WDR: Baut Bergwerk in Virtueller Realität nach

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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Das virtuelle Bergwerk ist eröffnet: Bevor Ende 2018 die Ära des Deutschen Steinkohlebergbaus endet, hat der WDR die letzte Ruhrgebietszeche mit Spezialtechnik digital konserviert. In 360° ist sie für jeden erlebbar – besonders intensiv geht das mit VR-Brille.

Eigentlich fehlt nur der Kohlenstaub. Wer sich ins virtuelle Bergwerk wagt, besteigt den Förderkorb, geht auf Grubenfahrt mit der „Dieselkatze“ genannten Hängebahn, dringt vor bis auf mehr als 1200 Meter Tiefe, wo die Kohle aus dem Berg gehauen wird. Für eine ganz besonders sinnliche Zeitreise im Körper eines Bergmanns vor 100 Jahren betritt man gar eine Rüttelplatte und atmet eigens für das Eintauch-Erlebnis simulierten Bergwerksduft.

Mit dem aufwendigen Virtual-Reality-Projekt „Bergwerk 360°“ setzt der Westdeutsche Rundfunk den Bergleuten im Land ein Denkmal. Denn Ende des Jahres ist endgültig Schicht im Schacht: Mit dem Schließen der letzten Ruhrgebietszeche Prosper-Haniel in Bottrop sowie Ibbenbüren im Münsterland geht der Steinkohle-Abbau in Deutschland zu Ende.
 
Die Macher wollen Bergbaugegenwart, die schon so bald Geschichte sein wird, für jeden erlebbar machen. Sie wollen konservieren, wie es aussieht in der Waschkaue, wo die Kumpel in ihre Kluft schlüpfen oder eben im Streb, wo die Kohle aus dem Berg geholt wird. Mehr als 15 Tage haben sie über und unter der Erde mit Spezialtechnik gedreht, um die Nutzer mitzunehmen in die Tiefe, wo es staubt, laut und heiß ist. Oder in die Höhen einer Halde, wo der Bergmanns-Chor das traditionelle Steigerlied schmettert.
 
Während die 360°-Reportage aus dem Bergwerk für jeden mit Internetzugang über Smartphone oder den heimischen PC zugänglich ist, wird das interaktive Erlebnis erst mit spezieller Virtual-Reality-Brille perfekt: Hunderte bis Tausende Fotos setzen digital Orte zu sogenannten Photogrammetrien zusammen, durch die sich der Nutzer mittels Controller frei bewegen kann. Vom Dach der Kohlenwäsche kann man den Blick über das Zechengelände schweifen lassen. Spielerisch geht es dann durch das Bergwerk, man sammelt Grubenlampe und Helm ein, damit es abwärts gehen kann.
 
Malochen muss der Nutzer bei einer dritten, besonders aufwendigen Station: VR-Brille mit Animation auf der Nase, Gewichte an den Armen, eine Rüttelplatte unter den Füßen und ein Heizstrahler von der Seite sollen zusätzliche Erlebnis-Dimensionen eröffnen. Während der Zeitreise 100 Jahre zurück muss man selbst die Hacke schwingen und Kohle aus der Wand schlagen – und ums Überleben kämpfen. Bei all dem weht aus einer Nebelmaschine sogar eine spezielle Duftmischung um die Nase: Modriges Gewölbe und Geruch nach schwerem Öl wollte der Parfümeur da nachbilden.
 
Die Spezial-Technik für das virtuelle Bergwerk soll künftig auf Reisen durch das Land gehen: Erste Station soll noch in diesem Monat die Computerspiel-Messe Gamescom sein. Dann wird sich auch zeigen, ob mit dem Projekt die angestrebte junge, game-affine Zielgruppe erreicht werden kann.
 
Vom Ergebnis ist auch der Bergmann und Industriemechaniker Marcel Pawlinka begeistert. Er freut sich darauf, Freunden und Bekannten seinen Arbeitsplatz zu zeigen. Wenn er dann in ein paar Monaten anderswo einem Job nachgeht, kann er gelegentlich doch noch mal einfahren in sein Bergwerk und sich erinnern: „Das kommt dem Echten schon sehr nahe“, sagt er.

[Florentine Dame]

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