Unter Verschluss: SWR holt „Tatort“ nach 35 Jahren hervor

0
65
Bild: Destina - Fotolia.com
Bild: Destina - Fotolia.com

Jahrelang hielt der SWR die „Tatort“-Folge unter Verschluss, nach 35 Jahren darf „Der gelbe Unterrock“, in dem eine Kommissarin im Karnevalmilieu einen Triebtäter jagt, nun wieder auf Sendung.

Ein Triebtäter im Mainzer Karnevalsmilieu, die erste „Tatort“-Kommissarin der deutschen Kultserie ermittelt. Mehr als drei Jahrzehnte ist das her. „Der gelbe Unterrock“ heißt die Folge 109 der Krimireihe, die jahrelang unter Verschluss beim Südwestrundfunk (SWR) lagerte – nicht, weil sich damals viele Zuschauer, darunter viele Jecken, über das düstere Porträt des Karnevals ärgerten. Der Streifen verschwand vielmehr in der Versenkung, weil ihn die Sendeverantwortlichen selbst für nicht gelungen hielten. An diesem Samstag (23.25 Uhr, SWR Fernsehen) wird er dennoch gezeigt.

In den vergangenen 40 Jahren mit inzwischen mehr als 950 „Tatort“-Krimis habe es auch Folgen gegeben, die im Giftschrank landeten, schreibt der Fan François Werner auf seiner Webseite www.tatort-fundus.de. Der damalige Südwestfunk (SWF), heute SWR, versah die am 10. Februar 1980 gezeigte Folge demnach mit einem Sperrvermerk. Der Mitschnittdienst des Senders habe für die Folge einen überhöhten Preis von 580 Mark (297 Euro) im Jahr 2000 verlangt, heißt es auf der Seite.

Erzählt wird die Geschichte des psychisch gestörten Harry, der Frauen quält und unter Mordverdacht gerät, als eine von ihnen stirbt. Kommissarin Marianne Buchmüller, gespielt von Nicole Heesters (heute 78), gerät dabei auch ins Mainzer Karnevalsmilieu. Hier schießt der Vater der Ermordeten schon mal selbst in einem Anfall von Selbstjustiz wie ein Cowboy mit Revolver scharf auf den Verdächtigen. Dabei dreht sich vieles – der Filmtitel verrät es – um einen gelben Unterrock, der der ermordeten Marianne gehörte und dem Kleiderfetischisten Harry als Karnevalsrock dient. Aber ist er auch der Mörder?

Das reichlich wirre Geschehen mit kruden Dialogen und langen Einstellungen stellt die inzwischen an schnelle Erzählweise gewöhnten Zuschauer zweifellos auf die Geduldsprobe. Das von dem kaum noch bekannten Kristian Kühn verantwortete Drehbuch und seine Regie lassen einen immer wieder fragend und kopfschüttelnd zurück. Keine Spur von Mainz, wie es lacht und singt, stattdessen bleiche Farben, ein Drama fast in Schwarzweiß.

Der stimmungsvollen Zeitreise in die deutsche Vergangenheit lässt sich dennoch einiges abgewinnen – ganz abgesehen von den Begegnungen mit dem noch jungen Rolf Zacher (heute 74), der einen Gauner im Drogenmilieu mimt, oder mit Barbara Sukowa (65), die Babsi spielt, eines von Harrys Objekten der Begierde.

Der Abteilungsleiter Film und Planung beim SWR, Manfred Hattendorf, sieht zwar auch einen „zeitgeschichtlichen Wert“ des Films – gedreht wurde 1978, 1979 in Baden-Baden, Münster und Hamburg. Doch weiß er nach Recherchen zur Rezeptionsgeschichte zu berichten, dass die Zuschauer damals Probleme gehabt hätten, der Handlung zu folgen.

Dabei blieb wohl vor allem ein Rätsel, woher die mit einem Freund in einer schwierigen Beziehung lebende Kommissarin Buchmüller ihre Intuition fand. Die meisten Figuren in der Folge bleiben unscharf. „Was damals Zuschauer aufgeregt hat, würde heute niemanden mehr interessieren“, meinte unlängst auch SWR-Fernsehfilmchefin Martina Zöllner – also, dass ein Triebtäter im Mainzer Karneval unterwegs war. Schon damals habe der Film weder gegen den Jugendschutz noch gegen andere Gesetze verstoßen.

Von einem krachenden Misserfolg würde wohl dennoch niemand sprechen. In einer Zeit, als es noch kein Privatfernsehen gab, sahen sich 14,12 Millionen Zuschauer den Krimi an – das waren 43 Prozent Marktanteil, wie Tatort-Fundus schreibt. Keine schlechte Quote aus heutiger Sicht. [Ulf Mauder/kw]

Bildquelle:

  • Inhalte_Fernsehen_Artikelbild: Destina - Fotolia.com

Kommentare im Forum

Die Kommentarfunktion ist noch nicht aktiviert