[Thema des Monats] Was kommt nach der Frauenfußball-WM?

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Ohne den großen Favoriten Deutschland haben die verbliebenen Mannschaften bis zum Finale mit Sieger Japan weiter gekämpft. Doch was passiert nach dem Ende der WM? Können die Frauen-Ligen vom Hype profitieren oder brauchen sie ihn gar nicht?

Spätestens, nachdem sich Japan die Weltmeister-Krone aufsetzen konnte und der erste Rummel um den Überraschungssieg verflogen ist, dürfte es in den Medien stiller um die Fußball-Frauen werden. Die Turniermannschaften sind wieder auf dem Weg ihn ihre Heimat und auch die Fernseh- und Zeitungsteams haben ihre Zelte abgebrochen. In ein paar Wochen beginnt wieder der Ligaalltag für die Fußballerinnen – nicht nur in Deutschland. Doch dabei gibt es große Unterschiede.
 
Bei der Beschaffenheit der Liga kommt es nicht zuletzt auf das Interesse der Bevölkerung an. So ist Fußball in den USA beispielsweise derart beliebt, dass er ohnehin als Frauensport gilt. Hier gab es in den 90er Jahren zum ersten Mal richtig Geld für die Spielerinnen zu verdienen, und so folgten Stars wie Steffi Jones und Doris Fitschen den Ruf der amerikanischen Fußballliga. Doch dann kam 2003 der finanzielle Kollaps und das Ende der Liga.
 
Seit dem 29. März 2009 kämpfen die Spielerinnen in der Nachfolgerliga Women’s Professional Soccer (WPS) um die Meisterschaft. Dabei unterscheidet sich der Spielbetrieb stark von der in Deutschland gewählten Form. Außerdem schließen die Spielerinnen, etwa US-Torfrau und Medienstar Hope Solo, keinen Vertrag mit ihrem Verein, sondern mit der Liga ab.Ende und Auferstehung der amerikanischen Liga

 
In der Regular Season mit 24 Spielen pro Team qualifizieren sich die besten vier Mannschaften für die Playoffs. Im WPS Championship-Spiel wird dann der Frauenfußballmeister ermittelt. Neben der WPS gibt es die W-League. Hier spielen die schwächeren Mannschaften, sowohl kanadische als auch US-amerikanische Vereine. Die Top-Spieler sind in der Regel mit hoch dotierten Sponsorenverträgen ausgestattet und können auch nach ihrer Karriere weiter mit dem Fußball Geld verdienen. Sie gründen Camps oder Schulen, in denen sich die begeisterten Mädchen der amerikanischen Mittelschicht zum Kicken treffen.
 
Aber trotz des großen Interesses ist auch in den USA der finanzielle Rahmen eng, obwohl selbst einer der größten US-Fernsehsender Fox eine Begegnung der Frauenliga live überträgt. So besuchten im ersten Jahr im Schnitt nur rund 4 400 Zuschauer die Spiele der amerikanischen Liga. Und das, obwohl zu dieser Zeit Stars wie die Brasilianerin Marta oder die Kanadierin Christine Sinclair auf dem Rasen standen. Auch Erfolge schützen die Vereine nicht vor der Pleite. Der FC Gold Pride, Meister der Saison 2010, musste ein Jahr später aufgelöst werden, weil sich nicht genügend Sponsoren fanden. Vorbild Schweden – Marta im Schatten der Männer

 
Ein positives Beispiel ist dagegen Schweden. Hier ist das Ligasystem seit Jahren gefestigt und steht nicht vor der Gefahr einer Auflösung. Dies sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass Männer und Frauen in Schweden gleichberechtigt sind, sagte die schwedische Topstürmerin Lotta Schelin der „Süddeutschen Zeitung“. Die höchste Spielklasse des Landes, Damallsvenskan, gilt neben der deutschen Bundesliga als die stärkste Spielklasse Europas. Aber auch hier bleibt das Gehalt weit hinter dem der Männer zurück. Zwar pumpen die Sponsoren viele Millionen Euro in die Liga, aber bei den Spielerinnen kommt davon kaum etwas an. Auch fiebern zu wenig Zuschauer im Stadion mit, trotz der Erfolge der Nationalmannschaft.
 
