Trikottausch inkognito bei der WM: Wo bleibt die Sixpack-Show?

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Bild: © Romolo Tavani - Fotolia.com
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Abklatschen nach der Hymne, Händeschütteln oder Umarmung nach dem Abpfiff. Das gehört sich auch für die Fußballer bei der WM. Vergeblich warten die Zuschauer diesmal aber darauf, dass die nassgeschwitzten Trikots als Trophäen ausgetauscht werden.

Viele Profis geben zwar das letzte Hemd für ihre Mannschaft, ihr Shirt aber nicht mehr her. Ist die Ära des Trikottauschs etwa vorbei? Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland sieht man praktisch keine Kicker, die sich auf diese Weise von ihrem Gegenspieler verabschieden. Dabei hat die Geste Tradition – der große Pelé machte sie quasi stadionfähig.

Nach Brasiliens 1:0-Sieg bei der WM 1970 in Mexiko gegen England schenkten sich Pelé und Bobby Moore gegenseitig ihr Trikot, der spätere Weltmeister tätschelte freundlich seinem Rivalen die Wange. Der Fußball-Weltverband FIFA liebt solch romantische Szenen und verkauft das gerahmte Foto mit Pelés Unterschrift in seinem Online-Shop für satte 489,95 Euro.
 
Als Pelé zum Ende seiner Karriere bei Cosmos New York spielte, war sein Trikot praktisch eine eigene Währung. Sein Trainer Gordon Bradley erinnerte sich mal: „Pelé war Pelé, allein er war schon eine riesige Attraktion. Mitunter mussten wir 25 bis 30 Trikots pro Spiel bereitstellen. Anderenfalls hätte man uns sicher kaum lebend aus dem Stadion gelassen.“ Das Trikot des Brasilianers vom WM-Finale 1970 wurde viele Jahre später für mehr als 250 000 Euro versteigert.
 
Die Bilder von einer Traube halbnackter deutscher und österreichischer Männer, die sich nach einem WM-Spiel 1982 freundschaftlich und lächelnd mit Hemden des Gegners in der Hand umarmen, ist ebenfalls in die Fußball-Historie eingegangen – als Schande von Gijón. Manchen ist das Hemd eben näher als der Rock – in dem Fall die Hose. Vom Büßerhemd wollte aber keiner sprechen.
 
Heutzutage hängen sich die Stars die eigenen Trikots oder die von prominenten Gegenspielern gerne gerahmt an die Wand. Dem irischen Idol Roy Keane, dafür bekannt, weder seine robuste Spielweise noch seine Meinung zu wechseln wie ein Hemd, würde das nicht einfallen: „Ich kann mich nicht erinnern, als Clubspieler jemals das Trikot getauscht zu haben. Für einen Routinier wie mich finde ich das außerdem lächerlich.“
 
Für einen wie Cristiano Ronaldo ist es hingegen die perfekte Gelegenheit, der ganzen Welt seinen Waschbrettbauch zu zeigen. Gerade deshalb hatte der Weltverband 1998 den Trikotwechsel in aller Öffentlichkeit verboten. „Die FIFA hat, 94 Jahre nach ihrer Gründung in Paris, ihr Schamgefühl entdeckt“, spottete damals die „Berliner Zeitung“. Begründung: Man müsse auch an die Frauen der arabischen Welt denken. Sie könnten nach dem Abpfiff Anstoß nehmen.
 
Später wurde das Dekret wieder aufgehoben. Einige Clubs untersagen es ihren Spielern aber heutzutage, die Spielkleidung einfach so herzugeben wie den Sieg nach einer Partie mit 100 Torchancen – auf Dauer ist das einfach zu teuer. Dabei sieht man in den Bundesliga-
Stadien immer wieder Kinder, die Plakate wie „Timo, schenk mir dein Trikot!“ hochhalten. Manchmal steht auch „bitte“ dabei.
 
Der Stoff, aus dem die Träume der Fans bei der WM sind: mit Nummer und Name beflockt und einem Wappen versehen, federleicht, neuerdings sogar mit der Spielpaarung bestickt. Die Trikots kosten im Laden einen Haufen Geld.
 
Und warum nun sieht man keinen Trikottausch mehr? Der findet in den Kabinengängen statt. Eines Tages wird vielleicht auch das im Fernsehen übertragen – gesponsert von einem Deo-Produzenten.
 
In der Regel haben die Spieler mehrere Trikots dabei und müssen nicht das verschwitzte und müffelnde Original übergeben. Viele wollen zudem ihr eigenes als Erinnerung behalten. Außerdem entgehen sie so auf dem Platz der Peinlichkeit einer Rudelbildung, wenn mehrere nach dem Hemd eines Lionel Messi und Cristiano Ronaldo haschen.
 
Kroatiens Ante Rebic hatte allerdings nach dem 3:0 gegen Argentinien auf den Trikottausch mit Messi verzichtet. Der Bundesligaprofi begründete dies damit, dass er sich über das mangelnde Fairplay des Gegners geärgert habe. „Ganz ehrlich, ich habe vorher geplant, das Shirt von Messi zu besorgen. Für einen guten Freund, der ein großer Bewunderer von ihm ist. Aber die Argentinier haben einen solch schlechten Eindruck hinterlassen, dass ich das Trikot nicht mehr haben wollte“, sagte Rebic in einem Interview mit goal.hr.

[Ulrike John]

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7 Kommentare im Forum

  1. Na das trauen die sich nicht. Die haben bestimmt alle Angst vor den Hardcore Feministinnen, und fürchten eine böse Sexismusdebatte.
  2. Zwischen den Trikots der Profimannschaften und denen die im Laden verkauft werden gibt es noch einen Unterschied und zwar im Preis und in der Verarbeitung. Daher werden Trikots immer weniger getauscht. Besonders kleine Vereine können sich das nicht leisten. Ein Ronaldo verschenkt dagegen seine Trikots, die er bezahlen muss, jedoch nie getragen wurden.
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