ist aber in erster Linie ein düsterer und beklemmender Thriller, der mitunter ein wenig an der Oberfläche bleibt, wie sein Protagonist, den der wandlungsfähige Gyllenhaal so großartig spielt.Kinokritiken im Überblick
[Britta Schmeis/chp]

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