Til Schweiger: „Wir haben gesagt: Das ist ein Experiment“

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Seit Donnerstag läuft mit „Tschiller: Off Duty“ der neueste Film von Til Schweiger in den deutschen Kinos. Im Interview verteidigt der Schauspieler die Ausrichtung seiner „Tatorte“ und verrät, an welchen US-Schauspielern er sich für seine Rolle orientiert hat.

Schweiger und leise – das passt nicht. Nicht, wenn es um Til Schweiger beim „Tatort“ geht. Als Nick Tschiller hat er den ARD-Traditionskrimi mit knallharter Action und peitschenden Schüssen durcheinandergewirbelt. Kaum jemand brachte dem TV-Sonntagabend in letzter Zeit so viele Schlagzeilen ein wie er. Vier Filme, deren jeweilige Kosten zwischen 1,5 und 2 Millionen Euro liegen sollen, lieferte die Hamburg-Crew um Regisseur Christian Alvart, Co-Star Fahri Yardim und eben Schweiger bislang für die Reihe ab. Jetzt holen sie mit „Tschiller: Off Duty“ auf der Leinwand zum großen Schlag aus. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht Schweiger (52) über Quoten, Konsequenzen und Gesichtsausdrücke.

Kein „Tatort“ im Vorspann, im Filmtitel oder auf den Plakaten. Soll im Kino nichts an Nick Tschillers TV-Herkunft erinnern?
 
Til Schweiger: Wir hatten überlegt, das „Tatort“-Logo zu verwenden, aber die ARD hat ganz klare Richtlinien, was Grafik und Farbgebung anbelangt – und wir hatten dieses Motiv über den Dächern von Istanbul, das passte einfach nicht. Außerdem denken ohnehin schon viele Leute, dass jetzt einfach ein Fernseh-„Tatort“ für GEZ-Gebühren ins Kino kommt. Dabei ist es ein ganz eigener Kinofilm, der mit dem „Tatort“ nichts gemein hat – außer dem Hauptdarsteller. Man muss auch die vier Episoden zuvor überhaupt nicht gesehen haben, um den Film zu verstehen.
 
Wie hoch war der Anteil der NDR-Gelder an dieser Produktion?
 
Schweiger: Insgesamt lag unser Budget bei knapp neun Millionen Euro. Ich habe beim NDR für vier weitere Tatorte unterschrieben, der Kinofilm ist einer von denen. Den Sender hat das also genauso viel gekostet wie jeder andere unserer „Tatorte“ – für den NDR ist das eigentlich ein Riesenschnäppchen. Dazu kamen Förder- und eigene Gelder. Insgesamt hatten wir etwa 40 Drehtage, und natürlich sind Drehs in Istanbul und Moskau aufwendiger. Aber Istanbul ist einfach eine unfassbare Stadt und auch Moskau hat gigantische Kulissen zu bieten.
 
Ihre Figur Nick Tschiller wird gern mit James Bond oder den Helden in „Stirb langsam“ und „96 Hours“ verglichen. Von deren Budget ist aber auch der Kino-„Tatort“ noch weit entfernt.
 
Schweiger: Konkurrieren kann man mit denen nicht. Der letzte James-Bond-Film „Spectre“ soll 300 Millionen Euro gekostet haben. So ein Budget kann man in Deutschland nicht stemmen, weil man einen deutschen Film eigentlich immer nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz auswerten kann und nicht wie James Bond weltweit. Außerdem haben es Actionfilme generell schwer in Deutschland. Es gibt welche, die schaffen in Frankreich drei Millionen Zuschauer und bei uns gerade mal 200 000.
 
Und von wem dieser drei sind Sie selbst Fan: Daniel Craig (James Bond), Bruce Willis („Stirb langsam“) oder Liam Neeson („96 Hours“)?
 
Schweiger: Daniel Craig finde ich okay, aber ich bin großer Fan von Liam Neeson und Bruce Willis. Wenn ich mich entscheiden müsste, mit wem ich abends essen gehen würde, dann mit Liam oder Bruce. Jeder hat halt seinen Geschmack, so gibt es auch für mich Hollywoodstars, bei denen ich sage: Das ist ein geiler Typ, für den gehe ich ins Kino. Und Bruce und Liam sind einfach Supertypen.
 
Und Sie haben in „Tschiller: Off Duty“ sogar einen Gesichtsausdruck mehr zu bieten als Liam Neeson in „96 Hours“, wie Sie in einem Interview kürzlich sagten.
 
Schweiger: Weil ich immer wieder lese, ich hätte nur einen Gesichtsausdruck (grinst). Und so geht es eben auch Liam. Er hat nun mal nur einen in „96 Hours“ – und was für einen soll er denn auch noch haben? Der rächt seine Tochter, der ist auf einer Mission.
 
Nick Tschillers Mission im Kampf gegen den kurdischen Astan-Clan ging im Fernsehen nach vier Folgen mit deutlich gesunkenen Einschaltquoten zu Ende. Auf wie viele Zuschauer hoffen Sie bei „Off Duty“?
 
