[Thema des Monats] WM-Sponsoring: Vom Kaffeeservice bis heute

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Noch zur Europameisterschaft 1989 war an Sponsoring im großen Rahmen nicht zu denken. Während die Werbebranche die Fußballmänner entdeckte und der DFB für Erfolge schon tief in die Tasche griff, erhielten die Damen für ihren EM-Titel lediglich ein 40-teiliges Kaffeeservice.

Doch seit dieser „hausfrauengerechten“ Prämie des DFB hat sich viel verändert. In diesen Sommer spielt sich die Elf von Bundestrainerin Silvia Neid nicht nur in die Herzen der deutschen Fans, sondern erobert auch den Werbemarkt. Schon im Vorfeld der WM blickten uns die Gesichter von Lira Bajramaj, Alexandra Popp, Simone Laudehr und Co. auf Plakaten und in Werbespots erwartungsvoll an. Endlich war ihre Zeit gekommen.
 
Der DFB hat bei der Vermarktung seiner Frauen-Nationalmannschaft und der WM nicht dem Zufall überlassen. Zusammen mit Managerin Doris Fitschen, quasi das weibliche Pendant zu Oliver Bierhoff, rührt der Verband die Werbetrommel, um die Spielerinnen ins passende Rampenlicht zu rücken. Alles neu – die Managerin der Frauennationalmannschaft

 
Fitschen, selbst ehemals erfolgreiche Nationalspielerin, wurde bereits im August 2009 zur Managerin der Frauennationalmannschaft ernannt. Der DFB schuf die Stelle nach eigenen Aussagenneu, um der Aufgabenvielfalt rund um das Team des amtierenden Welt- und Europameisters gerecht zu werden. Bundestrainerin Silvia Neid sah die Berufung Fitschens als weiteren Schritt der Professionalisierung an. „Mit ihrer Erfahrung als Spielerin und als Mitarbeiterin der DFB-Marketing-Direktion wird sie wertvolle Impulse in unsere Arbeit einbringen können“.
 
Schon im Vorfeld zeichnete sich ab, dass die Arbeit des DFB und der FIFA von Erfolg gekrönt sein würden. Bereits 16 Monate vor den Anpfiff des Eröffnungsspiels in Berlin, war das Team der Nationalen Förderer komplett. Die deutschen Unternehmen Allianz, Commerzbank, Deutschen Post, Deutschen Telekom, Rewe und Deutschen Bahn unterstützen die WM und den Frauenfußball. So warb zum Beispiel die Bahn mit den Kickerinnen für eine Probebahncard, ähnlich wie bereits bei der Weltmeisterschaft der Herren, bei der Supermarktkette können die Kunden Klebebildchen mit den Konterfeis der Spielerinnen sammeln.Die Nationalen Förderer

 
Die Deutsche Telekom startete im Juni die Aktion „Herzrasen“. Dabei spendet der Konzern für jedes Turniertor der Nationalmannschaft 10 000 Euro und unabhängig von der Anzahl der Treffer mindestens 100 000 Euro an ein „Herz für Kinder“. Auch die Post stellte die attraktiven Spielerinnen in den Mittelpunkt einer neuen Kampagne für den E-Post-Brief. Besonders Alexandra Popp zeigte in den Werbespots ihre Treffsicherheit – bei jeder noch so unmöglichen Situation.
 
Die Handelskette Rewe holte sogar die männlichen Nationalspieler Lukas Podolski (1. FC Köln) und Thomas Müller (Bayern München) mit ins Boot. Beide Profifußballer zeigen sich im Spot jubelnd über die Tore ihrer weiblichen Kollegen. Mit ihrem Engagement unterstützten die Nationalen Förderer nicht nur einzelne Spielerinnen oder die WM im eigenen Land, sondern auch ganz allgemein den Frauenfußball.
 
