Studie zu Algorithmen: Mehrheit der Deutsche fühlt Unbehagen

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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Dating-Apps, Google, Facebook und Twitter – überall arbeiten im Hintergrund Algorithmen. Eine Studie beleuchtet, was die Deutschen über diese meist streng geheimen mathematischen Formeln als Helfer der großen Plattformen denken und wissen – nicht viel Gutes.

Fast die Hälfte der Deutschen kann mit dem Begriff Algorithmus nichts anfangen. Das ist das Ergebnis einer von der Bertelsmann-Stiftung am Mittwoch in Gütersloh vorgestellten Studie. Zwar haben demnach drei Viertel der Befragten das Wort schon einmal gehört, aber nur jeder Zehnte kann erklären, wie Algorithmen funktionieren. Fast die Hälfte weiß, dass im Internet mit der Hilfe von den mathematischen Formeln zum Beispiel bei Facebook, Google und Twitter auf den einzelnen passgenau zugeschnitte Werbung eingeblendet wird. Dass aber Algorithmen auch bei Bewerbungen oder Krankheitsdiagnosen eingesetzt werden, weiß nur etwa ein Drittel der Deutschen.

Der Begriff Algorithmus beschreibt eine Reihe von Anweisungen, die Schritt für Schritt ausgeführt werden, um ein Problem zu lösen oder eine Aufgabe zu bewältigen. Bei einer Suchmaschine beispielsweise bestimmt der Algorithmus, welche Webseite in den Suchergebnissen auf welcher Position angezeigt wird.
 
Über die Transparenz der Algorithmen wird seit geraumer Zeit auch politisch diskutiert. So hat sich die schwarz-rote Bundesregierung im Koalitionsvertrag darauf verpflichtet, zum Schutz der Verbraucher Algorithmen-basierte Entscheidungen, Dienstleistungen und Produkte überprüfbar zu machen, „insbesondere im Hinblick auf mögliche unzulässige Diskriminierungen, Benachteiligungen und Betrügereien“.
 
Ob Algorithmen gut oder schlecht sind – dazu haben laut der Bertelsmann-Studie 46 Prozent der Deutschen keine Meinung. Allerdings empfindet eine Mehrheit ein großes Unbehagen, wenn Maschinen losgelöst vom Menschen über Dinge entscheiden sollen. 73 Prozent der Befragten fordern ein Verbot von sogenannten vollautomatisierten Entscheidungen, die ohne menschliche Beteiligung getroffen werden.
 
„Algorithmen bestimmen zunehmend über unser Leben. In Deutschland fehlt es an grundsätzlichem Wissen über den digitalen Wandel. Wir müssen dringend lernen, die Chancen und Risiken von Algorithmen richtig abzuwägen“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, zum Studienergebnis.
 
Die Stiftung weist in der Untersuchung daraufhin, dass Fehler von Algorithmen nicht einzelne treffen, sondern eine Vielzahl von Menschen. Als Beispiel nennen die Autoren reproduzierte Benachteiligungen und das Verstärken von sozialen Ungleichheiten. So wurden bei Google Stellenanzeigen für Führungspositionen nur Männern, aber nicht Frauen angezeigt, oder Bewerber wurden wegen ihres Wohnortes oder einer psychischen Krankheit aussortiert.
 
Nach Angaben der Studienautoren befürchten viele der Befragten, dass Programmierer zu viel Macht über das Leben von Menschen erhalten und mit Algorithmen manipulieren. „Es besteht unabhängig vom Bildungsniveau oder Einkommen der Wunsch nach einer engmaschigeren Kontrolle. Unterm Strich denken nur 13 Prozent der Menschen in Deutschland, dass Algorithmen gerechtere Entscheidungen treffen als Menschen.“
 
Mitte März war aufgeflogen, dass die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica sich unerlaubt Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschaffen konnte. Die mittlerweile insolvente Firma soll im US-Wahlkampf entscheidend dabei geholfen haben, mit als Werbung geschalteten gezielten Botschaften bei Facebook Anhänger des heutigen Präsidenten Donald Trump zu mobilisieren und zugleich potenzielle Wähler der Gegenkandidatin Hillary Clinton vom Urnengang abzubringen.
 
