Xbox One: Goodbye Gaming, willkommen Unterhaltung

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Bild: © Victoria - Fotolia.com
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Am Dienstag präsentierte Microsoft die neue Xbox-Generation, die statt der Spiele die allumfassende Unterhaltung in den Mittelpunkt rückt. Exklusive Deals mit Inhalteanbietern sollen die Xbox One zur Entertainmentplattform Nummer 1 machen.

Die Ära der klassischen Videospielkonsolen ist vorbei und vehementer als Microsoft hätte dies kein Videospielhersteller aussprechen können. Während der Vorstellung der neuen Konsole Xbox One wurde Microsoft zwar nicht müde zu betonen, dass Videospieler weiterhin im Mittelpunkt der Unterhaltung stehen werden, doch ist die Xbox One im Kern genau das Gegenteil: Die Abkehr vom Videospielmarkt wie wir ihn kennen, hin zu einem komplexen Konstrukt, in dem Realität und virtuelle Welten aufeinanderprallen und sich im besten Fall ergänzen.
 
Die Inhalteanbieter dürfte es freuen, denn Microsoft lockt mit barer Münze, wenn exklusive Inhalte auf der Xbox-Plattform feilgeboten werden. So geht Microsoft z.B. kostspielige Partnerschaften mit Electronic Arts und der NFL ein, um die realen Spiele mit den virtuellen Geschehnissen intelligent zu verknüpfen.TV-Steuerung inklusive

Damit die Nutzer beim grenzenlosen Inhaltekonsum nicht überfordert werden, klappt das Umschalten zwischen einem TV-Kanal und dem Spielinhalt binnen Sekunden. Dabei steuert Xbox One im Optimalfall den angeschlossenen Receiver und schleift das Videosignal dank eines HDMI-Eingangs zum Fernseher durch. Die Xbox One verfügt über einen eingebauten Blu-ray-Player mit 500-GB-Festplatte und soll somit zur Schaltzentrale im Wohnzimmer werden, um Musik, TV, Filme und Games unter einer Bedienoberfläche zu verbinden. Programmbegleitende TV-Informationen holt sich die Xbox One über das Internet.
 
Im Rundumsorglospaket enthalten ist die verbesserte Kinect-Kamera, die unter allen Lichtverhältnissen den Nutzer bis auf die Gesichtsmimik genau erkennt und die Steuerung der Konsole mittels Spracheingabe und Bewegungen erlaubt – die Fernbedienung soll für immer aus dem Wohnzimmer verschwinden. Ohne Kinect wird die Xbox One voraussichtlich nicht funktionieren. Gleich drei Betriebssysteme arbeiten in der Xbox One parallel: Eine Windows-ähnliche Plattform, eine Xbox-One-Plattform und eine Hybridstruktur, die beide Welten verbindet. Nur dadurch geht der Wechsel zwischen Internet-, Xbox-Live-, TV-, Film- und Spielanwendungen nahezu ohne Verzögerung vonstatten, ganz so, als würde man zwischen offenen Apps auf dem iPad wechseln. Goodbye Core-Gamer

 
Die Multimediafähigkeiten der Xbox One lassen alle anderen Gaming-Konsolen alt aussehen, doch verabschiedet sich Microsoft praktisch über Nacht von den Core-Gamern, die der Xbox 360 zum Durchbruch verholfen haben. Für den US-Markt könnte die Rechnung aufgehen: Steven Spielberg arbeitet an einer „Halo“-TV-Serie, exklusive Deals mit der NFL und Electronic Arts könnten die Xbox One zur nationalen Gaming-Plattform werden lassen und exklusive Downloadinhalte bei „Call Of Duty Ghosts“ und „FIFA“ stärken die Xbox-Live-Plattform als potenzielle Cashcow.
 
Damit hat Microsoft dem Konkurrenten Sony vor allem eines voraus: Geld wird vorrangig in massenmarktrelevante Themen gepumpt und Zusatzeinnahmen durch lukrative Onlineinhalte generiert, die unmöglich durch Raubkopien ausgehebelt werden können. Zwar muss die Xbox One nicht mit dem Internet verbunden sein, um offline Spiele zu zocken, doch soviel scheint sicher: Das Konzept der Xbox One ergibt ohne Internetanbindung keinen Sinn.
 