Aber nicht nur die offiziellen Förderer der FIFA wollen von der Elf profitieren. Die Geschichten aus dem deutschen Team stehen auch bei zahlreichen Frauenzeitschriften und TV-Shows hoch im Kurs. Dabei landen nicht alle Mitglieder der Elf gleichermaßen im Rampenlicht. Vor allem die Mittelfeldspielerin Lira Bajramaj ist der neue Star am Werbehimmel. Im Vorfeld des Turniers wurde die 23-Jährige zum Gesicht der deutschen Nationalmannschaft und des Frauenfußballs auserkoren. Die Vorraussetzungen dafür schienen perfekt. Der neue Werbestar – Lira

 
Die attraktive Spielerin erreichte mit ihrem Verein Turbine Potsdam das Finale der Champions League und legt offensichtlich viel Wert auf Make-Up sowie Pflegeprodukte. Aber vor allem ihre Kindheit und Jugend ist der perfekte Stoff für Hollywood. Mit fünf Jahren flieht sie zusammen mit ihren Eltern aus dem Kosovo. Damit beginnt für die Familie eine Irrfahrt durch halb Europa, die schließlich im deutschen Remscheid endet. Auch der Anfang in der neuen Heimat war schwer, aber der Fußball half ihr sich durchzusetzen und einzuleben – eine bessere Geschichte können selbst die Drehbuchautoren aus Los Angeles nicht kreieren.
 
Die Fußballerin, die an der neuen Saison für den Frankfurter FFC aufläuft, verkörpert in diesem Sommer das Gesicht der Frauen-WM. Mit eigenem Buch, einer professionellen Homepage und einer Facebookseite steht sie nicht hinter ihren männlichen Kollegen zurück. Selbst einen großen Werbevertrag mit dem Sportausrüster Nike konnte sie an Land ziehen.
 
„Den größten Titel der Welt im Blick und die Welt blickt auf uns“, mit diesem Worten beginnt „Lira’s Manifest“. Im Nike-Werbespot erklärt Lira im Poetry-Slam-Stil ihre Welt des Fußballs und zeigt, dass dabei jeder wichtig ist. Die Kampagne soll schließlich auch anderen jungen Mädchen Mut machen, ihre Ziele zu verwirklichen.


 

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Sex sells …

Zusammen mit ihren Kolleginnen spielt Lira auch in anderen TV-Spots die Hauptrolle. So in einer aktuellen Werbung für den Elektronikmarkt Expert. Hier unterbrechen die Mädels eine Spielszene, um neues Make-Up aufzulegen –  da wird selbst dem letzten Beobachter klar, was sich seit 1989 verändert hat. Der DFB und die deutschen Spielerinnen haben es geschafft, ihr Image zu verbessern. Vorbei die Zeiten, als die kickenden Damen als „Mannsweiber“ galten. Heute haftet an Alexandra Popp, Kim Kulig und Celia Okoyino da Mbabi das Girlie-Image. Und das lässt sich definitiv besser verkaufen.
 
Auch TV-Moderatorin und Ex-Bundesliga-Kickerin Shary Reeves wertet den neuen Ruf der Nationalspielerinnen als positiv. So sollten es die deutschen Fußballmädels den Beachvolleyballerinnen gleich tun und Werbung für Beautyprodukte machen: „Beim Beachvolleyball ist es doch auch so, dass die Höschen immer kürzer wurden, und mittlerweile steht die Werbung auf dem Hintern“.
 
Das sei ein Hingucker, ein Eye-Catcher. Warum solle es sowas nicht im Frauenfußballgeben, erklärte Reeves in der „LateLine“, dem Live-Radiotalk der ARD. „Meine persönliche Meinung ist, es ist neben vielen Aspekten förderlich für den Frauenfußball – Sex sells“, brachte die früherer Bundesligaspielerin ihre Meinung auf den Punkt.„Trittbrettfahrer-Werbung“

 
Aber auch, wenn der Sponsoren-Himmel über den DFB-Frauen im Moment ungetrübt scheint, zogen im Vorfeld der WM graue Wolken heran. Kurz vor dem Eröffnungsspiel der Deutschen Nationalmannschaft gegen Kanada in Berlin, sorgte ein Streit zwischen DFB und Spielerberatern über Fernseh- und Zeitschriftenwerbung für Wirbel.
 