Schweiger: Von den Einschaltquoten war ich sehr enttäuscht. Wir haben am 1. Januar mit zehn Millionen angefangen – und schwups, nach drei Minuten waren zwei Millionen weg beim „Traumschiff“, weil sie sich gesagt haben: Der wird da unter Wasser gefoltert, das wollen wir uns am Neujahrsabend nicht antun. Da war es auch kein Trost, dass man uns erzählt hat: Hey, wir hatten noch nie so einen großen Abstand zum „Traumschiff“. Aber Tschiller hat immer viele junge Zuschauer, die auch eher ins Kino gehen.
 
Der erste Kino-„Tatort“ 1985 mit Götz George als Schimanski hatte 2,7 Millionen Besucher.
 
Schweiger: Ich hoffe natürlich auch für uns auf viele Zuschauer. Aber wir haben von Anfang an gesagt: Das ist ein Experiment. Mit Schimanski hat das damals funktioniert. Allerdings hatte der auch im Fernsehen – zu einer Zeit, als es nur wenige TV-Programme gab – zig Millionen mehr Zuschauer. Es kann sein, dass das Kino-„Tatort“-Experiment wieder funktioniert, es kann sein, dass das nicht passiert. Ich bin gespannt.
 
Wie geht es danach im Fernsehen für Tschiller und seinen Kollegen Yalcin Gümer (Fahri Yardim) weiter?
 
Schweiger: Den nächsten „Tatort“ werden wir erst im nächsten Jahr drehen. Welche Richtung wir Nick und dem Yalcin geben, wer der nächste Gegenspieler sein wird, ob wir künftig jeweils abgeschlossene Episoden machen – das ist alles noch offen. Möglicherweise wird Alyona Konstantinova, die im Kinofilm die russische Prostituierte Dasha spielt, dabei sein – für den Yalcin. Für Nick müssen wir noch überlegen.
 
Tschiller wird doch aber wohl auch künftig nicht den typischen „Tatort“ liefern?
 
Schweiger: Sicherlich werden wir aus den Einschaltquoten eine Lehre ziehen und nicht mehr so spektakulär anfangen. Denn das hat uns jedes Mal zwei Millionen von den älteren Zuschauern gekostet. Bei den jüngeren Zuschauern war das nicht so. Die, die nicht weggeschaltet haben, die sind drangeblieben wie ein Brett. Aber man sollte das Publikum in den ersten Minuten wohl besser nicht schocken.
 
Nur wenige Stunden nach Ihrem jüngsten TV-„Tatort“ setzten Sie einen Kommentar im sozialen Netzwerk Facebook ab, in dem Sie Regisseur Christian Alvart gefeiert und sich über Kritiker empört haben.
 
Schweiger: Ja, weil es mir wichtig war, noch einmal Christians Leistung zu würdigen. Außerdem gab es bei unseren „Tatorten“ von Anfang an immer wieder diese absurden Diskussionen darüber, dass das alles nicht realistisch sei. Dabei haben wir nie gesagt, wir bilden den deutschen Polizeialltag ab. Tschiller ermittelt nicht, Tschiller bekämpft.
 
Auf der Leinwand hatten Sie zuletzt großen Erfolg mit Ihrer Tragikomödie „Honig im Kopf“. Was planen Sie dort nach dem Kino-„Tatort“?
 
Schweiger: Das nächste Projekt möchte ich erst verkünden, wenn ich genau weiß, dass das mein nächster Film wird. Wir arbeiten an verschiedenen Drehbüchern. Eines davon ist der Film über Flüchtlinge, die Idee ist grandios. Wenn es das Drehbuch auch wird, machen wir das – und mit Sicherheit nicht als „Keinohrhasen“ über Flüchtlinge.
 
In „Honig im Kopf“ war Ihre Tochter Emma wieder mit von der Partie, Ihre Tochter Luna hat unter anderem in allen bisherigen „Tatorten“ mitgespielt. Planen Sie mit Ihren Kindern auch die nächsten Projekte?
 
Schweiger: Emma will erst einmal für ein Jahr in Malibu zur Schule gehen. Bei ihr stellt sich immer die Frage, ob sie ihre Ferien für Dreharbeiten opfern will oder nicht. Luna weiß noch nicht so richtig, was sie machen möchte, für sie steht jetzt erstmal Reiten im Vordergrund. Und Valentin und Lilli haben keinerlei Interesse, vor einer Filmkamera zu stehen.
 
Vielen Dank für das Gespräch.[Interview: Dorit Koch/buhl]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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20 Kommentare im Forum

  1. Deutschland: Off Duty mit Jan Böhmermann verspricht doch einiges mehr als die Version mit Til! ...
  2. Wer hat eigentlich diese beknackte Redewendung erfunden, "Wir haben gesagt..."? Auch in der Politik wird die in den letzten Jahren ständig benutzt, so als ob man sich nicht mehr trauen würde, etwas zu beschließen.
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