Bei der repräsentativen Umfrage für die aktuelle Bertelsmann-Studie spielte dieser Skandal noch keine Rolle. Die Menschen waren im Januar interviewt worden. Die Skepsis der Deutschen wird in Brüssel geteilt. Die EU-Kommission kündigte im April an, darüber nachzudenken, Algorithmen als die wichtigsten Instrumente der Internetplattformen zu regulieren.
 
Für die Studie wurden insgesamt zwölf Fragen zum Thema Algorithmen in eine bevölkerungsrepräsentative Mehrthemenumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aufgenommen. In der Zeit vom 5. bis zum 18. Januar 2018 wurden 1221 Personen ab 16 Jahren in persönlichen Interviews mündlich befragt, zum Beispiel ob Algorithmen den Alltag einfacher machen, die Freiheit der Bürger einschränken oder Menschen manipulieren.

[Carsten Linnhoff]

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27 Kommentare im Forum

  1. Bei Facebook oder Daten-Apps find ich Algorithem nicht schlimm, denn schlimmstenfalls bekommt man bei Facebook unpassene Werbung angezeigt oder in einer Dating-App unpassende Profile vorgeschlagen. Aber das ist ja nicht so tragisch. Bei Facebook ignoriert man die Werbung ja eh, und in einer Dating-App kann man trotzdem nach passenden Profilen suchen, was ohnehin sinnvoller ist als sich auf die Vorschläge zu verlassen. Problematisch finde ich Algorithmen eher bei Banken, weil wenn man z.B. eine Immobilie finanzieren möchte aber der Algorithmus einem nicht für Kreditwürdig hält, dann hat man schon ein Problem. Aber dem kann man sich als Bürger nicht entziehen.
  2. Das ist eine recht naive Annahme. Du gehst davon aus, dass sich die politische und gesellschaftliche Situation nie ändert? Was wenn deine Regierung eines Tages eine andere ist? Was wenn deine Regierung eines Tages Zugriff auf Daten und Profile fordert, um deine Eignung als guter Staatsbürger zu beurteilen? Was wenn dabei rauskommen sollte, dass du politisch eher links einzuordnen bist, die Regierung ist aber eher rechts? Was wenn dir dann das Privileg Räucherlachs kaufen zu dürfen gestrichen wird? (ich wollte jetzt nicht gleich mit Freiheitsentzug oder körperlicher Unversehrtheit beginnen) All diese Datensammelei die heute stattfindet, kann man nur entspannt sehen, wenn man sich zu 100% sicher ist, dass sich an der grundsätzlichen politischen Ausrichtung unseres Staates nichts ändert. Wirf nur mal einen Blick in die Türkei und du verstehst was ich meine. Und noch etwas, die Daten die heute gesammelt werden, die werden zu deinen Lebzeiten mit dir verbunden sein. Du musst dabei also nicht nur die nächsten paar Jahre betrachten, du musst das bis zu deinem Lebensende im Blick haben... und wer kann da schon sagen wie sich das politische System entwickelt? Wer die Datensammler auf das Platzieren von Werbung reduziert der denkt kurzfristig und naiv. Es geht um Persönlichkeitsprofile, und die sind auch für Staaten und Regierungen immer höchst interessant. Und nur weil sie heute keinen, oder nur eingeschränkten, Zugriff darauf haben, heißt das noch lange nicht, dass das auf alle Ewigkeit so bleiben wird. Missbrauch wie durch Cambridge Analytics ist natürlich auch immer ein Thema, aber das sehe ich weniger kritisch als mögliche politische Veränderungen.
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