Nationalmannschafts-Managerin Fitschen schickte den Beratern der deutschen Spielerinnen einen Mahnbrief, in dem sich der Deutsche Fußball Bund (DFB) deutlich verärgert über die so genannte „Trittbrettfahrer-Werbung“ (Ambush-Marketing), etwa in Fernsehspots und Zeitungsanzeigen, zeigte.
 
Dabei liegt das Problem des DFB deutlich auf der Hand: Beim Ambush-Marketing wird eine Verbindung zwischen Marke und DFB hergestellt, obwohl das entsprechende Label nicht als offizieller Sponsor des Verbands tätig ist. In einigen Fällen gibt es sogar Marketingsaktionen mit direkten Konkurrenten der DFB-Sponsoren. Lira Bajramajs Kampagnen mit Nike sind so ein Fall. Um jedoch den so lang geplanten Erfolg des Sommermärchens nicht zu gefährden, verzichtete der DFB auf weitere rechtliche Schritte.
 
Ob jedoch die Begeisterung der Werbeindustrie und die sehr guten TV-Quoten der Spiele eine nachhaltige Entwicklung im Sponsoring-Bereich bewirken, ist vor allem nach dem überraschenden Aus gegen Japan ungewiss. Schließlich erhielt die Bundesliga der Frauen bisher kaum Aufmerksamkeit. Dies müsste sich grundlegend ändern, um das Interesse aufrecht zu erhalten. So gesehen, ist die Niederlage gegen Japan im Viertelfinale eine Nagelprobe für die Fans und den Sport.
 
Bleibt die Zuneigung und Begeisterung auch bei einem Misserfolg bestehen? Den Spielerinnen ist es auf jeden Fall zu wünschen, dass ihre Leistungen und ihr Engegeant auch nach der WM weiter Beachtung in der Öffentlichkeit finden und sich dies auch finanziell auszahlen wird. Die Zeiten der Kaffeeservice-Prämien sind schließlich längst vorbei.Kuriosität am Rande

 
Den Vogel der Weltmeisterschaft 2011 hat definitiv Dresden abgeschossen. Beim Spiel um die goldene Banane zwischen Kanada und Nigeria fiel für mehrere Minuten das Flutlicht aus. Aber dies tat der Stimmung im Stadion keinen Abbruch. Die kanadischen Ersatzspielerinnen übten mit den Zuschauern begeistert die Laola-Welle.
 
Noch kurioser wird es jedoch, wenn es um die Fan-Meile des WM-Austragungsortes geht. Fußballfans aus der ganzen Welt können sich die Partien des Turniers auf der Fanmeile im Georg-Arnhold-Bad unmittelbar neben dem Stadion anschauen. Die Veranstaltung endet jedoch am 10. Juli, dann geht das Freibad wieder an die Kinder – schade, schließlich ist das Finale erst am 17. Juli. Aber in Dresden gibt es sicher zahlreiche Bars und Kneipen, in denen die Fußballfans das Finale der Weltmeisterschaft verfolgen können.
 

DIGITAL FERNSEHEN stellt Ihnen an dieser Stelle immer amMontagvormittag das aus Sicht der Redaktion interessanteste Thema desMonats vor. Im Rahmen der Weltmeisterschaft steht im Juni vier Wochenlang der Frauenfußball im Mittelpunkt. Am nächsten Montag stehen die Bundesliga im Mittelpunkt. Zum Artikel aus der vergangenen Woche geht es hier.Thema des Monats: Frauenfußball-WM
Thema des Monats im Überblick
[Franziska Thost]

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