The Inkeepers

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Eine klassische Geistergeschichte

Eine klassische Geistergeschichte in einem Hotel mit einer weit zurück reichenden Historie verspricht der aktuelle Film von dem Horror-Newcomer Ti West. Mit dem kontinuierlich anziehenden Suspense-Faktor und einer gruseligen Zielstrebigkeit beweist er einmal mehr, das echte Spuk-Themen noch lange nicht zum alten Eisen gehören.

Es ist eine minimalistische Konstellation mit der Ti West seine Zuschauer die Furcht lehren möchte. Dabei schleicht sich der Geist des wahren Horrors nur sehr langsam in den Film ein und bringt die Adern des geneigten Publikums mit einer Zielstrebigkeit an den Gefrierpunkt, die einen nur beeindrucken kann. Dabei fängt alles so harmlos an. Die ersten 30 Minuten drehen sich nämlich ausschließlich um die beiden Protagonisten und könnten zweifellos auch im Nachmittags-Programm gezeigt werden. Luke (Pat Healy) und Claire (Sarah Paxton) sind Nerds im engsten Sinne. Ihr Leben ist die Suche nach dem Übernatürlichen, der Beweis von paranormalen Entitäten und die damit verbundene Flucht aus dem Alltag.
 
Kurzum: Sie jagen hobbymäßig Gespenster, dokumentieren deren Aktivitäten mittels Kameras und Audio-Equipment und stellen ihre Aufnahmen online. Hauptberuflich sind sie in dem Hotel Yankee Pedlar Inn angestellt, dass aufgrund einer Wirtschaftsflaute in ein paar Tagen stillgelegt und abgerissen werden soll. Da sich nur noch wenige Gäste in das Hotel verirren (eine gestresste Mutter mit ihrem verzogenen Sohn und eine ehemalige Schauspielerin sind derzeit die einzigen Bewohner), nutzen die beiden diese letzte Gelegenheit, um den tragischen Tod eines früheren Gasts zu erforschen. Madeline O’Malley wurde an ihrem Hochzeitstag vom zukünftigen Gatten sitzen gelassen und nahm sich daraufhin vermutlich ihr Leben. In Wirklichkeit steckt natürlich ein ganz anderes Geheimnis dahinter, das erst im Verlauf des Films gelüftet werden soll.

Laienhafte Ghostbusters

Die Rollen bei der Geisterjagd sind klar verteilt. Während Luke hauptsächlich übers Internet recherchiert und früh zu Bett geht, um sich Pornos aus dem Internet zu saugen, legt sich Claire mit einem Richtmikrofon auf die Lauer (Die Kamera ist in der Reparatur). Wie nicht anders zu erwarten vernimmt sie jedoch nur das übliche Rauschen … bis sie ein weit entferntes Schluchzen vernimmt, auf das ein graziles Klavierstück folgt. Eine genauere Untersuchung des selbstständig spielenden Pianos gibt Claire die Gewissheit, dass sie Zeugin einer echten Geisteraktivität geworden ist.

Fast wie ein echter Allan Poe

Die Furcht generiert sich in diesem Film aus dem ständigen Konflikt, der sich aus der Frage ergibt, was Claire hier überhaupt sieht bzw. wahrnimmt. Gibt es eine natürliche Erklärung dafür? Ist ihre Fantasie so groß, dass sie sich die Dinge einbildet? Oder ist dort wirklich etwas, das sich mit den Mitteln des Diesseits nicht erklären lässt? Eins ist jedenfalls sicher, die Protagonistin verliert nach und nach die Kontrolle über ihre Situation und findet auch im ungläubigen Luke keinen wirklichen Verbündeten. Sie verliert sich komplett in ihrer Albtraum-haften Welt. Und auch die im Hotel einquartierten Gäste haben mehr mit dem Spuk zu tun, als Anfangs angenommen. Die Schauspielerin, Miss Reese Jones (Kelly McGillis), beispielsweise ist für Claire ein Vorbild alter Tage.
 
Aufgrund ihrer Mutter-Rollen in Claires Lieblings-Serien und -Filmen, nimmt sie auch in der Realität der Hotelangestellten eine vertrauensvolle Position ein. Zugleich rühmt sie sich für ihre seherischen Fähigkeiten und stellt sich als Medium zur Verfügung. Doch als Schauspielerin ist sie in einer solchen Situation selbstredend mehr als suspekt. Richtig unheimlich wird es mit der Ankunft des letzten Gasts im dritten Akt (52. Minute). Ein alter Herr ohne Identität checkt in das Hotel ein und legt statt einer Kreditkarte ausschließlich Bares auf die Theke der Anmeldung. Zudem hat er besondere Wünsche für sein Hotelzimmer und benimmt sich auch sonst absolut unkonventionell. Ob er wohl etwas mit den vergangenen Vorkommnissen zum Fall Madeline O’Malley zu tun hat?

Grusel, kein Splatter

Wer sich Horrorfilme vorrangig wegen ihres Gore-Gehalts anschaut, ist mit diesem Film schlecht beraten, denn auch wenn es nicht ganz unblutig zugeht, bleibt er dennoch relativ human, was den Gewaltgehalt angeht (das FSK-18-Logo auf der Packung erklärt sich durch die Trailer auf der Scheibe). Anders sieht es da mit den Momenten der Furcht aus, die zwar ebenso wenig explizit dargestellt werden, aber dennoch genügend Raum zur Fantasie lassen. Genau genommen lässt sich an vielen Stellen nur mutmaßen was passiert, damit die Interpretationsspielräume für eine natürliche Erklärung bis zum Ende bestehen bleiben. Daher ist der Film hauptsächlich Kennern des Grusel-Genres (im klassischen Sinne) zu empfehlen, die sich bereits mit den Wurzeln der Horror-Literatur bzw. den Anfängen des Horror-Kinos beschäftigt haben. Als Party-Film weist Ti Wests Werk nämlich dann doch zu wenige Schockmomente auf.
 
Wer die sehr subtile Spannung in vollem Ausmaß erleben möchte, muss sich vollständig auf die Handlung konzentrieren und in kompletter Stille sowie mit angemessenem Lautstärkepegel der Surround-Sound-Anlage den durchaus langen Spannungs-Anstieg geduldig über sich ergehen lassen. Dass es Ti West aufs Wesentliche ankommt, zeigt der Musik-Score, der die sich aufbauende Bedrohung mit einer angemessenen, drückend düsteren Textur versieht und sie mit unheilvollen Tiefbässen nachzeichnet. Um der Subjektivität die Krone aufzusetzen, ist die Signalortung der Geräuschquellen sehr dreidimensional und dynamisch gehalten. Sich bewegende Objekte bzw. Subjekte (Geisterstimmen etc.) schweben daher von einem Lautsprecher zum nächsten, je nachdem wo sie sich gerade in der gezeigten Filmwelt befinden (Point-Of-View-Sound).
 
In optischer Hinsicht bietet „The Innkeepers“ triste Motive, die den Mottenkugel-Geruch und die vermilbten Teppiche des bankrotten Hotels förmlich spürbar machen. Die vorwiegend in Brauntönen gehaltenen Lokalitäten sind mit mildem Filmkorn und einer angemessenen Schärfe versehen. Dank des guten Kontrasts sind Haarstrukturen, Unebenheiten in den Gesichtern und die Texturen des Interieurs problemlos erkennbar. In den Kellerszenen verschwinden einige Elemente unter dem Schleier der Finsternis, was natürlich gewollt ist. Als Bonus gibt es einen 7-Minütigen Einblick in die Dreharbeiten.

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