[Thema des Monats] TV-Verstöße: Verbote sind nicht die Antwort

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Treten Privatsender wiederholt die Gesetze mit Füßen und überschreiten mit Sendungen wie „Super-Nanny“ oder „Mietpreller auf der Spur“ rechtliche Grenzen, darf das seitens der zuständigen Aufsichtsbehörden nicht ohne Konsequenzen bleiben. Das fordern Medienexperten von SPD, FDP und Linken im Gespräch mit DIGITALFERNSEHEN.de.

Für die privaten Rundfunkveranstalter bedeute „ein Lizenzentzug den Verlust jeglicher Geschäftsgrundlage“. Es sei „nicht möglich, einen Sender als juristische Person schärfer zu sanktionieren“, verteidigt Burkhardt Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, auf Anfrage von DIGITALFERNSEHEN.de die Rechtsmittel, die der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bei Verstößen zur Verfügung stehen.
 
Statt über die Maßnahmen zu diskutieren, wirft der Bundestagsabgeordnete der FDP die Frage auf, „ob die ZAK angesichts der vielen Partikularinteressen in den einzelnen Landesmedienanstalten effektiv arbeiten kann“ und schlägt damit die selbe Richtung ein, wie seine Kollegin von der SPD.
 
Daniela Behrens, Kultur- und medienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen, sieht die ZAK sowie die Landesmedienanstalten in der Pflicht, die ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen ernstzunehmen sowie „konsequent und klar“ zu nutzen. Dazu gehöre ebenfalls die Bereitschaft, in schwerwiegenden Fällen einen Lizenzentzug durchzusetzen.Letzte Konsequenz der Selbstdenker: Abschalten!

 
Die Aufsichtsgremien sind jedoch nicht nur an die Gesetze gebunden, sondern folgen auch einem Stufensystem, das härtere Maßnahmen erst im Wiederholungsfall gestattet. Bußgelder können nur dann verhängt werden, wenn „die Verstöße als Ordnungswidrigkeit im Rundfunkstaatsvertrag erfasst werden“, verdeutlicht Kathrin Senger-Schäfer, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Der Linken. Die Abgeordnete ist gegen eine Aufnahme von „abstrakte Formulierungen wie diejenigen der ‚journalistischen Grundsätze'“ in den Katalog an Ordnungswidrigkeiten, da „dies einer Zensur Tür und Tor öffnen würde“.
 
Auch Müller-Sönksen hält „strengere Programmvorgaben mit Blick auf die Rundfunkfreiheit nicht nur verfassungsrechtlichfür bedenklich“, sondern betrachtet sie darüber hinaus als „nicht zielführend“. In seinen Augen sichern die geltenden Gesetze „Mindeststandards und schützen zum Beispiel die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen“. Öffentliche Beanstandungen seien zudem ein „wirksames Sanktionsmittel“, denn „die werbefinanzierten Privaten haben kein Interesse an gesellschaftlicher Ächtung“.

Verbote von einzelnen Sendungen sehen die Politiker als nicht geeignetes Mittel an. „Der Staat darf keinen Einfluss aufs Fernsehen nehmen“, macht SPD-Vertreterin Behrens deutlich, denn die Grenze zur Zensur sei damit schnell überschritten. „Kulturelle und selbst trashkulturelle Einstellungen werden sich immer ein Ventil suchen, um ans Licht der Öffentlichkeit zu gelangen“, fügt Kathrin Senger-Schäfer (Die Linke) hinzu, zeigt sich jedoch besorgt, über die Tendenz, vor allem in Reality-TV und Casting-Shows, Menschen nach ihrer sozialen Herkunft, Bildung, Geschlecht und Migrationshintergrund herabzusetzen. Während sie die Öffentlich-Rechtlichen hier in der Pflicht sieht, ein „Unterhaltungsangebot als Korrektiv“ zu veranstalten, appelliert Behrens an die Aufsichtsgremien sowie die Rundfunkräte, ihre Aufgabe ernstzunehmen.
 
Beide Politikerinnen nehmen die öffentlich-rechtlich Rundfunkveranstalter generell in die Pflicht, ein Konkurrenzprogramm zu den Privaten zu bieten. „Das Nachmittagsangebot bei den Privatsendern ist grässlich“, bringt es Behrens auf den Punkt und beklagt, dass bestimmte Formate, wie beispielsweise Daily Soaps, Reality-TV oder so genannte Starmagazine vom privaten auch ins öffentlich-rechtliche Programm geschwappt seien. „Die sind dort meiner Meinung nach entbehrlich“. Dokumentationen, politische Berichterstattung oder Kultursendungen im Hauptprogramm werden zu spätabendlicher Stunde gesendet, während „die Primetime im deutschen Fernsehen an Krimis, Talks, US-amerikanischen Serien oder deutschen Kitschromanzen erstickt“.
 
