Unter der Lupe: Fernseh- und Spielshow-Trends in Deutschland

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Fast jeder Deutsche schaut täglich Sendungen auf öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. Mindestens jeder zweite Haushalt in Deutschland verfügt über einen Fernseher, und der deutsche Sprachraum ist der größte innerhalb der Europäischen Union. Was sind die aktuellen Trends im TV?

Deutschland ist nach Russland das bevölkerungsreichste Land auf dem Kontinent Europa – ein gewaltiger Markt, den viele Branchenplayer gern erobern und ausschöpfen möchten, weil das Fernsehen gerade goldene Zeiten erlebt. Für diese Leute ist die Frage wichtig, von welchen Trends das deutsche Fernsehen derzeit eigentlich bestimmt wird. Außerdem ist es immer interessant, diese Art von Informationen aus einer anthropologischen Perspektive zu betrachten.
 
Fernsehsendungen – eine Welt im Wandel
Krimi- und Mystery-Sendungen sorgen in Deutschland für beachtliche Zuschauerzahlen, und Spielshows sind schon seit etlichen Jahren populär. Mittlerweile scheint es aber so, als würde die Castingshow der Spielshow den Rang ablaufen. Auch wenn Spielshows immer noch ein Grundpfeiler des Fernsehprogramms sind, dürften Castingshows die Oberhand gewinnen – Sendungen wie „Dancing with the Stars“, bei denen gewöhnliche Leute, aber auch Prominente ihre Fähigkeiten und Talente zeigen.
 
Der Hype um Castingshows ist keineswegs auf Deutschland beschränkt; es scheint sich vielmehr um einen internationalen Trend zu handeln. Das sogenannte Reality-TV, das den Alltag gewöhnlicher oder prominenter Menschen zeigt, ist heute weltweit verbreitet. Frühe Beispiele dafür sind „The Osbournes“ und die berühmte Serie „Keeping Up With the Kardashians“. Verleiht man der Castingshow zusätzlich jenen Wettkampfcharakter, dem die Spielshow ihren Erfolg verdankt, dann erhält man offensichtlich die richtige Mischung, mit der sich deutsche Zuschauer gut unterhalten fühlen.
 
In verschiedenen Sendungen werden Fähigkeiten und Talente zur Schau gestellt, vom Singen, Tanzen und anderen Performancekünsten übers Backen bis hin zum Nähen. Stets gilt dabei das Ausscheidungsprinzip: Im Verlauf der Sendung treten die Kandidaten in diversen Wettkämpfen gegeneinander an; die Besten kommen weiter, die Schwächeren scheiden aus. Diese Formel kommt bei Shows wie „The Voice“ oder „Das Supertalent“ zum Einsatz, wo es darum geht, einen neuen Star zu finden. Aber auch Formate wie „Gordon Ramsays Höllenküche“ oder „The Great British Bake Off“ bedienen sich dieses Verfahrens.

Dem Gewinner einer modernen Reality-Show winkt reicher Lohn. Spitzenköche von Kochsendungen verdienen mitunter das Geld für die Finanzierung eines neuen Restaurants; die beste Sängerin darf auf einen lukrativen Plattenvertrag hoffen. Bei Sendungen wie „Dancing with the Stars“, wo die Kandidaten bereits prominent sind, besteht die Belohnung vor allem in der Erhöhung des eigenen Bekanntheitsgrads oder der Chance, die abflauende Karriere wiederzubeleben. Das ist für eine Person des öffentlichen Lebens mehr wert als jeder noch so hohe Geldbetrag.
 