Die wohl beste Spielerin der Welt, Marta Vieira da Silva, spielt in der brasilianischen Nationalmannschaft. Im normalen Spielalltag trägt sie jedoch kein Trikot ihres Heimatlandes. In Brasilien steht der Frauenfußball immer noch im Schatten der Männer, trotz Marta und der Erfolge. Fast alle Männervereine der brasilianischen Liga verzichten auf ein Frauen-Team. Eine Ausnahme bildet der FC Santos, in dem einst Fußballlegende Pele spielte. Hier investieren die Verantwortlichen auch in eine Frauenabteilung. Mittlerweile hat São Paulo nachgezogen und fördert auch den Frauenfußball. Trotzdem: die meisten Spielerinnen spielen für ein extrem geringes Gehalt oder völlig ohne finanzielle Kompensation. Aufgrund des mangelnden Interesses und Geldes gibt es in Brasilien auch keine landesweite Liga. Ein Pokalwettbewerb entscheidet, wer den Meister-Titel tragen darf. Und das in der erfolgreichsten Frauenfußballnation.Die Deutschen und ihre Frauen-Bundesliga

 
Dagegen sieht es in Deutschland viel besser aus. Die Bundesliga gilt zusammen mit der schwedischen Damallsvenskan als spielstärkste Klasse der Welt. Ausschnitte aus Spitzenpartien werden im Fernsehen übertragen und auch das Zuschauerinteresse wächst langsam. So zeigen der Hessische Rundfunk und der Rundfunk Berlin-Brandenburg in ihren regionalen Sportsendungen Ausschnitte aus den Spielen des 1. FFC Frankfurt bzw. des 1.  FFC Turbine Potsdam. Bereits seit der Saison 2006/07 präsentiert die ARD in der „Sportschau“ Zusammenfassungen von Top-Spielen. Auch der DFB überträgt auf seinem Internetportal jeweils ein Spiel des aktuellen Spieltages Live.
 
Der RBB berichtet vor allem im Rahmen der Sendungen „Sportplatz“ und „rbb aktuell“ über den Frauenfußball. DIGITALFERNSEHEN.de hat mit RBB-Sprecher Justus Demmer vor der WM über die Erfahrungen mit dem Frauenfußball gesprochen. Demmer erklärte, es sei nur schwer möglich, die Entwicklung eines spezifischen Zuschauerinteresses zu quantifizieren. Einen Ausschalt-Impuls stelle der RBB jedenfalls nicht fest, führte Demmer weiter fort. „Das Publikum ist darauf eingestellt, Berichte über Frauenfußball mit einiger Regelmäßigkeit bei uns zu sehen“.
 
Auch der HR verdeutlichte gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de die positiven Erfahrungen bei der Berichterstattung über die Frauen-Bundesliga. „Wir haben sehr umfangreiche Erfahrungen gemacht“, von Liga-Spielen über Pokal-Partien bis zu Champions-League Begegnungen der Frankfurter Frauen, so HR-Sprecher Ralf Scholt. Unter dem Strich seien die Übertragungen gut bis sehr gut angekommen. Je wichtiger die Entscheidung desto erfolgreicher. So laufe Pokal oder Champions League eher noch besser als die Bundesliga. Weiter betonte Scholt, dass sich diese Entwicklung am Erfolg des 1.FFC bemesse und nicht erst mit der WM zugenommen habe.
 
Auch die bekannten Sportzeitschriften berichten über Highlights des Frauenfußballs. Mit „Frauen Fußball“ konnte sich sogar ein eigener Titel auf dem Markt etablieren. So porträtiert das Magazin nationale und internationale Spielerinnen und Vereine und informiert über den nationalen und internationalen Frauenfußball. Von dieser medialen Berichterstattung profitiert der Frauenfußball, so erhält zum Beispiel jeder Bundesligist Fernsehgelder im fünfstelligen Bereich.
 
Schon vor dem Beginn der Frauen-Weltmeisterschaft stellte sich die Frage, ob die ARD in Zukunft stärker auf die Frauen bauen würde. Schließlich hatte sich der öffentlich-rechtliche Sender die Übertragungsrechte an den Spielen der Frauenfußball-Nationalmannschaft und -Bundesliga gesichert. Im Paket mit den Senderechten für die Spiele der Nationalmannschaft und der 3. Liga der Männer zahlte die ARD geschätzte 180 Millionen Euro.
 
