Wundersame Geldvermehrung bei Primacom

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Kabel-TV Bild: © soupstock - Fotolia.com
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Tele Columbus zahlt für den Leipziger Wettbewerber aktuell 711 Millionen Euro. In einem KPMG-Gutachten war Primacom 2010 jedoch nur 1,3 Millionen Euro wert. Hat Tele Columbus zu viel bezahlt oder gab es damals Ungereimtheiten?

Primacom und Tele Columbus standen in den vergangenen Jahren schon mehrmals vor dem Traualtar: 2007 wollte der damalige Großaktionär, der Finanzinvestor Orion/Escaline, die Unternehmen zusammenführen. Im Oktober 2013 schickte Primacom vergebens ein Kaufangebot an Tele Columbus, im November bekam Tele Columbus bei der Revanche ebenfalls einen Korb. Sinn macht der Zusammenschluss sicherlich, da beide Unternehmen die gleichen Regionen beackern und es ein hohes Einsparungspotential gibt.
 
Einzig und allein: Ist der Kaufpreis von 711 Millionen Euro für den operativen Betrieb angemessen oder jenseits von Gut und Böse? Zumal  Tele Columbus selbst nur eine Marktkapitalisierung von knapp 700 Millionen Euro besitzt und demnächst die Haltefristen einiger Aktienpakete enden. Hierdurch könnte der Aktienkurs stark unter Druck geraten. Nach eigenen Angaben will Tele Columbus die 711 Millionen zum Teil aus den Einnahmen von rund 370 Millionen Euro aus dem Börsengang, einem Bankkredit und einer Brückenfinanzierung über 125 Millionen Euro finanzieren. Ein riskantes Spiel, bei dem nichts anbrennen darf.

Wir erinnern uns: Bis Mitte 2010 firmierte Primacom als Aktiengesellschaft. Auch damals fuhr man riskante Refinanzierungen für schnelles Wachstum und ging Knebelverträge mit Hedgefondes und der holländischen ING-Bank ein, die knapp an der Wuchergrenze lagen. Als dann 2010 die Kreditlinien zur Verlängerung anstanden, zogen die Fremdkapitalgeber den Strick zu. Federführend stellte die ING-Bank eine Kreditforderung in Höhe von gut 29 Millionen Euro vorzeitig, sie war sofort fällig und nahm der AG den hochprofitablen, operativen Betrieb, quasi das Tafelsilber, weg. Ziel der Fremdkapitalgeber war es, sich das Unternehmen möglichst billig anzueignen – und die Eigentümer quasi zu enteignen.
 
Auf gar keinen Fall sollte das Unternehmen wie ursprünglich angekündigt am 5. Juli 2010 versteigert werden. Denn hier hätten auch Mitbewerber wie Kabel Deutschland oder Liberty die Chance gehabt, das attraktive Unternehmen zu ersteigern. Die Fremdkapitalgeber drängten deshalb den Insolvenzverwalter Hartwig Albers zu einem Verkauf wenige Stunden vor Versteigerungsbeginn.
 
Hierzu erstellte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG eine „fairness opinion“, also ein Kurzgutachten zur Entlastung des Insolvenzverwalters, ob der Kaufpreis angemessen sei. Primacom war damals fiktiv mit 340 Millionen Schulden belegt, was passieren kann, wenn die Fremdkapitalgeber verrückt spielen und auf einmal knapp 20 Prozent Zinsen verlangen. Die KPMG kam im Gutachten zu der Meinung, dass ein Kaufpreis von 1,3 Millionen Euro brutto für den Kabelnetzbetreiber angemessen sei. Nominell zahlten die Fremdkapitalgeber zwar 10 Millionen über eine Strohmannfirma auf den Cayman Islands, doch 8,7 Millionen wurden gleich wieder zurücküberwiesen.
 
Laut seriösen Insidern war Primacom 2010 während der „gezielten Insolvenz“ um die 400 Millionen Euro wert, der Insolvenzverwalter verschleuderte das Unternehmen an die Fremdkapitalgeber jedoch quasi für fast nichts. Seit dieser Zeit wuchs Primacom zwar. Ende 2013 übernahm das Unternehmen die Sy-Fra Antennentechnik in Plauen mit lediglich 22 000 Haushalten und 2014 die DTK Deutsche Telekabel von Roland Steindorf mit 270 000 versorgten Haushalten. Doch sind nun 711 Millionen Euro Kaufpreis gerechtfertigt oder hat sich Tele Columbus hier über den Tisch ziehen lassen? Die keinen Anstand kennenden Hedgefonds feiern den Verkauf ihrer aufgehübschten Braut sicherlich seit Tagen nonstop. Oder stimmte etwa der Verkaufspreis 2010 nicht, als die Fremdkapitalgeber eine quasi „kalte Enteignung“ durchdrückten?
 
Aktionäre sollte deshalb auch bei Tele Columbus die Finanzierung nicht nur bei der gerade angekündigten außerordentlichen Hauptversammlung am 14. September hinterfragen. Es will keiner, dass nochmal so wie bei der ebenfalls hochprofitablen Primacom AG Aktionäre auf der Strecke bleiben und über Leichen gehende Hedgefond-Monster den großen Reibach machen. [Kommentar von Stefan Hofmeir, Herausgeber ]

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2 Kommentare im Forum

  1. Mich wundert bei Primacom und Telecolumbus gar nix mehr. Insofern passen die doch gut zusammen.
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