Der Reiz von TV-Castingshows
Im heutigen Deutschland steigt die täglich vor dem Fernseher verbrachte Zeit proportional zum Alter an. Mit anderen Worten: Je älter ein Mensch ist, desto mehr sieht er fern. Das wirft die Frage auf, warum Spielshows und Reality-TV so beliebt sind. Nun, zunächst einmal sind diese Sendungen nicht sonderlich anspruchsvoll, sodass die ältere Generation sich von ihnen angesprochen fühlt. Hinzu kommt, dass man sich mit den Darstellern leichter identifizieren kann als bei Sendungen wie „Game of Thrones“, die zur Realitätsflucht einladen, oder bei jenen furchteinflößenden Sendungen, in denen es um reale Verbrechen geht. Das könnte ein Grund sein, warum Spielshows und Reality-TV vor allem bei Menschen beliebt sind, die viel zu Hause sind und ein Alter erreicht haben, wo sie sich Frieden und Ruhe wünschen.
 
Die Attraktivität von Castingshows beruht teilweise auf der Möglichkeit zum Mitmachen und Interagieren. Meist können die Zuschauer daheim über die ihrer Meinung nach beste Darbietung abstimmen und so das Ergebnis beeinflussen. Und selbst wenn das nicht möglich ist, sitzen häufig Branchen-Gurus in der Jury oder treten als Coach auf. So kann jeder Zuschauer in eine andere Welt eintauchen. Michael Kors etwa ist regelmäßig als Juror bei „Project Runway“ dabei, Promi-Köche sind häufig bei „MasterChef“ zu Gast. Die Zuschauer identifizieren sich mit Menschen, die so sind wie Sie und ich; sie fiebern mit ihnen gemeinsam dem Sieg entgegen.
 
Wie geht es mit dem Fernsehen weiter?
Eine Sendung, die man zu Recht als Wegbereiter für das heutige Reality-TV-Genre bezeichnen darf, ist „Survivor“. Die Serie ist bis heute enorm erfolgreich. Auch hier sind gewöhnliche Menschen am Werk und müssen sich diversen Herausforderungen stellen; aber „Survivor“ lebt auch von jenem fesselnden „Aquarium-Effekt“, der es möglich macht, die Kandidaten beim Interagieren untereinander zu beobachten. Das allein wäre langweilig. Doch sobald es Aufgaben zu lösen gilt, ergänzen sich die beiden Elemente (normale Gespräche – ungewöhnliche Herausforderungen) ganz hervorragend. „The Amazing Race“ und „The Apprentice“ sind zwei weitere gute Beispiele für diesen Effekt. Allerdings sieht es so aus, als hätten diese Sendungen ihre besten Zeiten hinter sich, 15 Jahre, nachdem unfassbare 52 Millionen Zuschauer das Finale der ersten Staffel von „The Amazing Race“ sahen.
 
Das Reality-TV scheint allgemein zu schwächeln; es wurde ja auch sehr viel Inhalt in sehr kurzer Zeit produziert. Auf Wettbewerb basierende Sendungen sind von dieser Entwicklung zwar weniger stark betroffen als etwa „Big Rig Bounty Hunters“, aber auch sie zeigen Anzeichen von Überlastung. Was ist als Nächstes in Sicht? Interessanterweise scheint es so, als wollten beide Seiten – Produzenten und Zuschauer – zum fertig vorbereiteten Fernsehprogramm („scripted television“) zurückkehren. Da Streaming-Dienste heute attraktivere Pakete anbieten, haben es die Studios überall leichter, sich mit überzeugenden Dramen und Komödien hervorzuheben. In einem derart wettbewerbsbetonten Markt ist das eine absolute Notwendigkeit.
 
Genau wie die Spielshows, die nach wie vor unterhaltsam sind und viele Zuschauer anlocken, werden wohl auch die Reality-Shows beliebt bleiben. Das gilt besonders für Formate, deren Grundlage der Wettkampf und das Präsentieren von Fähigkeiten sind. Mit den Menschen, die dank dieser Sendungen zu Prominenten wurden, verdienen heute viele Unternehmen Geld. Es sind große und starke Netzwerke entstanden, die nicht von heute auf morgen verschwinden werden. Noch finden die Sendungen bei vielen Menschen Zuspruch, aber es gibt erste Anzeichen dafür, dass sie im deutschen und internationalen Fernsehen künftig eine geringere Rolle spielen werden. [Anzeige]

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