Vor dem Anpfiff des Turniers scheuten sich ARD und ZDF, konkrete Pläne über die mediale Zukunft der Frauenfußballbundesliga zu nennen. So sagte Axel Balkausky, ARD-Sportkoordinator gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender seit Jahren darum bemühen, dem Frauen-Fußball angemessen Platz zu verschaffen. Dabei hätten die Sender ihr Sendevolumen stetig gesteigert. „Darüber hinaus beobachten wir natürlich auch den Vereinsfußball im Damenbereich sehr genau und verfügen diesbezüglich mit unseren Dritten Programmen über wunderbare Plattformen, diesen zu präsentieren“, meint Balkausky.
 
Lediglich der Hessische Rundfunk bezog schon vor der WM eine klare Position, die auch nach der WM nichts an ihrer Gültigkeit verloren hat. So äußerte Scholt, dass eine erweiterte Sendezeit über den Frauenfußball aus einer Dynamik in der Bundesliga selbst erwachsen müsse – also mehr Wettbewerb, mehr spannendenSpielen und mehr Stars.
 
Nach den widerlegten Spekulationen über einen festen Platz der Frauen-Bundesliga in der ARD-„Sportschau“, scheint eines klar: In naher Zukunft werden Turbine Potsdam und Co. Nicht mehr Sendeplatz erhalten. Balkausky entkräftete gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de die Gerüchte. „Ich halte es derzeit für ausgeschlossen, dass wir regelmäßig Spielberichte aus der Frauen-Bundesliga in der Samstags-Sportschau zeigen“. Die ARD werde den Frauen-Fußball aber auch künftig umfassend in den dritten Programmen abbilden, versichert Balkausky weiter.
 
Somit ist klar: in keiner Nation besitzt der Frauenfußball einen ähnlich hohen Stellenwert wie der Männersport. Damit kann der erhoffte Schub der WM den Frauenfußball nur voran bringen. Aber das Interesse muss dabei von den Fans selbst kommen und nicht nur medial erzeugt werden. Kuriosität am Rande

 
Nach ihrem Ausscheiden im Viertelfinale erhalten die DFB-Kickerinnen in diesem Jahr wieder ein Kaffeeservice. Der Porzellan-Hersteller Villeroy & Boch schickte den Spielerinnen, der Bundestrainerin und dem gesamten Stab insgesamt 50 Pakete. Diesmal heißt die Kollektion nicht „Mariposa“ wie für die Europameisterinnen von 1989, sondern: „New Wave“. „Ohne Blümchen, aber mit dynamischem, schwungvollem Design“, erklärt eine Firmensprecherin. Villeroy & Boch hatten bei ihrem Geschenk auch einen Hintergedanken: „Dass das Geschenk vom DFB 1989 in der Presse so belächelt wurde, ohne zu berücksichtigen, dass das Blümchen-Design von vor 22 Jahren war  – und damals ein absoluter Bestseller.“ Ob die DFB-Frauen dieses „Geschenk“ wirklich freuen wird, ist zweifelhaft. Andererseits: Scherben bringen Glück!
 
DIGITAL FERNSEHEN stellt Ihnen an dieser Stelle immer amMontagvormittag das aus Sicht der Redaktion interessanteste Thema desMonats vor. Im Rahmen der Weltmeisterschaft steht im Juni vier Wochenlang der Frauenfußball im Mittelpunkt. Am nächsten Montag lassen wir die WM Revue passieren. Zum Artikel aus der vergangenen Woche geht eshier.Thema des Monats: Frauenfußball-WM
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34 Kommentare im Forum

  1. AW: [Thema des Monats] Was kommt nach der Frauenfußball-WM? Dadurch, dass Deutschland frühzeitig aus dem WM Turnier ausgeschieden ist, wird sich der "Hype" in überschaubare Grenzen halten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zuschauerzahlen im Frauenfußball dauerhaft signifikant steigen werden.
  2. AW: [Thema des Monats] Was kommt nach der Frauenfußball-WM? Was danach kommt? Frauenboxen Fraueneishockey Frauenrugby Rinderwahn Lässt sich beliebig steigern nur interessiert das keine Sau...
  3. AW: [Thema des Monats] Was kommt nach der Frauenfußball-WM? Frauenboxen gibts schon seit vielen Jahren. Und das es niemanden interessiert stimmt auch nicht. Die brauchen auch nicht mehr signifikant steigen, die sind schon jetzt so hoch (egal ob die deutschan dabei waren oder nicht).
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