[Test] 3D-Visor mit Pfiff: Kopfkino von Sony im Praxischeck

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Bild: © lassedesignen - Fotolia.com
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Unhandliche Nasenaufsätze, die große Bilder versprechen, aber lediglich Kopfschmerzen hervorrufen, sind seit Nintendos „Virtual Boy“ in aller Munde. Laufend bringen Hersteller günstige Videobrillen auf den Markt, die verlockende 3D-Welten versprechen. Sony scheint jetzt den richtigen Ansatz gefunden zu haben.

Eines haben alle diese Geräte gemeinsam: Die Bildqualität ist enttäuschend, der Seheindruck unangenehm und statt Freude stellt sich lediglich Frust ein – die Nasenaufsätze sind regelmäßig Fehlkäufe. Umso überraschender Sonys Ankündigung, genau in diesem negativ behafteten Segment mit dem 3D-Kopfkino HMZ-T1 punkten zu wollen und dies zu einem vergleichsweise stolzen Preis von rund 800 Euro. Bereits auf der IFA konnten wir uns die ersten Modelle ansehen, aufgrund des Messetrubels hielt sich die Euphorie aber in engen Grenzen. Nun hatten wir ausreichend Zeit, das Kopfkino auf Herz und Nieren zu testen.Die technischen Fakten

 
Sonys HMZ-T1 bietet eine technische Premiere, denn statt LCD-Technik schlummern im Inneren zwei OLED-Panel, die mit einer Auflösung von 1 280 x 720 Pixeln punkten. Der Kontrast ist vielen Flachbildfernsehern überlegen, denn Schwarz erscheint dank OLED-Technik ohne Aufhellung und auch die Helligkeit überzeugt. Die Bildauflösung reicht für die nur 0,7 Zoll kleinen Panels vollkommen aus, im Praxisbetrieb erkennen Sie keine störende Pixelstruktur, sondern schwelgen in enormen Detailgraden. Da beide Augen von einem eigenen Panel angesprochen werden, geht im 3D-Modus keinerlei Helligkeit verloren und auch die Farbtreue entspricht der 2D-Wiedergabe. 
 
Eine externe Box wird per beiliegendem Kabel (Länge: 3,5 Meter) mit der Brille verbunden und bietet einen HDMI-Eingang sowie einen weiteren Anschluss für einen Fernseher, der anstatt der Brille angesprochen werden kann. Das System ist zu allen Bildstandards kompatibel, ganz gleich ob Sie 1080p24- oder 3D-Signale einer Blu-ray zuspielen. Einziges echtes Manko: Die Bildverarbeitung muss ohne die anerkannt gute Zwischenbildberechnung „Motionflow“ auskommen, weshalb Kinofilme aufgrund einer 60-Hertz-Wandlung zum Ruckeln neigen. 
 
Aufseiten der Farbabstimmung überließ Sony nichts dem Zufall, denn das HMZ-T1 bietet einen mustergültigen Farbraum nach HDTV-Norm und die Voreinstellung „Warm 1“ trifft den Weißpunkt nahezu exakt. Helligkeit, Kontrast, Schärfe und Farbgebung können Sie nach Lust und Laune im Bildmenü ändern. Die Tonqualität überzeugt im Stereomodus, enttäuscht allerdings aufseiten des Raumklangs, sodass wir von den reichhaltigen Surround-Einstellungen abraten, da sie lediglich Hallanteile hinzumischen und die Ortung erschweren. Der Tragekomfort

Mit über 400 Gramm ist Sonys 3D-Kopfkino alles andere als ein Fliegengewicht. Das System bietet keine ausbalancierte Gewichtsverteilung, sondern ist sehr stirnlastig. Passen Sie die hintere Tragehilfe nicht exakt Ihrer Kopfgröße an, liegt das HMZ-T1 äußerst unangenehm auf der Nase und ist für einen längeren Zeitraum kaum schmerzfrei zu tragen. Somit ist die richtige Vorbereitung die halbe Miete: Obere und hintere Tragehilfe müssen zunächst auf den jeweiligen Träger abgestimmt und beide Bügel komplett ausgezogen werden. 
 