Die-Linke-Politikerin Senger-Schäfer fordert ebenfalls „einen kreativen und innovativen öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, dem die Privaten hinterherlaufen – und nicht umgekehrt. „Ich wünsche mir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, in dem Kreative und unabhängige Journalisten mehr zu sagen haben als die von den Staatskanzleien entsandten Unterhaltungs- und Politikbeauftragten“.
 
Müller-Sönksen von den Liberalen sieht die Verantwortung jedoch neben den Programmveranstaltern und Aufsichtsbehörden auch beim Zuschauer selbst. „Im Zweifel halte ich persönlich mich an die Empfehlung, die Peter Lustig seinen kindlichen Zuschauern als Selbstdenkern am Ende der Sendung ‚Löwenzahn‘ gab: Abschalten!“„Sie müssen ihre Macht ausüben!“

 
Statt über schärfere Maßnahmen zu diskutieren, wünscht sich der FDP-Abgeordnete sich eine „offene Auseinandersetzung“ mit den Tendenzen der Medienlandschaft, denn das vielfältige Programmangebot spiegele die vielfältigen Interessen und damit die Meinungsvielfalt wider. Für Senger-Schäfer könnten mögliche Verstöße bereits im Vorfeld der Realisierung verhindert werden, „durch verbesserte Transparenz im Produktionsprozess“.
 
Die SPD-Landtagsabgeordnete Behrens forderte hingegen die Aufsichtsorgane auf, die ihnen zugedachten Mittel auch einzusetzen. „Die Landesmedienanstalten sind nicht machtlos, aber sie müssen ihre Macht auch ausüben“, so die Politikerin. „Gerade wenn gegen den Jugendschutz verstoßen wird, plädiere ich für die Nutzung der gesamte Härte des Instrumentariums“.
 
Die Politik würde zudem nicht tatenlos zusehen, erklärt Behrens weiter. Die Medienpolitik beobachte sehr genau das Angebot und das Verhalten der Sender. „Sollte sich der Eindruck verstärken, dass die Sender solche Beanstandungen nicht ernst nehmen oder nur unzureichend umsetzen, werden wir im Rahmen der nächsten Änderung des Rundfunkstaatsvertrages und des Jugendmedienschutzstaatsvertrages weitere Sanktionsmittel diskutieren“, zeigte sich die SPD-Medienpolitikerin entschlossen.Crossmediale Entwicklungen stellen Medienaufsicht vor Herausforderungen

 
Eine Reform bzw. Erweiterung der geltenden Gesetze sei dennoch von Nöten, so die Politikerin. Nicht nur in Bezug auf die Ahndungsmöglichkeiten von Verstößen, sondern auf die Weiterentwicklung des Rundfunks hin zu einem crossmedialen Medium. Mit der voranschreitenden Digitalisierung und der zunehmenden Vernetzung verschiedener Medien verwischen Grenzen und Inhalte. Die Entwicklungen „stellen die Medienaufsicht in der Tat vor große Herausforderungen“, verdeutlichte Behrens. Sie fordert eine „Weiterentwicklung des Rundfunkstaatsvertrages, des Telemediengesetzes und des Jugendmedienschutzgesetzes“ sowie eine „rechtliche und personelle“ Stärkung der Medienaufsicht, „damit die Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden können“.
 
Ihr Kollege Müller-Sönksen geht noch einen Schritt weiter und strebt eine „grundlegende Reform“ an, „deren Ergebnis eine einheitliche, externe und professionelle Medienaufsicht ist“. So sieht er beispielsweise die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern und jeweils unterschiedlichen Institutionen als „überholt und ineffizient“ für die moderne Medienlandschaft an.
 
„Rundfunk, Internet und Telekommunikation nutzen teilweise die gleiche technische Infrastruktur, vermitteln gleiche Inhalte und werden vom Verbraucher gleichartig genutzt“, erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete. Da dieser Konvergenzprozess „rasant voranschreitet“ müssten die Aufsicht über Rundfunk, Internet und Telekommunikation in einer zentralen Institution zusammengeführt werden. Der Leitsatz der Liberalen laute an dieser Stelle: „Eine Infrastruktur, eine Aufsicht, und differenzierte Aufgaben“.Thema des Monats: Medienaufsicht
Thema des Monats im Überblick
[Jana Skoupy]

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