Privat-TV: Milliarden-Werbeeinahmen, aber sinkende Marktanteile

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Gute viereinhalb Milliarden Euro zahlt die Industrie jährlich, um ihre Werbebotschaft in den klassischen TV-Sendern zu platzieren. Um die Braut aufzuhübschen, inszenieren die Sender eine Verkaufsshow.

Am Mittwoch und Donnerstag zelebrieren gut 40 deutsche TV—Sender in Köln eine gigantische Verkaufsshow für die Werbeindustrie. Es geht um Einnahmen von mehr als viereinhalb Milliarden Euro, die jährlich durch Reklamebotschaften zusammenkommen. Also werden auf den „Screen Force Days“ rund 2000 Fachbesuchern die Programme der kommenden Saison präsentiert, damit sie auch künftig wieder fleißig Werbung schalten. Auf der Party am Mittwochabend etwa sollen Die Fantastischen Vier für Stimmung sorgen. Die Werbetreibenden, die das Spektakel letztlich bezahlen, verfolgen den Auftrieb eher mit einer gewissen Skepsis.
 
Denn während die Werbepreise immer teurer werden, gehen die Einschaltquoten im Fernsehen immer mehr zurück. So haben die drei großen Privatsender – RTL, ProSieben und Sat.1 – im Jahr 2016 bei der Zielgruppe der 14- 49-jährigen Zuschauer, die früher das Maß aller Dinge für die werbetreibende Industrie sein sollte, gemeinsam einen Marktanteil von 31,9 Prozent erreicht. Noch 2011 lag dieser Wert bei 40,7 Prozent. Allerdings werden die Verluste teilweise durch neue Spartenkanäle aus den Senderfamilien wieder aufgefangen.

Aber inzwischen schauen nur noch etwas mehr als die Hälfte aller Zuschauer die großen acht Vollprogramme. „Wir sehen es seit Jahren sehr kritisch, dass die Nettoreichweiten sinken und wir immer mehr Geld ausgeben müssen, um das gleiche Publikum wie früher zu erreichen“, kritisiert Uwe Storch, stellvertretender Vorsitzender der Organisation Werbetreibende im Markenverband (OWM). Gleichzeitig steige der Wettbewerbsdruck durch nicht-lineare Angebote und globale Player. Die OWM fordert die TV-Anbieter auf, umzudenken und die Wettbewerbsfähigkeit des werbefinanzierten TV wieder zu stärken.
 
Dass die TV-Werbezeiten überteuert sind, sehen die Sender anders. „Im Schnitt nutzen Menschen in Deutschland täglich 572 Minuten Medien und Medienübertragungswege“, sagt Marcus Prosch vom ProSiebenSat1-Werbezeitenvermarkter SevenOne Media. „Dabei ist Fernsehen nach wie vor das beliebteste und meistgenutzte Medium. In der Zuschauergruppe ab 14 Jahren entfällt fast die Hälfte der täglichen Mediennutzung auf TV.“
 
Ex-RTL-Chef Helmut Thoma, der als Erfinder des Zielgruppendenkens mit der Fokussierung auf jüngere Zuschauer gilt, beklagt dagegen die Entwicklung in Deutschland: „Das ist eigentlich eine ganz schlimme Situation“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Weil sich niemand darum gekümmert hat, dass sich drei große Mediaagenturen über 90 Prozent der Einnahmen des Fernsehens teilen, die zum größten Teil von den beiden großen privaten Sendergruppen stammen.“ Die Firmen GroupM, Dentsu Aegis und Omnicom haben am Gesamtwerbemarkt (Print, TV, Radio, Online) einen Anteil von 75 Prozent.
 
Eine Mediaagentur ist so etwas wie ein Vermittler zwischen Medien und Werbetreibenden: Sie schalten und verwalten im Auftrag der Werbetreibenden deren Werbung. Beim Privatfernsehen arbeiten sie vor allem mit der RTL- und der ProSiebenSat.1-Gruppe zusammen, wo der Großteil der TV-Werbebudgets hingeht – Big Player unter sich. Und die sind sich einig, so Thoma: „Obwohl sich die Reichweite im TV ungefähr halbiert hat, zahlt die Werbeindustrie heute das 15- bis 20fache von dem, was sie 1988 bezahlt hat.“
 
Thomas Einschätzung wird auch Jürgen Brautmeier, dem früheren Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, geteilt: „Dass bei diesen wenigen Playern dem Werbemarkt Bedingungen diktiert werden können, das ist eine realistische Einschätzung.“
 
Der Mega-Event in den Kölner MMC Studios auf einer Fläche von über 16000 Quadratmetern jedenfalls, auf der die Vermarkter von ARD, RTL, ProSiebenSat.1, RTL II, Disney, Sky, Sport 1 und anderen sich nach längerer Unterbrechung erstmals wieder gemeinsam präsentieren, soll auch angesichts sinkender Zuschauerzahlen und bedrohlicher Konkurrenz aus dem Internet die Geschlossenheit und Attraktivität der klassischen TV-Sender zur Schau stellen. [Wilfried Urbe]

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44 Kommentare im Forum

  1. Bei dem was die privaten TV Sender tagtäglich an Programm senden, wundert man sich das man immer weniger Zuschauer erreicht? Man kann gut erkennen das die Privaten mit einer gewissen "Blindheit" dem Zuschauer gegenüber agieren. Es muss sich nicht gewundert werden, wenn die Anzahl an Zuschauern auch in den nächsten Jahren weiter stetig sinkt. Die Werbenden sollten das ggf. auch einmal hinterfragen.
  2. Das ist der eine Punkt, der andere ist auch bekannt. Will aber jetzt nicht den Popcorn- Umsatz in die Höhe treiben...
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