Abseits des US-Marktes bleibt es spannend, wie Microsoft nationale Partnerschaften aufbauen will, um ähnlich ambitionierte Projekte zu stemmen. Ausgaben für TV-Serien, Sportinhalte und exklusive Downloads statt für Spielinhalte sind ein deutliches Zeichen, wohin Microsoft steuert und so passte es irgendwie ins Bild, dass Electronic Arts, Amerikas jüngst gewähltes „Schlimmstes Unternehmen der USA“ Hand in Hand mit Microsoft die nächste Generation einläutete und exklusive Partnerschaften verkündete.Schwächer als PS4, stärker als WiiU

Betrachtet man die integrierte Technik der Xbox One, fällt das Ergebnis der Präsentation ernüchternd aus. Sämtliche vorab durchgesickerte Informationen scheinen sich zu bestätigen, d.h. die Xbox One wird in ihrer Grundstruktur der PS4 von Sony ähneln, ohne deren Leistung zu erreichen. Ein Achtkernprozessor von AMD, ein Grafikchip von ATI und 8 GB RAM treiben die Konsole an, allerdings ist der Arbeitsspeicher langsamer getaktet und in Summe bringt die Konsole etwas weniger Leistung hervor, weil auch der Grafikchip nicht ganz so potent wie in Sonys PS4 rechnet.
 
Durch die parallele Darstellung mehrere Inhalte wird dem Betriebssystem deutlich mehr Platz eingeräumt als bei Sonys PS4, die letztendlich nur zum Spielen gedacht ist. Dadurch dürfte die Xbox One in Sachen effektiver Spieleleistung vergleichsweise deutlich hinter der PS4 hinterherhinken.
 
Da aber die Grundarchitektur vergleichbar ist und nicht wie bei den aktuellen Konsolen Xbox 360 und PS3 grundverschieden ausfällt, bedeutet das für die zu erwartende Grafik der Spiele: Xbox One Games werden niemals besser als PS4-Games aussehen aber auch nicht gravierend schlechter.Games als Randnotiz

 
Microsoft will mit der Xbox One das größte Spieleportfolio in der Geschichte der Xbox präsentieren: 15 exklusive Titel innerhalb der ersten 12 Monate, davon 8 komplett unverbrauchte Franchises. Die ehemaligen Haus-und-Hof-Entwickler Bungie, Ensemble Studios, Rare und Lionhead hat Microsoft in den letzten Jahren aber nahezu vollständig verloren, meist existieren nur noch Namen, wo früher Persönlichkeiten Spiele programmierten.
 
Derzeit stehen zwei exklusive Spieleperlen auf dem Plan: Das Autorennspiel „Forza 5“ und ein neuer Titel der „Alan Wake“-Macher Remedy namens „Quantum Break“. Das ist im Vergleich zu Sonys und Nintendos Entwicklermacht ein Tropfen auf den heißen Stein, doch hat Microsoft ein Ass im Ärmel. Im Gegensatz zu Nintendo und Sony setzt Microsoft alles auf eine Karte, will heißen: Während sich Nintendo mit der WiiU und dem 3DS und Sony mit der PS Vita, PS3 und PS4 herumschlagen müssen, entwickeln die verbleibenden Microsoft Games Studios mit voller Kraft an Xbox-One-Titeln.Pokerspiel

Microsoft verabschiedet sich mit der Xbox One vom Videospielmarkt wie wir ihn heute kennen und lässt TV- und Spieleunterhaltung nahezu grenzenlos verschmelzen. Die Xbox One dient dabei als allumfassende Unterhaltungsplattform, die sogar den angeschlossenen TV-Receiver mittels Spracheingabe und Gesten steuert.
 
Inwieweit der europäische Markt von exklusiven US-Deals profitiert, bleibt aber ebenso abzuwarten, wie Microsofts Ankündigung, durch Spiele bei den Core-Gamern punkten zu wollen. Die Präsentation der Xbox One dürfte vorrangig Wirtschaftsanalysten und Inhalteanbieter glücklich gemacht haben, denn keine Videospielkonsole zuvor bot soviel Unterhaltung abseits der Spiele.
 
Ende des Jahres wird sich zeigen, welches Konzept den Nerv der Erstkäufer am besten trifft, denn dann stellt sich Sonys auf Videospiele fokussierte PS4 der Multimediamaschine Xbox One von Microsoft. [ct]

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36 Kommentare im Forum

  1. AW: Xbox One: Goodbye Gaming, willkommen Unterhaltung Oder: Willkommen in den 80ern - also designmässig, nicht von der Technik. So kantig, sieht aus wie ein Nintendo NES, wenn sie grau wäre.
  2. AW: Xbox One: Goodbye Gaming, willkommen Unterhaltung Wer hat sich denn die dusselige Überschrift ausgedacht. Nix "Goodbye Gaming". Das die neuen Games zum Großteil auf der E3 vorgestellt werden, war doch vorher schon klar.
  3. AW: Xbox One: Goodbye Gaming, willkommen Unterhaltung Gibts doch schon bei Madden 13 auf der PS3. Die XBOX sieht schon sehr nach TV-STB aus. Gibt es denn schon verlässliche Release-Termine oder zumindest etwas präzisere Zeiträume als "Herbst", "Ende des Jahres" oder "im Frühjahr 2014"?
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