Liegt das System perfekt ausgerichtet auf der Nase, werden die Bügel zusammengeschoben, bis beide Tragehilfen anliegen – der hintere Halteriemen sollte zusammen mit der Stirnpolsterung für festen Halt sorgen und den Druck auf die Nase dämpfen. Optimale Vorbereitung hin, wechselbare Nasenaufsätze her: Echter Tragekomfort stellt sich bei Sonys HMZ-T1 nicht ein und das Designkonzept bleibt das größte Manko des Geräts. Dennoch wäre es verfrüht, aufgrund dieses Patzers von einem erneuten Scheitern der mobilen Unterhaltung zu sprechen, denn der größte Trumpf des Systems ist die Wiedergabequalität in 3D. 

Der Wow-Effekt

Sonys 3D-Kopfkino fällt trotz platzsparender OLED-Panel vergleichsweise klobig aus, dies aber nicht ohne Grund. Nach dem Aufsetzen erkennen Sie vorgelagerte Linsen, die je nach persönlichem Augenabstand in fünf Stufen zueinander oder auseinander verschoben werden können. Durch diesen Trick kommen nahezu alle Nutzer in den Genuss von scharfen 3D-Bildern und fokussieren nicht wenige Millimeter vor den Augen liegende Minibildschirme an, sondern blicken tatsächlich in die Ferne – selbst nach über einer Stunde mit dem 3D-Kopfkino tritt keine Augenbelastung ein. 
 
Zudem haben Sie nicht das Gefühl, winzige Bildschirme zu begutachten, sondern genießen eine XXL-Bilddiagonale, die einer Leinwand von knapp dreieinhalb Metern Bilddiagonale entspricht. Im Gegensatz zu Flachbildfernsehern fällt der Bildeindruck damit überwältigend aus und Sie können während eines Films die Blicke schweifen lassen – ganz wie im echten Kino. Die OLED-Technik sorgt für eine nahezu optimale Bildqualität, die sich nicht hinter den besten Flachbild-TVs und Projektoren verstecken muss. Insbesondere die 3D-Darstellung gehört zum besten, was Sie derzeit, unabhängig vom Kaufpreis, bekommen können: Technisch bedingt treten keinerlei Doppelkonturen, keine Farbverfälschungen, kein Helligkeitsverlust und keine störenden Unschärfen auf. 
 
Das Mittendringefühl ist deutlich intensiver als bei einer 3D-Darstellung über einen Flachbildfernseher und es ist immer wieder überraschend, wie häufig man neue Details von bereits bekannten 3D-Inhalten entdeckt. Wer sich James Camerons „Avatar“ in 3D hingibt, wird binnen weniger Minuten viele Vorurteile gegenüber Sonys Kopfkino relativieren – ein vergleichbares 3D-Erlebnis gibt es am Markt derzeit nicht bzw. nur zu einem Vielfachen der veranschlagten Kosten von rund 800 Euro.

Unser Fazit

Aufseiten des Tragekomforts macht Sony vieles falsch: Die Gewichtsverteilung ist einseitig, die Einrichtung auf unterschiedliche Kopfgrößen und -formen umständlich und die Belastung für die Nase hoch – 3D-Genuss scheint somit von vornherein ausgeschlossen. Auch eine Dioptrin-Korrektur würde das innovative Konzept auch für Brillen- und Kontaktlinsenträger noch attraktiver machen. Nimmt man Kompromisse allerdings in Kauf und setzt sich ernsthaft mit dem HMZ-T1 auseinander, überwiegen die positiven Argumente bei Weitem. 
 
Traumhafte Bildqualität, perfektes 3D, guter Sound und ein Gesamterlebnis, das auch ungleich teurere Fernseher und Projektoren kaum nachstellen können. Für 800 Euro stellt Sony ab Dezember eine komplett neue Gerätekategorie in die Händlerregale: mobiles 3D-Kopfkino, das funktioniert! 

[Christian Trozinski]

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