„Tatort“ Kiel: Ein brisanter Fall mit realem Hintergrund

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Reale Kriminalfälle dienen immer wieder als Vorlage für Filme, doch nicht immer gelingt der Spagat zwischen Realität und Fiktion. Der neue Kieler „Tatort“ nimmt sich den Fall um den Tod des Politikers Uwe Barschel, der vor 25 Jahren tot in einem Genfer Hotel gefunden wurde, zum Thema und meistert die Herausforderung mit Bravour.

Das Foto vom toten Uwe Barschel in der Badewanne im Zimmer 317 des Genfer Hotels Beau Rivage ist zum unvergessenen Zeitdokument geworden. Vor einem Vierteljahrhundert, am 11. Oktober 1987, starb der zurückgetretene schleswig-holsteinische Ministerpräsident dort an einem Medikamentencocktail. War es Mord oder Freitod? Hatte Barschel sich wegen der „Waterkantgate“-Affäre das Leben genommen? War er in Waffengeschäfte verwickelt? Haben ihn Geheimdienste umgebracht? Der Fall ist bis heute ungeklärt.
 
Umso mutiger das Wagnis, einen Kieler „Tatort“ zu drehen, der Realität und Fiktion fesselnd mischt – zu einem überzeugenden Politthriller, der die verlogenen Fassaden von Politik und Medien einreißt. Am kommenden Sonntag (14. Oktober) um 20.15 Uhr strahlt die ARD „Borowski und der freie Fall“ aus.
 
Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) und seine Assistentin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) werden nachts zu einer Segel-Yacht geholt. Mit einer Flasche wurde dem schwulen, alkoholkranken Unternehmer Dirk Sauerland auf den Kopf geschlagen, alle Gashähne auf dem Schiff aufgedreht. Der aalglatte Politiker Karl Martin von Treunau (Thomas Heinze) gerät unter Verdacht. Er führte ein Doppelleben, war mit dem Mordopfer befreundet und zugleich verheirateter Familienvater. Die Ex-Frau des Mordopfers ist eine – am Ende Wodka kippende – Journalistin (Marie-Lou Sellem), die um den Sendeplatz ihrer Sendung kämpfen muss. Vor 25 Jahren hatte das Paar im Beau Rivage Barschel nachgestellt und gefilmt.
 
Die Querverbindungen zwischen dem fiktiven Mordfall und dem realen Fall Barschel nehmen immer mehr Konturen an. Schließlich reisen der norddeutsch ruhige Borowski, von Milberg wie immer mit feinster Mimik und trockenem Humor gespielt, und die von Kekilli wunderbar temperamentvoll gespielte junge Kriminalistin Sarah Brandt nach Genf, um weiter zu ermitteln.

Die cineastische Klasse des Krimis macht auch das Drehbuch (Eoin Moore nach einer Idee von Fred Breinersdorfer) mit starken Sätzen aus: „Politiker würden die besten Mörder abgeben. Sie haben ein dickes Fell, wenig Kontakt zu ihren Gefühlen und einen vertrauten Umgang mit der Unwahrheit“, sagt Borowoski. Die filmische Umsetzung überzeugt ebenfalls: Die unterschiedlichen Ebenen von Fiktion und Realität, von Vergangenheit und Gegenwart werden immer wieder durch Fernseh- oder Bildaufnahmen im Film vermittelt.
 
So flimmern in Schwarz-Weiß vermeintlich historische Aufnahmen aus Barschels Todesnacht aus dem Beau Rivage, wackelig aufgenommen vom Mordopfer mit einer versteckten Kamera wie im Dogma-Stil. Oder der Betrachter sieht in ein Fernsehstudio, in dem eine Talkrunde läuft, bei der die Moderatorin wiederum auf den Monitor mit „Tagesthemen“-Moderator Tom Buhrow schaut und mit ihm spricht. Ermittlerin Sarah Brandt wiederum gleicht alte Fotos auf einem iPad beim Gang durchs Beau Rivage mit der heutigen Realität ab. Fiktion und Wirklichkeit häuten sich von Monitor zu Monitor.
 
Wohltuend: Brutale Gewaltszenen meidet der Krimi, der eher als Gesellschaftsstudie und zuweilen Kammerspiel daherkommt. An Humor und schönen Schauplätzen an der Kieler Förde, in Hamburg und Genf mangelt es nicht. Originelle Symbolkraft zeichnet den Film aus, etwa wenn das Tatgeständnis am Ende in einem Auto in einer Autowaschanlage erfolgt, während die Waschbürsten an den Scheiben rotieren – das große Saubermachen. Dass Barschels Tod natürlich nicht aufgeklärt werden kann, ist klar. Der launige Schlussdialog von Borowski und Brandt: „Vielleicht werden wir den Fall Barschel eines Tages lösen“ – „Versprochen?“ – «Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort…“

[Matthias Hoenig/fm]

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7 Kommentare im Forum

  1. AW: "Tatort" Kiel: Ein brisanter Fall mit realem Hintergrund Ich freue mich auf diesen Tatort mit und wegen Axel Milberg und bin darüber hinaus gespannt auf die Umsetzung des Themas .
  2. AW: "Tatort" Kiel: Ein brisanter Fall mit realem Hintergrund Wieder mal ein super Kieler Tatort!Weiter so!
  3. AW: "Tatort" Kiel: Ein brisanter Fall mit realem Hintergrund Mir hat der Tatort aus Kiel gefallen. Gut, neue Erkenntnisse zum Barschel Tod hat es leider nicht gegeben . Das der Politiker und das Opfer schwul waren ergab ja nicht die Hauptrolle. Es diente diente in meinen Augen dazu den Bogen zu Exfrau und Ablenkung für das Motiv des Täters zu spannen. Aus meiner Sicht war es der bislang beste Tatort nach der diesjährigen Sommerpause.
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